DROPA Balance 3/22

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«Unangenehme Gespräche ... ... SOLLTE MAN FRÜHZEITIG FÜHREN» Es ist ein schleichender Prozess: Irgendwann sind die Personen, die uns grossgezogen haben, selber auf Fürsorge angewiesen. Wie man damit am besten umgeht, erklärt Willy Keller, Leiter des Alterszentrums Mellingen-Wohlenschwil in Mellingen. INTERVIEW MIT WILLY KELLER

Leiter Alterszentrum Mellingen-Wohlenschwil

Herr Keller, was bedeutet es für die erwachsenen Kinder, wenn die eigenen Eltern plötzlich «alt» werden? Der altersbedingte Verlust von Kraft, Vitalität und Ausdauer trifft uns alle früher oder später und kann für die Familie eine Herausforderung darstellen. Wenn zum Beispiel die Grossmutter, die früher immer so unternehmenslustig und aktiv war, auf einmal keine Nerven mehr für ihre Enkel und Urenkel hat, ist das für alle Beteiligten eine anspruchsvolle Situation. Wie sollte man mit solchen Themen umgehen? Je früher in der Familie über das Alter und die damit verbundenen Entwicklungen gesprochen wird, desto besser. Auch wenn es nicht immer leichtfällt: Diskussionen über wichtige Themen wie Vollmachten und Patientenverfügungen sollte man führen, solange die Eltern noch geistig fit sind und selbst Entscheidungen treffen können. Nur so besteht die Chance, mit ihnen auf Augenhöhe über ihre Sorgen und Bedürfnisse zu sprechen. Tut man dies erst, wenn die Eltern bereits gebrechlich und krank sind, ist es oft schon zu spät. 24

Was, wenn jemand keine Energie mehr hat, um seine betagten Angehörigen zu betreuen? Der wichtigste Appell überhaupt: Lasst euch helfen! Wenn jemand seine betagte Mutter zu Hause betreut und dabei kurz vor dem Zusammenbruch steht, ist niemandem gedient. Es gibt zahlreiche Hilfsangebote – und es ist völlig in Ordnung, diese zu nutzen. Je länger die pflegenden Angehörigen warten, sich Hilfe zu holen, desto mehr entsteht ein Bruch zwischen den beiden. Es lohnt sich deshalb, frühzeitig Unterstützung zu holen und dabei auch den Eintritt in ein Alters- oder Pflegeheim zu prüfen. Warum fällt gerade dieser Schritt vielen so schwer? Für die Betroffenen handelt es sich dabei um den letzten Umzug. Wenn die Angehörigen ihre Eltern ins Altersheim bringen, haben sie oft das Gefühl, sie würden ihre Eltern abschieben. Zudem haben viele Menschen Mühe, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen. Ein Thema, das beim Eintritt in ein Pflegeheim jedoch unweigerlich aufkommt. Als weitere Herausforderung kommt hinzu, dass sich die Angehörigen untereinander häufig nicht einig sind. Für uns als Institution macht das die Sache natürlich nicht einfacher.


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