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Er war einfach viel zu früh dran

Was wäre, wenn?

Das erste Serien-Elektroauto der Neuzeit gilt bis heute als große verpasste Chance. Doch stimmt das wirklich? Um kaum ein anderes Vehikel ranken sich so viele Mythen wie um den GM EV-1.

Text: Roland Scharf, Fotos: GM

Es ist gar nicht so leicht, bei einem Auto wie dem EV-1 die Fakten von den Mythen auseinanderzuhalten. Sehen wir uns also nüchtern an, was wirklich damals passierte, als General Motors erstmals ein Elektroauto baute.

Enormes Echo Vor gut 30 Jahren beschloss Kalifornien, dass jeder Hersteller künftig einen bestimmten Anteil an Fahrzeugen ohne Emissionen anbieten musste. Fossile Antriebe fielen damit automatisch weg und weil Wasserstoff und dergleichen Anfang der 1990er noch unrealistisch waren, fasste man einen klaren Entschluss: Ein Elektroauto musste her. Das bedeutete: knapp 4,3 Meter Länge, Platz für vier Personen, 102 kW Leistung. Der verbaute Blei-Akku mit 16,5 kWh Fassungsvermögen war natürlich nicht der Oberbringer, aber allemal gut für theoretische 225 Kilometer Reichweite. GM plante, das Auto erst einmal nur zu verleasen. Deswegen startete man einen großen Aufruf – und erntete ein enormes Echo. Diesen als großen Feldversuch angesetzten Teil der Entwicklung absolvierte der EV-1 problemlos. Kaum einer hatte Probleme mit dem Fahrzeug. Immer mehr Leute wollten den Wagen kaufen, aber wie aus heiterem Himmel zog GM alle im Umlauf befindlichen Exemplare ein und ließ sie verschrotten.

Offene Fragen Was genau passierte, da scheiden sich die Geister. Einerseits wird behauptet, dass GM den Wagen nur entwickelte, um dem neuen Gesetz genüge zu tun. Nachdem dieses aber gekippt wurde, gab es keinen Bedarf mehr für ein E-Modell. Und nachdem man mit einem Benziner mehr verdienen konnte, verabschiedete man sich wieder von dem Strom-Thema. Andere behaupten, dass man nicht nur mit den Benzinern mehr verdienen konnte, man konnte zudem mit dem EV-1 gar nichts verdienen, im Gegenteil. General Motors soll pro Stück draufgezahlt haben, schließlich lag allein der Preis einer Batterie bei 20.000 Dollar. Fakt ist hingegen, dass man Millionen und Abermillionen in Werbung und Marketing

Die handverlesene Kundschaft war mit dem EV1 durchaus zufrieden; gM bekam aus unbekannten gründen dann aber doch kalte Füße investierte, um dieses Thema voranzutreiben. Und wiederum behaupten andere, dass GM, je mehr sie sich damit beschäftigten, das ziemlich unerforschte Gebiet der Elektromobilität für den Massenmarkt einfach noch zu heiß war. Die in der zweiten Generation verbauten Nickel-Metallhybrid-Akkus litten aber unter einer gewissen Entzündlichkeit. Tatsächlich gab es einen Zwischenfall bei einem Kunden, wo der EV-1 buchstäblich in Flammen aufging. Und wer die Produkthaftungsgesetze der USA kennt, würde hier als Hersteller vermutlich auch skeptisch werden. Dazu gab es von der Entwicklerseite noch die Aussage, dass man es nicht riskieren konnte, dass ein Kunde in gefährlicher Situation mit leerem Akku liegen bleibt – und von dort nicht mehr schnell wegkommt. Wenn man bedenkt, dass wegen deutlich lächerlicherer Kleinigkeiten Konzerne schon auf Millionen Dollar an Schadenersatz verklagt wurden, ein durchaus verständlicher Einwand. Vielleicht war es eine Mischung aus all dem. Fakt ist im Endeffekt nur, dass bis auf rund 40 Stück alle EV-1 den Weg allen Irdischen gingen. •

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