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Interview von Bettina Götz mit Elli Müller von Engadin Tourismus
Das Bergell – unberührte Natur und reich an Kultur
Kunst und Kastanien
Oft als schönstes Tal der Schweiz gerühmt, ist das Val Bregaglia, wie das Bergell im Süden Graubündens genannt wird, längst kein Geheimtipp mehr: ein Paradies für Naturwie Kunstenthusiasten. Bettina Götz sprach mit Eli Müller, Direktorin Bregaglia Engadin Turismo.
ARTMAPP: Frau Müller, was empfehlen Sie kunstbegeisterten Besucherinnen und Besuchern, die das Bergell noch nicht kennen?
Eli Müller: Das Bergell besitzt viel unberührte Natur und eine außerordentliche Dichte an Kulturschätzen, etwa den Kastanienwald und historische Dörfer. Von Maloja bis Castasegna gibt es in jedem Dorf mindestens eine „Kulturstätte“ zu besichtigen. Daher rate ich allen Gästen zu einem mehrtägigen Aufenthalt. Für die, die nur wenig Zeit haben, empfehle ich einen Stopp in Stampa und Coltura. Hier kann nebst dem Besuch des Talmuseums Ciäsa Granda, des Centros Giacometti und des Ateliers Giacomettis auch der Palazzo Castelmur besucht werden: Im Palazzo gibt es aktuell eine Ausstellung der Künstlerin Miriam Cahn. Danach sollte unbedingt noch ein Abstecher ins La Stala Bistrò d’Arte in Colutra eingeplant werden. Hier tafelt man unter Kastanienbäumen, während im Inneren des ehemaligen Stalls Gemälde des Künstlers Beat Ritter ausgestellt sind.
ARTMAPP: Das Bergell zeichnet eine vielfältige Baukultur aus. Was macht die Region für Architekturinteressierte so besonders?
EM: Erstaunlich ist, dass eine Gemeinde mit nur 1.500 Einwohnern so viele Architekturschätze birgt. Direkt nach dem Silsersee begrüßt einen der imposante Bau des belgischen Comte de Rennesse aus dem 19. Jahrhundert. Im nächsten Dorf, in Casaccia, wacht Eingangs die Ruine San Gaudenzio. Mit 26 Metern Innenlänge vermittelt die Kirche, einer der größten spätgotischen Bauten Graubündens, ein besonderes Raumerlebnis. Weiter geht es nach Vicosoprano. Imposante
Eli Müller, Foto: Mayk Wendt

Soglio, © Switzerland Tourism – By-Line swiss-image.ch, Andreas Gerth
Herrschaftshäuser zeugen vom früheren Handelsreichtum. Das Tal hinunter, in Stampa Coltura, wartet der außergewöhnliche Palazzo Castelmur. In Promontogno zeugt das historische Hotel Bregaglia vom früheren starken Tourismus im Tal. Gegenüber befindet sich Bondo, das trotz des großen Bergsturzes 2017 noch immer zahlreiche historische Bauten und Gassen, darunter den Palazzo Salis, vorzuweisen hat. Kein Wunder, dass sich Varlin Bondo als Wohnsitz aussuchte … Auch neuzeitliche Bauten von namhaften Architekten wurden im Bergell erbaut – zum Beispiel eine Schule und ein Zollpavillion von Bruno Giacometti.
ARTMAPP: Das Bergell ist bekannt als das Tal der Künstler und Kastanien. Was hat es mit der Kastanie auf sich?
EM: Früher war die Kastanie ein Hauptlebensmittel; sie half getrocknet und zu Mehl verarbeitet, die harten Winter zu überstehen. Heute ist die Kastanie vor allem ein Kulturschatz der aufwendig gepflegt und im Herbst mit einem vierwöchigen „Festival della Castagna“ gefeiert wird. Da dreht sich alles nur um eines: Kastanien. Mir persönlich schmecken sie am besten im Bergeller Traditionsgericht, den gekochten Kastanien mit Rahm und Speck. Perfekt zur Einstimmung auf kalte Wintertage geeignet, werden die rauchgetrockneten Kastanien etwa drei Stunden mit Speck gekocht und anschließend mit einem Stück Speck und einem Klecks Sahne serviert. Zudem wird die Kastanie zu Käse, Tagliatelle, Gnocchi, Torte, Crème, Grappa und vielem mehr weiterverarbeitet und ist so von der Bergeller Speisekarte nicht wegzudenken.
ARTMAPP: Was sind Ihre persönlichen Lieblingsorte im Bergell?
EM: Meine beiden Lieblingsorte, für kurze Ausflüge mit Weitsicht, sind, ab Soglio die MaiensässSiedlung Tombal und ab Casaccia der Motta Salecina. Im Winter schnalle ich mir in Maloja gern Langlaufski an die Füße, um über den gefrorenen Silsersee zu gleiten. Mit Tourenski lässt sich im Winter der Piz Lunghin besteigen. Im Sommer genieße ich die Fahrt mit dem Rennrad über den Malojapass oder eine Joggingrunde über den Sentiero Panoramico. Ein absolutes Muss für Bergsteiger ist der Blick vom Piz da la Margna mit grandioser Weitsicht über das ganze Bergell und das Oberengadin. Zur Erfrischung empfehle ich einen Sprung in einen unserer schönen klaren Bergseen.