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Skulpturenpark Heidelberg – von Chris Gerbing

Skulpturenpark Heidelberg

Wettbewerb „Junge Kunst“

Neckaraufwärts reicht der Odenwald bis dicht an den Neckar heran, weshalb sich Heidelberg etliche Kilometer ins Neckartal hineinzieht. In Schlierbach, einem zugehörigen Vorort, befindet sich seit 1918 der ursprünglich für Kriegsversehrte und Kinder mit Behinderungen erbaute Gebäudekomplex, der heute die Orthopädie des Heidelberger Klinikums beherbergt. 1995 wurde der Außenbereich zum Landschaftsgarten umgestaltet; in diesem Zusammenhang entstand auf Initiative des damaligen Klinikdirektors Horst Cotta der Skulpturenpark, der mit aktuell knapp 30 Skulpturen einen Querschnitt skulpturalen Schaffens durch die vergangenen rund 75 Jahre bietet. Alljährlich wird eine bildhauerische Position in einer Sonderausstellung vorgestellt, alle drei Jahre lobt man – heuer zum dritten Mal – den Wettbewerb „Junge Kunst – Skulpturenpreise“ aus, der mit insgesamt 12.000 Euro der „ManfredFuchsPreise“ ausgestattet ist und sich explizit an Kunstschaffende richtet, die das 40. Lebensjahr noch nicht erreicht haben. Für die Wettbewerbsphase 2020 wurden 28 Künstlerinnen und Künstler durch die siebenköpfige Jury aufgefordert, ihre Ideen zu einer Freilandskulptur einzureichen. Aus diesem Pool wurden dann fünf Künstlerinnen und Künstler eingeladen, diese im Skulpturenpark zu realisieren. Bei den 2021 für den Preis Nominierten handelt es sich um die gebürtige Argentinierin Viviana Abelson, die in Berlin lebt, um den aus Japan stammenden Hamburger Kazunori Kura, um Nino Maaskola

Nino Maaskola, „Flussbalken”, 2021, Aluminium, Beton, 600 x 20 x 70 cm, Foto: Thomas Henne

und Laura Sacher, beide an der Karlsruher Akademie ausgebildet, sowie um den Wahlberliner Gary Schlingheider. Ihre Arbeiten zeigen die immense Bandbreite der Möglichkeiten in Bezug auf Form, Farbe und nicht zuletzt Material und setzen damit auf dem Klinikareal temporär neue Akzente. Prominent platziert ist Schlingheiders farbenfrohe Installation aus unterschiedlich langen, zum Dreieck aufgestellten, monochrom eingefärbten Aluminiumstreben, die er „10 multi part pieces“ nennt und damit auf ihre Variabilität bereits im Titel anspielt. Direkt gegenüber, im Schatten einer alten Buche, findet sich „Flussbalken“ von Nino Maaskola. Das Fließen des Wassers hat der Karlsruher Künstler in gegossenes Aluminium übertragen, das auf einem Betonbalken zu ruhen scheint, das als künstlerische Interpretation der Bundeswasserstraße Neckar und ihrer infrastrukturellen Aufgaben gelesen werden kann. Das Schiff als Symbol für Geborgenheit und Schutz, aber auch als Verweis auf die Flüchtlingsbewegungen unserer Zeit thematisiert Kazunori Kura in seiner Installation „In the name of a day“. Skelettierte Schiffsrümpfe ragen unterschiedlich tief aus der Erde, sind für den Künstler quasi archäologische Artefakte, die Vergangenheit und Zukunft miteinander verbinden, obwohl sie durch die Art der Präsentation das Moment der Bewegung, das ihnen sonst zu eigen ist, einbüßen. Auch bei Viviana Abelson ist ein Element der Irritation einkalkuliert, denn ihre überdimensionierte im Boden verankerte Kette entpuppt sich bei näherem Hinsehen als ineinander verschränkte LKWReifen unterschiedlicher Größe. Während hier Bewegung nicht mehr möglich ist, hat Laura Sacher diese dezidiert einkalkuliert, denn die Betrachterinnen und Betrachter sollen das riesige Pendel, eine Lehmkugel, explizit in Schwingung bringen.

CHRIS GERBING

Bis Oktober 2021 www.skulpturenpark-heidelberg.de

Jeppe Heins freundlich emphatische Irritationen im Kurgarten BadenBaden

Rein ins Herz!

„Momentan merkt man einfach, dass meine Kunst so ins Herz rein geht. Das mögen manche Kritiker, Museumskuratoren nicht. Aber ich mache Kunst für die Leute.“ So fasst Jeppe Hein sein Werk zusammen. Ein „Werkzeug, das Herzen öffnet“, will er schaffen, Besucherinnen und Besucher seiner Ausstellungen einbeziehen wie jüngst in der Schirn in Frankfurt am Main, wo man in kleine von Hein gestaltete Kreise seine ganz eigenen Gefühle hineinmalen konnte. Solche interaktiven Aktionen liebt Hein. Oder auch Spiegelkabinette, Labyrinthe und Wasserspiele, die sensorisch auf Passantinnen und Passanten reagieren: Stets steht das Verhältnis des Individuums zu seiner Umwelt, die räumliche Erfahrung der Betrachtenden im Fokus des 1974 geborenen dänischen Künstlers, der unter anderem an der Frankfurter Städelschule studiert hat, in Berlin lebt und seine Kunst bereits im Central Park und im UN Hauptquartier, im Kunstmuseum Wolfsburg, im Centre Pompidou, im MoMA PS1 und bei der Biennale von Venedig präsentierte. Jeppe Heins freundlichemphatische Kunstirritationen kann man in diesem Sommer nun auch in BadenBaden erleben: Inspirieren will der Künstler, nicht belehren. Und ihm gelingt dies coronakonform unter freiem Himmel, als der erste von einer renommierten Jury ausgewählte Künstler der neuen Ausstellungsreihe „kunst findet stadt“. Vom 31. Juli bis zum 5. September zeigt er hier – kostenfrei zugänglich – seine „hoch ästhetische und gleichzeitig spielerische Kunst“, wie es Jurymitglied Henning Schaper, Direktor des Museums Frieder Burda, ausdrückt. Aus dem Kurgarten wird ein Kunstgarten, der zum Lachen und Staunen einladen soll, so Hein: Verschiedene Installationen wie der Wasserpavillon „Appearing Rooms“ nutzen die Ressourcen vor Ort, metaphorisch etwa auch das Heilwasser der Quellen BadenBadens, um Orte der Begegnung zu schaffen. Die Arbeit „Modified Social Benches“ macht die Kommunikation auf Parkbänken zum Thema. Die hängende, sich drehende Spiegelinstallation „Shift in Perception“ zeigt Vertrautes neu und stellt die Frage, ob hier nun die Wirklichkeit oder die Spiegelung davon zu sehen ist. „Mirror Balloons“ schließlich ist eine Installation aus verspiegelten Ballons vor dem Kurhaus, die die Menschen zum Wünschen anregen soll. Die von der BadenBaden Events GmbH initiierte Reihe „kunst findet stadt“ wird von nun an jährlich unter freiem Himmel präsentiert. Sie ist auf mehrere Jahre angelegt und funktioniert auch unter Pandemiebedingungen. Heins künstlerische Position markiert einen guten Anfang, denn die Art

Jeppe Hein, „Mirror Balloons“, 2015, Courtesy: KÖNIG GALERIE, Berlin / London, 303 GALLERY, New York, und Galleri Nicolai Wallner, Kopenhagen, Foto: Morten Kjoer

und Weise, wie seine interaktive Kunst das Spielerische und Ernste verbindet, Persönliches und Außenwelt zusammenbringt und dabei konsequent auf eine hohe kommunikative Wirkung setzt, das scheint perfekt für einen sommerlichen KunstParcours: Genuss, Freude und Spiel, das Ansprechen aller Sinne, die Einladung zum Mitmachen und zur Begegnung, das Schaffen einer neuen Wahrnehmung – all das verspricht der Kunstsommer im Kurgarten BadenBaden.

MARC PESCHKE

31. Juli bis 5. September „kunst findet stadt“ mit Jeppe Hein Kurgarten vor dem Kurhaus Baden-Baden www.badenbadenevents.de

Franz Bernhard, „Aufragende“, 2012, Cortenstahl, 400 x 600 x 230 cm, vor dem KunstKabinett Tiefenthal, Wolfgang Thomeczek, Foto: Rainer Feser, Juni 2021

Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern Ein Bernhard für die Pfalz

Spendenaktion soll den Erwerb einer Großplastik von Franz Bernhard ermöglichen

Kunst und Kultur kosten Geld – oft genug reicht der Anschaffungsetat eines Museums nicht, um das gewünschte Werk zu erwerben, auch wenn es eine hervorragende Ergänzung zum Bestand darstellt. Insofern kann sich das Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern, das unter der Trägerschaft des Bezirksverbands Pfalz steht, glücklich schätzen, dass es mit Unterstützung der den Nachlass von Franz Bernhard verwaltenden Andreas C. H. SchellStiftung die Möglichkeit erhält, die sechs Meter hohe Stahlplastik „Aufragende“ vor dem Museum zu platzieren. Die in Karlsruhe beheimatete Stiftung verfolgt insbesondere das Ziel, das Werk Bernhards über Ausstellungen und Publikationen zu fördern und zu bewahren. Um die Plastik zu erwerben, haben der Pfälzer Galerist Wolfgang Thomeczek und der Vorsitzende des Ausschusses für Kunst, Kultur, pfälzische Geschichte und Volkskunde des Bezirkstags Pfalz, Manfred Geis, eine Spendenaktion ausgerufen: Die Bürgerinnen und Bürger sind dazu eingeladen, Künstlereditionen zu erwerben, aber auch Originalzeichnungen von Franz Bernhard, die ebenso zum Verkauf stehen wie ein Fotomotiv aus seinem Jockgrimer Atelier. Auch der Erlös dieser Fotoedition von Barbara Klemm, zweier Kleinplastiken von Madeleine Dietz, der Werke von Valentina Jaffé, Michael Volkmer und Friederike Zeit Narum, geht in die Finanzierung ein; die Editionen von Michael Dekker und Robert Schad, deren Verkauf ebenfalls zu 100 Prozent in den Ankauf einfließt, sind bereits vergriffen. Mit dieser Art der Finanzierung soll Identität geschaffen werden, denn letztlich gehört das Kunstwerk dann allen, weil es mit dem Geld vieler erworben wird. Von Franz Bernhard besitzt das Museum einen großen skulpturalen und grafischen Bestand. Die „Aufragende“ aus dem Jahr 2012 soll die Skulpturen namhafter Künstlerinnen und Künstler im öffentlichen Außenraum rund um das mitten in der Kaiserslauterner Innenstadt gelegene, ehemalige Kunstgewerbemuseum ergänzen. Bei der Plastik von Bernhard, der bis zu seinem Tod 2013 im südpfälzischen Jockgrim lebte, handelt es sich um ein Spätwerk. Der Künstler, der 1946 aus dem Böhmerwald zunächst nach Siegelsbach (Landkreis Heilbronn) kam, um dann an der Kunstakademie Karlsruhe bei Wilhelm Loth und Fritz Klemm zu studieren, hatte sich in seinem bildhauerischen Werk ganz der menschlichen Figur verschrieben. Allerdings ging es ihm nie darum, den Menschen naturgetreu wiederzugeben, vielmehr war er für ihn „Ausgangspunkt, Stimulans und Ziel“ seiner Arbeit. Gerosteter Cortenstahl war unter anderem sein bevorzugtes künstlerisches Material, das er durch das Zusammenschweißen einzelner Bleche in die von ihm gewünschte Form brachte. Auffällig ist dabei der Gegensatz von Bewegung und Standfestigkeit, der sich gerade bei der „Aufragenden“ in einem austarierten Gleichgewicht manifestiert. Im November 2021 steht mit der diesjährigen Verleihung des Pfalzpreises für Bildende Kunst ein weiteres Highlight an. Seit 1953 wird der Preis, mit dem 1975 Franz Bernhard geehrt wurde, nach einem zweistufigen Jury Verfahren abwechselnd in den Sparten Malerei, Plastik und Grafik/Fotografie/Video/Neue Medien verliehen und ist mit 10.000 Euro bzw. 2.500 Euro für den Nachwuchspreis dotiert. Zudem erhalten die Preisträgerin beziehungsweise der Preisträger jeweils die Möglichkeit einer Ausstellung im Museum Pfalzgalerie. Des Weiteren kauft das Museum ein Werk an.

CHRIS GERBING

„RETURN – Skulpturen für Eschborn“ Ein Skulpturenprojekt von Reiner Seliger in Eschborn

Eschborn liegt in der Metropolregion FrankfurtRheinMain in direkter Nachbarschaft zu Frankfurt am Main. Die „Skulpturenachse“, deren Anfänge zurück ins Jahr 1992 reichen, durchzieht das gesamte Eschborner Stadtgebiet. Je nach Standort wechselt der Blick zwischen der Silhouette der Frankfurter Skyline und dem Taunus. Im Stadtraum stehen 25 Skulpturen internationaler Künstlerinnen und Künstler wie Timm Ulrichs, Hanneke Beaumont, Dietrich Klinge und Laura Ford. Während des Sommers 2020 waren in der Ausstellung „Bricks and Stones“ die Ziegelsteinplastiken des Freiburgers Reiner Seliger zu sehen. Der 1943 in Löwenberg in Schlesien geborene Künstler studierte von 1964 bis 1969 Industrial Design an der FolkwangHochschule in Essen und lehrte als Dozent am National Institute of Design in Ahmedabad, Indien, später in London, Mailand, Florenz und Düsseldorf. Seligers Plastiken besitzen eine prägnante Ausstrahlung und bestechen mit ihren lebendigen, bruchhaften Oberflächen. Besonders die elementaren Materialien und Formen machen seine Arbeiten so anziehend. Aus der Zusammenarbeit resultierte die Idee, ein Kunstwerk direkt vor Ort aus Eschborner Abbruchmaterial zu bauen. Das Material stammt von alten Eschborner Häusern. Der Bitte des Künstlers, Material zu sammeln, sind viele Bürgerinnen und Bürger nachgekommen. So fließen ganz verschiedene Steine in das Kunstwerk mit ein.

Reiner Seliger, „RETURN – Skulpturen für Eschborn“, Foto: Reiner Seliger

Stein für Stein entstehen drei unterschiedlich dimensionierte zylinderförmige Körper. Die Skulpturen verbleiben als fester Bestandteil der „Skulpturenachse“. Der Aspekt des „Bauens“ steht an erster Stelle: Seliger entwickelt die Gestalt der Skulpturengruppe erst im Bauprozess, er schichtet die Steine von Hand, ohne technische Hilfsmittel. Alles hängt von dem recycelten Abbruchmaterial ab. Mit der Einbindung von Ziegeln und Backsteinen wird die Erinnerung an die Vergangenheit Eschborns bewahrt. Heute ist Eschborn ein attraktiver Wirtschaftsstandort, an dem viele internationale Unternehmen ansässig sind. Der Blick in die Historie der Stadt offenbart eine lange Tradition der Ziegel, besser Backsteinherstellung: Seit dem 19. Jahrhundert gab es verschiedene Ziegeleien, die größte und bedeutendste war die der Gebrüder Philipp und Balthasar Helfmann − später Hochtief AG −, die 1875 gegründet wurde und bis Ende des Jahres 1973 Ziegel produzierte. Ein besonderes Projekt, auf das Künstler, Einwohnerinnen und Einwohner sowie die ganze Region gespannt sind.

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