
2 minute read
Sommernächte in Parma
Zwischen Parma und dem Ligurischen Meer, befindet sich der Apennin. Kaum hat man das wenig befahrene Gebirge überquert, sieht man das kleine Dorf meiner Mutter, getaucht in ein Meer aus Kastanienbäumen. Ein Spaziergang bergauf und schon eröffnet sich der Blick, auf der einen Seite die Po-Ebene, auf der anderen Seite die unwirklichen Spitzen aus weißem Marmor der Apuanischen Alpen und ein glitzernder Streifen – das Meer. Rund herum ein menschenleeres Niemandsland, das die zwei Welten trennt. Dort bin ich am liebsten.
Pietro Aimi, Italien
Advertisement
Fotos: BRPHIL, P. Aimi Italienern liegt das Auswandern irgendwie im Blut, sagt Pietro Aimi. „Man wächst mit diesem Drang seit vielen Generationen auf.“ Und für einen Musiker, der im Orchester spielen will, gibt es in seinen Augen auf der Welt kein attraktiveres Land als Deutschland. Nicht umsonst sei die Orchesterlandschaft Deutschlands immaterielles Kulturerbe der Unesco. Also verließ der Fagottist mit 20 Jahren seine Heimatstadt Parma und ging nach Berlin, dann nach Düsseldorf zum Weiterstudieren und schließlich nach Bad Reichenhall zu den Philharmonikern.
Hier in der Kurstadt haben er und seine Familie eine zweite Heimat gefunden. Diese verbindet mehr mit seiner alten Heimat als Pizza und Pasta, weiß Aimi: „St. Zeno, St. Nikolaus oder die alte Saline, all diese herrlichen Symbole unserer Stadt prägt der italienische, romanische Stil. Wenn Sie nach Parma reisen und den magischen, tausend Jahre alten romanischen Domplatz besuchen, werden Sie ein großes Stück Bad Reichenhall finden.“
Wie Bad Reichenhall hat auch Parma eine reiche Musiktradition. Das erste feste Orchester der Stadt leitete Niccolò Paganini und Größen wie Giuseppe Verdi oder Arturo Toscanini stammen von dort. Der musikalische Reichtum zeigt sich auch in der Volksmusik, berichtet er. Im Sommer auf dem Land, auf Dorfplätzen und gemähten Feldern, finden überall Volksfeste statt, es wird zu leidenschaftlicher und heißblütiger Musik getanzt und Lambrusco getrunken. „Dieser besondere Sommergeruch, die lachende, tanzende Menge und die Orchestrina, die Kapelle mit ihren Helden in PaillettenAnzügen… Das ist das Bild von Parma, das ich in meinem Herzen bewahre.“ In Parma gibt es aber auch die „strengsten und furchterregendsten Opernzuschauer Italiens“, erzählt er. Man findet sie im Teatro Regio di Parma, das wunderschön, aber vor allem für sein Publikum berühmt sei, genauer gesagt für die „Loggionisti“ ganz oben in der Galerie auf den billigen Plätzen. „Kleine Ungenauigkeiten im Gesang, fehlende Leidenschaft in der Interpretation oder kleine Mängel an der Stimme reichen schon, um laute Ausdrücke des Entsetzens in Kettenreaktion auszulösen und den selbstbewusstesten Sänger zu entmutigen“, erklärt der Musiker. Im Ausland nahezu unbekannt sei die Küche aus Parma, so Aimi. In Italien gelte sie als die beste des Landes, und auch wenn er nicht unbescheiden sein wolle, „es könnte durchaus stimmen“. Aus Parma und der Nachbarstadt Reggio Emilia kommt auch der weltberühmte Parmigiano-Reggiano. Er ist allerdings überall bloß als Parmesan bekannt, „was die Reggiani uns Parmigiani nie verzeihen werden“, meint er.
Während es Parmesan und Parmaschinken auch in Deutschland gibt, fällt Aimi etwas „ganz Unwichtiges“ ein, das ihm besonders fehlt: „An warmen Sommerabenden, im Stimmengewirr nach dem Konzert, reicht ein Blick zwischen unserer italienischen Flötistin Linda Zanetti und mir: Die Stille im Hintergrund fühlt sich falsch an – wir vermissen den Gesang der Singzikaden.“