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Mythen Plug-in-Hybrid
from aFLEET 05/2021
Warum der schlechte Ruf von Plug-inHybriden unbegründet ist
Plug-in-Hybriden eilt ein schlechtes Image voraus. Kritik hagelt es an fast allen Ecken und Kanten. Die Steckerfahrzeuge werden oft auf ihr Übergewicht, die bescheidene E-Reichweite und unrealistische Verbrauchsangaben reduziert. aboutFLEET hat sich 9 Plug-in-Mythen vorgenommen und diese widerlegt. Text: Fabio Simeon
1. Niemand fährt die 50 Kilometer rein elektrisch!
Plug-in-Gegner kennen viele Gründe, die vermeintlich gegen die Steckerfahrzeuge sprechen. Ihr absolutes Totschlagargument: die niedrige E-Reichweite. «Wer mit seinem Plug-in-Hybrid die 50-Kilometer-Grenze rein elektrisch knackt, fährt entweder talwärts oder er lügt», so die Parole vieler Stammtischdebatten. Und noch vor wenigen Jahren war dem wenig entgegenzusetzen. Aber: Die stetig steigende Energiedichte der Akku-Packs ermöglicht heute deutlich mehr E-Reichweite bei gleichem Bauraum.
2. Die Verbrauchsangaben sind unrealistisch
Wir sind uns einig: Verbrauchsangaben von unter 2 Liter auf 100 Kilometer lassen Skepsis aufkommen. So auch beim neuen ŠKODA Octavia Plug-in-Hybrid. Der tschechische Bestseller mit Steckerbuchse verbraucht laut WLTP 1,2 Liter auf 100 Kilometer. Aber: Hinter der Spritangabe steht klein gedruckt immer auch der Stromverbrauch. Im Stecker-Octavia beträgt dieser 14,0 kWh auf 100 Kilometer. Auf 100 Kilometer fallen also beide Energiemengen an! Im Praxistest sieht das wie folgt aus: Betreibt man den Kombi rein elektrisch, zeigt der Bordcomputer 20,5 kWh/100 km an – mit konventionellen Aggregat und leerem Akku etwas über 7 Liter. Wie viel schliesslich von welcher Energieform benötigt wird, hängt vom Fahrprofil ab. Ergo braucht, wer ausschliesslich elektrisch fährt, keinen Sprit, wer hingegen lange Strecken abspult und dabei nicht nachlädt, ähnlich viel wie ein Benziner.
3. Ist der Akku leer, wird gesoffen
Dieses Vorurteil liest man häufig, gern kombiniert mit dem Hinweis auf das höhere Gewicht der Hybride. In der Tat bringen die batteriebeladenen Plug-in-Hybride einige Kilos mehr auf die Waage als ihre Verbrenner-Brüder. Dennoch fahren die Steckerfahrzeuge auch mit leerer Batterie fast immer einige Zehntel sparsamer. Denn selbst wenn der Akku leer ist und das Auto nicht mehr allein antreibt, ist er noch in der Lage, beim Verzögern oder Bergabfahren Bremsenergie zu speichern. In solchen Momenten wird der E-Motor zum Generator, der die Bewegungsenergie in die Batterie einspeist. Die in den Akku geflossene Energie lässt sich dann wieder nutzen, um elektrisch anzufahren, beim Beschleunigen zu unterstützen oder den Verbrenner in einem verbrauchsgünstigeren Lastbereich zu bewegen. Der Plug-in-Hybrid fährt also vom Prinzip her immer mindestens wie ein Hybrid à la Toyota Prius vor.
4. Der Preisunterschied zum Diesel ist gigantisch
Ja, auf dem Papier sind Plug-in-Hybride teurer als die Dieselkonkurrenz. Aber: Der Listenpreis zählt nicht – zumindest aktuell und in den meisten Fällen –, denn kaum ein Neuwagen fährt zum angeschriebenen Preis vom Händlerhof. Deshalb ist der Plug-in-Hybrid oftmals nur auf den ersten Blick teurer als ein vergleichbarer Diesel. Zum einen gewähren die Hersteller grosszügige Rabatte, zum anderen fällt der Nachlass – je nach Kanton – durch die staatliche Förderung so hoch aus, dass sich Steckerfahrzeuge und Selbstzünder preislich oft ziemlich nahe kommen. Zu guter Letzt spielen den Autokäufern die strengen EU-Vorgaben zum CO2-Grenzwert von 95 g/km in die Karten. Denn: Alle Hersteller sind bemüht, so viele «CO2-Zwerge» wie möglich zu verkaufen. Um dies zu forcieren, drehen die Autobauer an der Rabattschraube.
5. Nur reine E-Autos werden staatlich subventioniert
Falsch. Wie so oft gibt es in der Schweiz kein flächendeckendes Regulatorium zur Subven-
tionierung von Plug-in-Hybriden. Es ist den Kantonen und den Städten selbst überlassen, ob und wie weit sie die Steckerfahrzeuge mitfinanzieren. Dementsprechend vielfältig und unterschiedlich fallen die Hilfszahlungen aus – auch beim Errichten privater Ladepunkte. Während man im Kanton Aargau keine staatliche Unterstützung erwarten darf, zahlt das Wallis per se 2500 Franken an die Neuanschaffung und bis zu 2000 Franken an die Ladestation. Die luzernische Gemeinde Hochdorf wiederum bezahlt 1000 Franken, sofern der elektrische Antrieb das Fahrzeug mindestens 50 Kilometer antreibt. Ganz ähnlich halten es auch unsere deutschen Nachbarn: Schafft ein Plug-in-Fahrzeug 40 Kilometer rein elektrisch oder stösst es maximal 50 g CO2/km aus, kommt es in den Genuss eines E-Kennzeichens. Kommunen haben die Möglichkeit, Fahrern solcher Autos Vorteile wie die Benutzung von Busspuren zu gewähren. In vielen Städten parken Autos mit E-Kennzeichen zudem kostenlos oder dürfen in Gebiete fahren, die für reine Verbrenner tabu sind.
6. Plug-in-Hybride werden kaum geladen!
Die Fahrer von Steckerfahrzeugen seien Lademuffel und nicht selten nur an der Kaufprämie oder der steuerlichen Förderung interessiert. Eine Untersuchung des Fraunhofer-Instituts und des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) zieht jedoch völlig andere Schlüsse. Demnach fahren Plug-in-Hybride mit einer Stromreichweite von circa 60 Kilometern genauso viel elektrisch wie reine E-Autos, nämlich bis zu 15’000 Kilometer im Jahr. Heisst: Reine EAutos nutzen ihre 500 Kilometer Reichweite statistisch gesehen also sehr selten aus. Die Studie ist zwar schon über drei Jahre alt, sie besticht jedoch mit der grossen Zahl an untersuchten Fahrzeugen in den USA und der EU: So flossen die Angaben von knapp 50’000 reinen E-Autos und über 70’000 Plug-in-Hybriden in die Untersuchung ein. Die Daten stammen aus Flottentests und Internetportalen, auf denen Autofahrer ihr Mobilitätsverhalten protokollieren.
7. Die Ökobilanz ist schlecht!
Die PHEV-Förderung durch die Kantone und Gemeinden wird immer wieder mit Hinweisen auf Irrtum Nummer 6 und die schlechte Ökobilanz kritisiert. Doch diese Kritik lässt sich nicht mit Fakten belegen. Wie schon in Mythos Nummer 3 gezeigt, fahren die Steckerautos selbst bei leerem Akku sparsamer als ihre Verbrenner-Pendants. Wer kontinuierlich zum Kabel greift, ist zudem oft gänzlich lokal emissionsfrei unterwegs. Übrigens: Bei der Herstellung schneiden die PiH CO2-technisch besser ab als reine E-Fahrzeuge. Denn Akkus sind in der Produktion sehr CO2-intensiv, weshalb reine E-Autos oft Zehntausende von Kilometern zurücklegen müssen, bis sie im Vergleich zu Verbrennern ihren Klima-Malus wieder reingeholt haben. Mit den kleineren Hybrid-Akkus gelingt dies wesentlich flotter. Auch beim Thema Schadstoffe muss sich niemand Sorgen machen: PHEV unterliegen denselben strengen Abgasgrenzwerten im Realverkehr wie reine Verbrenner.
8. Plug-in Hybride benötigen teure Infrastruktur!
Wer sich ein reines E-Fahrzeug zulegt, kommt kaum um eine hauseigene Wallbox herum. Je stärker die Wallbox, desto zügiger geht das Aufladen. Für reine Stromer mit Batterien um die 100 kWh lohnt es sich deshalb, zu den 11- bzw. 22-kW-Säulen zu greifen. Andernfalls ist das komplette Aufladen des Akkus über Nacht kaum möglich. Ganz anders bei den Plug-in-Modellen. Diese beherbergen oft eine 15-kWh-Batterie und sind dementsprechend schnell wieder aufgeladen. Eine gewöhnliche Haushaltssteckdose leistet knapp 3 Kilowattstunden (P = U*I = 230V*13A = 2990 VA oder 2,99 kW) und lädt den PiH so innert 5 Stunden wieder auf. Heisst also: Wer abends einsteckt, fährt morgens wieder elektrisch los. Und falls es doch mal nicht mit dem Laden klappt, ist ja noch der Verbrenner an Bord. Vor allem bei älteren Bauten sollten Steckdose und Kabel dennoch von einem Fachmann daraufhin überprüft werden, ob sie mit der höheren Dauerleistung zurechtkommen – ansonsten droht Brandgefahr.
9. Plug-in-Hybride sind für Vielfahrer!
Die Steckerfahrzeuge werden dann am optimalsten eingesetzt , wenn sie ihr E-Aggregat möglichst oft nutzen. Dies ist auf kurzen Strecken eher möglich als auf langen Reisen. Denn: Fährt man in einem Plug-in-Hybrid mit 50 Kilometer E-Reichweite 500 Kilometer, profitiert man nur auf einem Zehntel der Strecke vom tiefen Verbrauch. Täglich elektrisch zur Arbeit oder zum Einkaufen in die Stadt, um anschliessend das Fahrzeug über die Nacht zu laden, muss also die Devise der Plug-in-Piloten sein. Klingt nach Zweitauto? Jein – aber wer häufig lange Strecken an einem Stück bewältigen muss, stösst mit einem reinen Selbstzünder wohl weniger CO2 aus, da der Verbrennungsmotor der meisten Plug-inModelle mit Benzin betrieben wird.
Fazit
Das schlechte Image der Plug-in-Hybride ist grösstenteils unbegründet. Klar, marketingtechnisch hätte man mit mehr Transparenz bei den Verbrauchsangaben wohl für mehr Vertrauen sorgen können, von grossen Preisunterschieden zum Diesel oder einer schlechten Ökobilanz kann aber nicht die Rede sein. Vielmehr muss über das Nutzungsprofil diskutiert werden. Denn obwohl sie auch bei leerem Akku nicht zu hemmungslosen Säufern mutieren, fahren sich die Steckerfahrzeuge vor allem dann besonders ökologisch, wenn das E-Aggregat greift. Für Fahrer, die täglich Kurzstrecken (bis 50 Kilometer) zurücklegen und sich nicht zu den Lademuffeln zählen, sind Plug-in-Hybride eine interessante Alternative – zum Diesel, Benziner oder reinen E-Auto.