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Mode | Bruno Heller

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Wintermix

Wintermix

Berner Traditionshaus mit italienischen Wurzeln

CIOLINA mit seinen Topbrands ist das führende Modehaus der Region – mit einer langen Tradition: Am 16. Januar 1833 erteilte die Regierung der Stadt Bern eine Niederlassungsbewilligung an Joseph Ciolina aus Oberitalien, Teilhaber des im Jahr 1804 in Mannheim gegründeten Modewarengeschäfts «Gebrüder Ciolina». Der blühende Handel mit modischen Textilien an der Kramgasse wurde 1884 an die Marktgasse 51 verlegt. 1962 trat Christoph V. Heller in die Firma ein. Als Mitglied der fünften Generation führt Bruno Heller das Haus zusammen mit seiner Frau Julia Heller seit 1991.

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Ein Familienunternehmen trotzt dem Coronasturm

Interview Michèle Freiburghaus, Foto Remo Eisner

Maskenpflicht in den Geschäften, der boomende Onlinehandel, leere Innenstädte: Die Pandemie setzt den Detailhandel enorm unter Druck. CIOLINA-Geschäftsführer Bruno Heller erzählt, wie er sein Unternehmen durch die Krise führt – und was hochwertige Mode mit dem Golfsport zu tun hat.

Bruno Heller, wie hast du als Leiter eines grossen Modehauses den Lockdown erlebt? Als Aktiengesellschaft sind wir gesetzlich verpflichtet, eine jährliche Risikoanalyse durchzuführen. Wir waren also teilweise auf ein solches Szenario vorbereitet und verfügten über finanzielle Rücklagen. Somit konnten wir uns dieser Herausforderung gelassen und zuversichtlich stellen.

CIOLINA hat eine lange Tradition – trotzdem gelingt es euch immer wieder, euch neu zu erfinden und die aktuellsten Trends und Brands anzubieten. Wie schafft ihr das? Ich habe gelernt, meinem eigenen Bauchgefühl zu vertrauen und mit offenen Augen durch die Welt zu gehen. Wer neugierig bleibt, ist auch empfänglich für neue Ideen. Zudem pflege ich aktiv meine Informationsnetzwerke und höre den Menschen zu, die in Sachen Mode und Zeitgeist etwas zu sagen haben.

Auf welche neusten Errungenschaften in Sachen Labels bist du besonders stolz? Da wir zurzeit kaum reisen, gibt es keine ganz neue Errungenschaft. Stolz bin ich, dass es CIOLINA in den letzten zwei Jahren gelungen ist, neben einer treuen und hochgeschätzten Stammkundschaft auch die sogenannten Millennials für sich zu gewinnen.

Normalerweise führen dich und dein Team die Einkaufsreisen rund um den Globus – wie verhält sich das in dieser schwierigen Zeit? Wir mussten lernen, unsere Einkäufe zum Teil digital via Videotelefonie zu erledigen. Ich bin deshalb für meine annähernd 30 Jahre Einkaufserfahrung überaus dankbar. Sie hilft mir, Textilien und Modelle via Bildschirm «fühlen» und beurteilen zu können.

Ihr seid stolz auf eure aufsehenerregenden Schaufenster. Woher stammen die Ideen dazu? Viele Ideen entspringen den Visionen der Modeschöpfer und dem Zeitgeist. Die Pracht der Fenster entsteht aber letztlich durch die Kreativität und Einsatzbereitschaft eines sehr kleinen Dekoteams.

Deine Frau Julia arbeitet ebenfalls im Betrieb. Ja, und das trägt sehr viel zum Erfolg bei. Wir arbeiten gerne und auch wirklich gut zusammen. CIOLINA ist mit mir und Julia ein Familienunternehmen geblieben – seit 1833. Wahrscheinlich das älteste in Bern, dessen Geschäftsführer DNA-technisch noch mit den Gründern verwandt ist. Für viele ist die Modebranche exzentrisch und etwas abgehoben. Wie schaffst du es, so bodenständig zu bleiben, wie du es bist? Die Modebranche des 21. Jahrhunderts hat damit nicht mehr viel zu tun. Sie ist heute offener und auf diversen Standards für alle erlebbar. Es ist wie beim Golfsport: Dieser ist heutzutage auch einem breiten Publikum zugänglich. Mit den meisten Designern und Herstellern pflege ich ein freundschaftlich entspanntes Verhältnis. Es sind Menschen wie du und ich, die sich an den schönen Dingen des Lebens erfreuen – egal, ob es ein prächtiger Garten ist, ein traumhaftes Auto, ein treues Haustier, ein inspirierendes Kunstobjekt oder einfach nur eine Flasche hervorragender Wein.

Bei CIOLINA arbeiten viele langjährige Mitarbeitende. Wie gelingt euch das? Das Team ist der Schlüssel zum Erfolg. Ich lege Wert darauf, dass meine Mitarbeitenden ihre Stärken entfalten können und Anerkennung erleben. Sie sollten abends nach geleisteter Arbeit zufrieden, mit einem guten Gefühl und mit sich im Reinen nach Hause gehen. Dies gelingt nicht immer, aber wahrscheinlich immer öfter. Wir beschäftigen nach wie vor zehn Lehrlinge – eine Herkulesaufgabe mit viel sozialem Engagement. Einige dieser Berufseinsteiger bleiben der Firma lange treu und machen einen hervorragenden Job.

Manche meinen, CIOLINA sei eher ein Modehaus für die Berner Hautevolee, es gibt gewisse Schwellenängste. Was macht ihr, um die Vorurteile abzubauen? Die Schwellenangst ist ein Relikt aus dem letzten Jahrhundert. Neulich fuhr ein vierzehnjähriger Teenager mit seinem Scooter direkt in den Laden rein, stoppte nonchalant vor meinen Füssen und erkundigte sich nach der Herrenabteilung.

Ihr betreibt auch einen Onlineshop. Ist das kein Widerspruch zur persönlichen Beratung, die für ein führendes Modehaus ja besonders wichtig ist? Der winzige Onlineshop ist ein Experimentierfeld. Zukünftig wird sich kein Laden der Onlinepräsenz entziehen können. Let’s wait and see!

Stichwort «Personal Shopping»: Wer nimmt diese Dienstleistung in Anspruch? Es sind vor allem Kundinnen und Kunden, die beruflich nicht viel Zeit für Modeshopping haben, ihres Amtes wegen aber immer tadellos gekleidet sein müssen.

Wie stehst du zu den sozialen Medien? Grundsätzlich bin ich offen, stehe diesen Plattformen aber auch kritisch gegenüber.

Ein Wunsch für die Zukunft? Persönlich wünsche ich mir und meinen Lieben Gesundheit und Glück. Geschäftlich erhoffe ich mir, dass die Stadt Bern sich mit Zuversicht und Stolz treu bleibt und die zahlreichen Herausforderungen mit viel Geschick und einer weltoffenen Politik meistert.

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