Oper Bluthaus, Thomas und Koma – drei sehr extreme Opern? Die drei Thematiken der Opern empfinde ich als höchst aktuell und notwendig, vielleicht wirken sie dadurch extrem.
DAS IST ABSOLUT ERFORDERLICH! Die Themen der Opern Bluthaus, Thomas und Koma, komponiert von Georg Friedrich Haas zwischen 2011 und 2016, sind so aktuell, so zwingend notwendig für uns, dass es ein Geschenk ist, dem Komponisten selbst zuzuhören. Ein Gespräch mit einem Menschen, der uns mit diesen drei Opern wachrüttelt, erschüttert und tröstet.
Es wird ja viel gestorben auf der Bühne, aber selten so nah an unserer eigenen Lebensrealität wie es bei diesen drei Werken von Ihnen der Fall ist… Es wird sicherlich viel auf der Bühne gestorben. So weit so richtig. Aber: dabei wird der Tod zeitgleich häufig marginalisiert, mindestens idealisiert. Ich denke da an Werke wie Don Giovanni von Wolfgang Amadeus Mozart oder Tristan und Isolde von Richard Wagner. Normalerweise sterben Menschen auf der Opernbühne in einem Duell oder an Liebeskummer. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich unter diesen Umständen sterbe, ist relativ gering. Hingegen ist es doch viel wahrscheinlicher, dass ich in ein Koma verfalle oder, dass ich nach einer Erkrankung meine letzten Atemzüge in einem Krankenhaus machen werde. So würden Sie die Handlung von Thomas und Koma beschreiben? Zunächst einmal geht es bei Thomas um Liebe. Genauer, Liebe im Angesicht einer Grenzsituation, dass ein geliebter Mensch nicht mehr ist. Matthias stirbt am Anfang in dieser Oper. Und Thomas hält Wache am Totenbett und existiert in dieser Grenzsituation über das ganze Stück hinweg. Was sind Ihre persönlichen Erfahrungen mit dem Sterben? Komponisten wie Schubert, Mozart, Beethoven haben viele Menschen sterben sehen. Ich gestehe, dass das einzige mir nahestehende Lebewesen, das ich habe sterben sehen, mein Hund war. Ich werde den Moment nicht vergessen, als er aufgehört hat zu atmen. Da gab es nur eine minimale Änderung der Bewegung des Brustkorbes. Dann war Stillstand.
Georg Friedrich Haas wurde 1953 geboren und wuchs in einem Bergdorf in Voralberg auf. Heute lebt und arbeitet er in New York. In seinen Werken Bluthaus, Thomas und Koma wendete er sich, gemeinsam mit dem Librettisten Händl Klaus, Extrempunkten des Lebens zu: lebenslange Beeinflussung durch Missbrauch im Kindesalter und das Sterben als zentraler Bestandteil des Lebens.
Warum verdrängen wir heutzutage den Tod kollektiv? Der Tod ist ein Tabu. So, wie wir heute mit dem Tod umgehen, das ist geschichtlich ja relativ neu. Tod war lange ein ganz selbstverständlicher Teil des Lebens, er war in der Mitte von Gesellschaften und es wurde viel darüber gesprochen, es wurde viel Kunst darüber gemacht. Ich versuche, den Tod nicht zu tabuisieren. Die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und dem Librettisten Händl Klaus hat zu einer Symbiose zwischen Text und
6 Engelsloge
FOTO: RICORDI / HARALD HOFFMANN
Damit beginnt Thomas… Ja, und die einzige Möglichkeit, diese Änderung in Musik zu übersetzen war, dass der Atem schon immer da ist, bereits bevor die Musik beginnt. Das Publikum tritt in den Aufführungsraum ein und das Einzige, das auf der Bühne geschieht, ist, dass Mathias atmet. Für mich ist Komponieren immer eine persönlich existentielle Ausdrucksform. Ich weiß, dass mir der Tod bevorsteht. Das trifft mich existenziell.