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PAUKEN NACH WIENER ART
PAUKEN
NACH WIENER ART
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„WIENER SCHULE“ IST DAS MOTTO DES 2. PHILHARMONISCHEN KONZERTS. DOCH NICHT NUR DIE VIER KOMPONISTEN DES ABENDS SIND ENG MIT DER WELTHAUPTSTADT DER KLASSIK VERBUNDEN. DIE VIER NEUEN PAUKEN IN UNSEREM ORCHESTER HABEN EBENFALLS EINE WIENER GESCHICHTE, WIE AUCH DER NEUE SOLO-PAUKER.
Fotos: BRPHIL Als Pauker ist man der Chef im Ring“, bringt es Martin Sedlmeier auf den Punkt. Der Solo-Schlagwerker der Bad Reichenhaller Philharmoniker (seit 2012) bildet mit Jani Leban aus Slowenien die erneuerte Paukenabteilung des Orchesters. Die Pauker dürfen sich nun auf vier neue Wiener Handkurbelpauken freuen. Sie stammen aus der Werkstatt des in Oberndorf bei Laufen gebürtigen Anton Mittermayr und knüpfen an die Tradition von Hans Schnellar an, Paukist und Paukenbauer unter Gustav Mahler und Richard Strauss.
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Die Schlaginstrumente waren für Jani Leban (23) die dritte Wahl. Statt Trompete durfte er als Kind Blockflöte lernen. Fürs nächste Wunschinstrument Akkordeon war in der Musikschule kein Platz frei. Sein Cousin, ein Schlagzeuger, inspirierte ihn bei der Umorientierung. Sein Diplom-Studium in Wien bei Professor Josef Gumpinger im Hauptfach Schlaginstrumente schloss Leban im Sommer mit Auszeichnung ab. Er gewann zahlreiche Wettbewerbe und liebt die Orchesterarbeit, besonders, wenn es richtig zur Sache geht, genauso wie das Ensemblespiel. Als Solo-Pauker ersetzt er Alfons Panzl, der Ende 2020 nach mehr als 40 Jahren in Ruhestand ging.
TYPISCHER KLANG DER WIENER PHILHARMONIKER
„Ich war ein typisches Blaskapellenkind“, verrät Martin Sedlmeier (36). Mit Fünf bekam er seine ersten Schlägel. Seine ganze Familie spielte in der Stadtkapelle Bad Reichenhall. Deren Dirigent Thomas Hauber, der am Mozarteum studiert hatte, begeisterte Sedlmeier für klassische Musik und begleitete ihn als Lehrer von seinen Anfängen bis zum Musikstudium in Linz.
Dort lernte er auch die „Wiener Pauken“ kennen und war fasziniert: „Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie bestechend klar anspielbar sind und eine schöne Klangfülle erzeugen, ohne zu dröhnen. Und sie reduzieren das Spiel auf seine Ursprünglichkeit: ein Fell, ein Kessel, eine Kurbel – fertig. Kein Stimmanzeiger, kein Feinstimmer, keine Pedalmechanik.“
Die Weiterentwicklung spezifischer Instrumente, die das Orchester verwendet, ist einer der Faktoren der legendären Erfolgsgeschichte der Wiener Philharmoniker. Neben der Wiener Oboe und dem Wiener Horn war auch die Pauke verantwortlich für den typischen philharmonischen Klang. Der aus Böhmen gebürtige Paukenbauer und Musiker Hans Schnellar, der früher als freiberuflicher Pauker möglicherweise sogar in Bad Reichenhall aufgetreten war, wurde 1894 nach Wien engagiert. Im fruchtbaren Dialog mit Hofoperndirektor Gustav Mahler und Staatsoperndirektor Richard Strauss optimierte er mit Akribie seine Pauken. Mahler war von diesen so fasziniert, dass er bei seinem Amtsantritt in New York 1909 den Ankauf von zwei Paaren SchnellarPauken veranlasste.
„DAS LAUTESTE INSTRUMENT IM ORCHESTER VERLANGT FINGERSPITZENGEFÜHL“
Das Erbe des Paukenbaus wurde bei den Wiener Philharmonikern von Pauker zu Pauker weitergegeben – über Richard Hochrainer und Wolfgang Schuster bis zu Anton Mittermayr. Im Einmannbetrieb wendet dieser in seiner Wiener Werkstatt acht bis zwölf Wochen für jedes der Unikate auf – mit Fellen aus Ziegenpergament, handgehämmertem Kupferkessel und Paukenfüßen aus Messing oder Alu.
Das lauteste Instrument im Orchester verlangt Fingerspitzengefühl – auch, was die Tonhöhe betrifft. Bei Schwankungen, etwa durch die Witterung, muss während des Konzerts nachgestimmt werden, das Ohr dicht auf dem Fell. Deswegen handelte sich Mittermayr nach der Aufführung von Bruckners Siebter zur „Linzer Klangwolke“ die Rüge einer Zuhörerin ein: Sie meinte, der Pauker schlafe.
Zu hoch, zu tief, zu laut, zu leise, zu früh, zu spät, zu hart oder zu weich: Diese acht Fehler kann ein Pauker machen. An ihm hängt die Dramatik, etwa bei der Tripelfuge in Mozarts Jupitersinfonie, bei der Neunten von Beethoven oder bei Mahler – um nur einige Favoriten der drei Pauker zu nennen. Die vier neuen Pauken ergänzen die zwei modernen Pauken-Vierersätze der Bad Reichenhaller Philharmoniker. Das Publikum hat sie erstmals bei den Netzkonzerten und dem Live-Stream im März hören können – leider nur über die Lautsprecher der eigenen Endgeräte. Die Bad Reichenhaller Pauker sehnen sich schon nach der baldigen Rückkehr des Publikums. Sedlmeier: „Die Leute wollen sehen, wie die Musik entsteht.“
Veronika Mergenthal