Globaler Wachstumsausblick 06/2021

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Juni 2021 Juni 2021 GLOBALER WACHSTUMSAUSBLICK

Die amerikanische Lokomotive der Weltwirtschaft Aufschwung im Norden, Risiken im Süden

Die Vereinigten Staaten unter Biden sind derzeit die Lokomotive der Weltwirtschaft. Die USA sorgen mit kräftigen Haushaltsimpulsen für hohes Wachstum. Europa schließt nun auf. Die Pandemie bleibt ein großes Risiko im Süden.

China hat sich bereits 2020 erholt und die weltweite Nachfrage stabilisiert. Das chinesische BIP wird im kommenden Jahr 17 Prozent über der Wirtschaftskraft im Vor-Corona-Jahr 2019 liegen, die USA erreichen sechs, die EU nur ein Prozent.

Zur Überwindung der Pandemie muss die globale Impfkampagne mit einer Finanzierung von insgesamt 50 Milliarden Euro ausgestattet werden. Sonst drohen Mutationsrisiken weltweit.

Die deutsche Wirtschaft dürfte dieses Jahr mit 3,5 Prozent wachsen. Eine leb-

Diehafte amerikanische Lokomotive der Investitionstätigkeit, ein kräftiger Außenhandel undWeltwirtschaft nachholende private Konsumausgabenim tragen dazu bei. Risiken Die Erholung von der Industrie angeführt. Aufschwung Norden, imwirdSüden ▪

Inflationsrisiken kehren global zurück, sollten aber unter Kontrolle bleiben. In den USA ist ein höheres Inflationsniveau zu erwarten. Im Euroraum tragen Sonderfaktoren zu einem Anstieg der Inflationsrate dieses Jahr bei.

Während die USA finanzpolitisch zu expansiv agieren, liegt Europa fiskalisch auf Kurs. Stützungsmaßnahmen und Konjunkturimpulse bleiben noch nötig. In der EU fehlt es an einer Strategie zur Finanzierung der Klimaziele, zur Stärkung der digitalen Wettbewerbsfähigkeit und der Souveränität.

Europas wirtschaftliche Erholung wird durch die Aufbauprogramme erheblich gestützt. Die Kombination aus Reformen und Investitionen funktioniert.


Die amerikanische Lokomotive der Weltwirtschaft | Aufschwung im Norden, Risiken im Süden 23/06/2021

Inhaltsverzeichnis Starke Erholung in den Industrieländern, bleibende Probleme im Süden .................................... 3 Regionaler Ausblick: Erholung, mit unterschiedlichem Tempo .................................................. 12 Die Finanzpolitik stützt die Erholung weiterhin, aber in geringerem Umfang ............................ 14 Die Notenbanken flankieren die Erholung ...................................................................................... 16 Inflation im Euroraum mit ähnlichem Verlauf, aber niedriger ...................................................... 19 Finanzmärkte durchlaufen turbulente Anpassung ........................................................................ 20 Welt- Industrieproduktion erstmals seit zehn Jahren gesunken ................................................. 21 Welthandel ......................................................................................................................................... 22 Ausländische Direktinvestitionen ................................................................................................... 22 USA ..................................................................................................................................................... 23 China: Starker Start ins Jahr 2021 ................................................................................................... 26 Euroraum und EU .............................................................................................................................. 29 Vereinigtes Königreich ..................................................................................................................... 32 Japan .................................................................................................................................................. 32 Deutschland ....................................................................................................................................... 33 Quellenverzeichnis ............................................................................................................................ 35

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Die amerikanische Lokomotive der Weltwirtschaft | Aufschwung im Norden, Risiken im Süden 23/06/2021

Starke Erholung in den Industrieländern, bleibende Probleme im Süden In den letzten 15 Monaten haben das Infektionsgeschehen und die damit verbundenen Beeinträchtigungen der wirtschaftlichen Aktivität und des gesellschaftlichen Lebens die Entwicklung von Wachstum und Beschäftigung weltweit beherrscht. Mit dem Ende des zweiten Quartals dieses Jahres dürfte nun eine neue Phase der ungleichzeitigen Erholung nach der Pandemie beginnen, in der Nordamerika, Kontinentaleuropa und Japan zu Chinas bereits erfolgter Erholung aufschließen werden. Diese sehr kräftigen Trends im Norden werden jedoch nur einen Teil des Südens mitziehen können. In vielen Entwicklungs- und Schwellenländern wird es im besten Fall noch ein bis zwei Jahre dauern, bis die Bevölkerung durch Impfung Herdenimmunität erreicht und die Pandemie unter Kontrolle gebracht werden kann. In den nächsten zwei Jahren ist im Süden noch mit deutlichen wirtschaftlichen Verwerfungen zu rechnen. Die daraus entstehenden Risiken für das Wachstum, die soziale Situation und die Finanzstabilität dieser Länder müssen rechtzeitig multilateral angegangen werden, um größeren Schaden für die Länder und die Weltwirtschaft insgesamt zu vermeiden. Zudem schaffen die Vereinigten Staaten durch ein sehr expansives finanzpolitisches Vorgehen ein Risiko. Auf einen äußerst kräftigen Aufschwung 2021 könnte eine Phase von unerwartet starker Inflation 2022 folgen, die die weltweiten Finanzmärkte irritieren und die Notenbank zum Gegensteuern zwingen könnte, mit möglichen Rezessionsrisiken für die USA und die Welt. Eine größere Finanz- und Schuldenkrise im Süden und eine Rezession 2022/23 in den USA stellen zwar nicht das Hauptszenario dar, aber sie sind als Risiken ernst zu nehmen. Die Pandemie kommt allmählich unter Kontrolle Noch beherrscht die Pandemie das Konjunkturbild. Dies wird sich auch in diesem Jahr noch fortsetzen. Die Entwicklung des Infektionsgeschehens und die Fähigkeit der Regierungen, mit einer Strategie von Testung, Nachverfolgung und Isolation von Infizierten statt mit starken Beschränkungen von öffentlichem Leben und wirtschaftlicher Tätigkeit Erfolg in der Eindämmung zu haben, bleibt auch dieses Jahr der entscheidende Faktor im Konjunkturverlauf. In diesem Frühjahr noch dürften das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten große Schritte hin zur Normalisierung des Wirtschaftslebens gehen können und die Voraussetzung für eine kräftige Erholung schaffen. Auch Kanada und Mexiko haben Erfolge in der Eindämmung erzielen können. Die meisten Staaten Kontinentaleuropas sollten im Laufe des Sommers in die Nähe der Herdenimmunität kommen, sodass die öffentlichen Beschränkungen ab der Mitte des zweiten Quartals schrittweise zurückgenommen werden dürften und die freiwillige Kaufzurückhaltung der privaten Haushalte bis zum Jahresende der Normalität weichen sollte. Kontinentaleuropa wird daher in der wirtschaftlichen Erholung ein Viertel- bis ein Halbjahr hinter den Vereinigten Staaten und mehr als ein Jahr hinter China hinterherhinken. In Japan hat sich das Infektionsgeschehen zwar seit März verstärkt, das absolute Niveau ist jedoch noch immer niedrig, so dass die wirtschaftlichen Beeinträchtigungen begrenzt bleiben sollten; die Beschränkungen in Tokio zur Sicherheit der Sommerolympiade dämpfen jedoch die Aktivität. Für den Löwenanteil der Schwellen- und Entwicklungsländer ist jedoch damit zu rechnen, dass die Immunität durch Impfung erst 2022 oder 2023 erreicht werden kann, trotz verstärkter Bemühungen Impfstoffe breit verfügbar zu machen. Insofern muss nun auch verstärkt das Augenmerk auf die Frage gelenkt werden, wie diesen Länder rasch geholfen werden kann; der IWF hat hierzu jüngst Vorschläge unterbreitet, wie mindestens 40 Prozent der Bevölkerung in allen Staaten bis Jahresende und 60 Prozent bis Ende Juni 2022 geimpft werden könnten und die Pandemie beendet werden kann; die Gesamtkosten lägen bei nur 50 Milliarden US-Dollar (IWF 2021c).

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Anzahl bestätigter Fälle (täglich) WHO Regionen Amerikanischer Raum Afrikanischer Raum

750.000

östl. Mittelmeerregion Europa Südostasien

Amerikanischer Raum

500.000

Westpazifik

Südostasien

250.000

Europa Afrikanischer Raum Westpazifik

östl. Mittelmeerregion 0

Jan 20

Jul 20

Jan 21

Jul 21

Quelle: WHO

Stringenz der gesundheitspolitischen Maßnahmen, Juni 2021

Quelle: Hale, Thomas, Sam Webster, Anna Petherick, Toby Phillips, and Beatriz Kira (2020). Oxford COVID-19 Government Response Tracker, Blavatnik School of Government.

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Stringenzwerte der Gesundheitspolitik in ausgewählten Ländern

120

100 90

100

80 70

80

60 50

60

40 40

30 20

20

10 0

0

China Japan Russland

Deutschland Italien V. Königreich

USA Brasilien Indien

Frankreich Spanien Datenreihen6

Quelle: Hale, Thomas, Sam Webster, Anna Petherick, Toby Phillips, and Beatriz Kira (2020). Oxford COVID-19 Government Response Tracker, Blavatnik School of Government.

Personen mit Erstimpfung in Prozent (Anteil an Bevölkerung) 60

V. Königreich USA Italien Deutschland Spanien Frankreich EU

50

40

30 Brasilien 20 Indien Russland

10

0 Jan 20

Jul 20

Jan 21

Jul 21

Quelle: WHO

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Weltwirtschaft brach heftig ein Der tiefe wirtschaftliche Einbruch im Jahr 2020 verlief am Ende etwas glimpflicher ab, als es lange erwartet worden war. Die Weltwirtschaft schrumpfte mit 3,4 Prozent jedoch in historisch einmaliger Größenordnung. Bei einer weltwirtschaftlichen Leistung von knapp 88 Billionen US-Dollar ging somit die wirtschaftliche Leistung eines Landes wie Frankreich verloren. Für eine endgültige Bestandsaufnahme der wirtschaftlichen Schäden der Pandemie ist es definitiv noch zu früh, aber bereits jetzt muss man festhalten, dass in den Entwicklungsländern – ohne China gerechnet – kumuliert 20 Prozent des Pro-Kopf-Einkommens verloren gingen, in den Industrieländern immerhin noch elf Prozent. Fünf Prozent der Arbeitsplätze in Entwicklungsländern gingen verloren, in den Industrieländern außerhalb der EU ebenfalls so viele. In der EU musste man einen Rückgang um 2½ Prozent verzeichnen. In den unterschiedlichen Ländern wurden in der Regel die in kontaktnahen und hart getroffenen Dienstleistungsbranchen tätigen, oft gering qualifizierten Arbeitnehmer, aber auch Jugendliche und Frauen überproportional wirtschaftlich getroffen. Während die Industrieländer mit massiven Stützungsmaßnahmen gegenhielten und einen gut doppelt so hohen Einbruch der Wirtschaftsleistung dadurch vermeiden konnten, fehlte es in den Entwicklungsländern an den nötigen Mitteln. Die internationalen Organisationen schätzen die dauerhaften Effekte der jetzigen Pandemie-bedingten Rezession zwar nur als gut halb so groß ein wie die nach der Globalen Finanzkrise, aber Produktivitätseinbußen, vor allem in den Krisenbranchen, werden gleichwohl nachwirken. Die permanenten Schäden für die Bildung, die Investitionstätigkeit und die Forschung sind ebenfalls in vielen Ländern gravierend. Der IWF schätzt, dass die permanenten Schäden gut drei Prozent der Wirtschaftsleistung umfassen dürften (in der Globalen Finanzkrisen waren es rund zehn Prozent), für Schwellenländer dürfte es sich auf vier Prozent belaufen, für Entwicklungsländer auf sechs Prozent. Die Überwindung der Krise beginnt In diesem Jahr ist nach den anfänglichen Schwächen in Amerika und Europa mit einer kräftigen Erholung des weltwirtschaftlichen Wachstums in der Größenordnung von 5¾ Prozent zu rechnen. Die Industrieländer dürften mit ca. vier Prozent zulegen, Entwicklungs- und Schwellenländer mit über sechs Prozent. Im ersten Quartal zog die weltweite Wirtschaftsaktivität zwar nur um einen halben Prozentpunkt an, aber nun sollte eine kräftige Erholung einsetzen. Daran sollte auch der schwache Start mit sinkendem wirtschaftlichem Wachstum im ersten Quartal in einzelnen Ländern wie Deutschland, Japan oder Spanien nichts mehr ändern. Im Sommer wird das Vorkrisenniveau der globalen Wirtschaftsleistung wieder erreicht werden. In den einzelnen großen Volkswirtschaften wird der Verlauf jedoch sehr unterschiedlich sein.

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Indexentwicklung des realen BIP 117

117

102 China

111

100

Indien

101

Deutschland

111 99

111

100 Japan

USA 95

106

102 100

98 104

95

102

95

103

100

101

96

V. Königreich

98

102 99

Brasilien 96 Russland 92

90

Euroraum 93 2019

2020

2021

2022

2019

2020

2021

2022

2019

2020

2021

2022

Quellen: IWF; eigene Berechnungen für Euroraum nach Eurostat auf Basis der IWF-Prognose (IWF 2021a)

Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts 2021 gegenüber Vorjahr (in Prozent)

Weltwirtschaft

+ 5¾

Eurogebiet

+ 4¼

Welthandel

+ 8½

EU

+ 4¼

USA

+ 6½

Deutschland

+ 3½

VR China

+8

Japan

+ 2¾

Quelle: BDI

Investitionen stärker als erwartet, aber Struktureffekte noch offen Positiv entwickelte sich die weltweite Investitionstätigkeit, die z.B. in den G7-Ländern im vierten Quartal wieder auf Vorkrisenniveau zurückgekehrt war. Die Ausrüstungsinvestitionen profitieren von pandemiebedingten Umstellungen, der Digitalisierung und vom wieder anziehenden Welthandel. In einigen Ländern haben sich auch die Bauinvestitionen belebt, da einige der Zusatzersparnisse der privaten Haushalte insbesondere für Wohnungskäufe und Bauten verwendet werden. Auch scheinen die Forschungsausgaben der Unternehmen nicht stark gekürzt worden zu sein. Die rasche Erholung der Investitionen kam etwas überraschend. Die Pandemie hat für viele Branchen in den OECD-Ländern zu einem Einbruch in den Gewinnen, einer Erhöhung der Verschuldungsgrade und einer schlechteren Zinsdeckungsquote geführt (OECD 2021). Die Firmen erzielten aber im Schnitt eine günstigere Finanzierung, dank geldpolitscher und bankaufsichtsrechtlicher Maßnahmen, und

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bauten Liquiditätspolster auf. In der Energiebranche und in den hart getroffenen Branchen (kontaktintensive Dienstleistungen, Tourismus und Gastronomie usw.) gingen für die Unternehmen im Mittel (Medianwert) die Erträge um 30 Prozent und die Gewinne vor Steuern und anderen Belastungen (EBITDA) um die Hälfte zurück. Starke Einbrüche gab es auch in den Automobil- und Verkehrsbranchen. Besonders getroffen waren typischerweise KMUs. Unternehmen in den Branchen Gesundheit und Digitales erfuhren dagegen gegenläufige Trends; hier stiegen die Umsätze und Gewinne moderat an. Noch ist offen, wie rasch und gut die Erholung in den Problembranchen gelingen kann oder ob noch eine spürbare Zahl an Insolvenzen in diesen Feldern zustande kommen wird. Bisher ist das Insolvenzgeschehen atypisch schwach geblieben, da die Rettungsmaßnahmen bisher gegriffen haben. Typischerweise belasten die Gewinneinbrüche und ansteigende Leverageraten die unternehmerischen Investitionen über einen mehrjährigen Zeitraum. Insofern kann noch keine Entwarnung gegeben werden. Konsumausgaben laufen noch seitwärts Die Konsumausgaben haben sich zwar nach dem harten Einbruch im Frühjahr letzten Jahres wieder erholt, lassen aber am aktuellen Rand noch an Dynamik vermissen. So verwundert es auch nicht, dass die globalen Einzelhandelsumsätze im Winter und im Frühjahr zunächst seitwärts tendierten, aber immerhin seit Spätherbst wieder auf Vorkrisenniveau liegen. In den meisten OECD-Ländern blieben bis in den Mai hinein die Konsummöglichkeiten in vielen Branchen eingeschränkt, da Distanzregeln, behördliche Schließungen, Vorsichtsverhalten der Verbraucher und andere Faktoren die Ausgaben beeinträchtigten. Die Stimmungsindikatoren bessern sich zwar, die Lockerungen greifen um sich, aber die Verhaltensanpassungen werden wohl nur allmählich erfolgen. Eine besondere Unsicherheit für die Prognose resultiert aus den zusätzlichen Ersparnissen der privaten Haushalte, mithin an zurückgestauter Kaufkraft (USA: sieben Prozent des BIP, Japan und das Vereinigte Königreich: sechs Prozent, Euroraum: vier Prozent, Deutschland: vier Prozent). Bei der Öffnung der Wirtschaft geht man allgemein von einer raschen Normalisierung des Konsumverhaltens aus. Ob es zu Zusatzkäufen von Gütern und Dienstleistungen aus den Zusatzersparnissen der letzten anderthalb Jahre über dieses Niveau hinaus kommen wird, macht einen großen Unterschied aus, ist aber mangels historischer Erfahrung kaum zu prognostizieren; im Folgenden ist immer unterstellt, dass dies nur sehr allmählich stattfindet und einmalige Zusatzersparnis als der dominante Teil vorerst bestehen bleibt, zumal eher wohlhabende Haushalte mit hoher zurückgestauter Kaufkraft ihre Reisen und Konzertbesuche nicht nachholen oder überkompensieren werden. OECD (2021) und Europäische Kommission (2021) sind in detaillierten Untersuchungen zu dem Ergebnis gekommen, dass die zusätzlichen Mittel v.a. von wohlhabenden Haushalten eher für den Kauf von Vermögenswerten als für nachholenden Konsum eingesetzt werden, während die zusätzlichen Ersparnisse von Haushalten mit niedrigen oder mittleren Einkommen eher für nachholende Käufe eingesetzt werden könnten, dies wird aber nicht so stark ins Gewicht fallen.

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Prognoseübersicht: Wachstum der realen Wirtschaftsleistung 2021/22 in Prozent 2021

2022

EUKOM3

IWF1

5,84

5,6

4,4

4,44

4,3

6,4

6,9

6,3

3,5

3,6

3,8

China

8,4

8,5

7,9

5,6

5,8

5,4

Japan

3,3

2,6

3,1

2,5

2,0

2,5

IWF1

OECD2

Welt

6,0

USA

EU

OECD2

4,2

EUKOM3

4,4

Euroraum

4,4

4,3

4,3

3,8

4,4

4,4

Deutschland

3,6

3,3

3,4

3,4

4,4

4,1

Frankreich

5,8

5,8

5,2

4,2

4,0

4,2

Italien

4,2

4,5

4,2

3,6

4,4

4,4

Spanien

6,4

5,9

5,9

4,7

6,3

6,8

V. Königreich

5,3

7,2

5,0

5,1

5,5

5,3

12,55

9,9*

10,5

6,95

8,2*

6,5

Brasilien

3,7

3,7

3,4

2,6

2,5

1,8

Russland

3,8

3,5

2,7

3,8

2,8

2,3

Indien

1: IWF (2021). Stand April. 2: OECD (2021). Stand Mai. Prognose für Indien für Fiskaljahr, beginnend im April. 3: Europäische Kommission (2021). Stand Mai. 4: Prognose auf Grundlage von 70 Prozent des Welt-BIP (in Kaufkraftparitäten von 2013) 5: Angaben zu Indien für das Fiskaljahr und in laufenden Preisen

Erholung wird von der Industrie angeführt, Dienstleistungen teilweise noch leidend Insbesondere das Verarbeitende Gewerbe und die Industrie hatten sich schon im Vorjahr rasch erholt und setzen dies dieses Jahr fort. Der Löwenanteil der Dienstleistungsbranchen hat ebenfalls zu normalen Niveaus aufgeschlossen, allerdings sind noch immer die Branchen mit behördlichen Schließungen der Geschäfte, Kontaktbeschränkungen und temporären Nachfrageeinbrüchen für die schwache Gesamtentwicklung verantwortlich. Dieses Muster sollte sich in vielen Branchen in den Industrieländern bis zum Jahresende normalisieren, während es in Entwicklungs- und Schwellenländern noch ein bis zwei Jahre andauern kann. Insbesondere der Tourismus, der Reiseverkehr, das Hotel- und Gaststättengewerbe und die Kultur- und Kreativwirtschaft waren weltweit am stärksten betroffen. Länder mit hohem Anteil dieser Branchen an der Wirtschaftsleistung sind daher besonders stark beeinträchtigt worden.

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Die Wirtschaftsaktivität in den großen Räumen zieht an Die Einkaufsmanagerindizes in der Welt und den großen vier Wirtschaftsmächten signalisieren seit einigen Monaten eine starke wirtschaftliche Aktivität in der Industrie, zu der die Dienstleistungen erst allmählich aufschließen.

Wirtschaftsklimaindikatoren*, OECD

103 101 99 97 95 93 91 Jan 20 Jan Feb Mrz Apr Mai Jun JunJul 20 20 Aug Sep Okt Nov 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 Geschäftsvertrauen (Industrie) Konsumentenvertrauen

Dez 20

Jan Mrz Apr Mai Jun Jun21 Jan Feb 21 21 21 21 21 21 21 Leading Indicator (Gesamtindikator)

*saisonbereinigt (Index=100) Quelle: Macrobond

Einkaufsmanagerindex* Welt 60

50

40

30

20 PMI Verarbeitendes Gewerbe

PMI Dienstleistung

PMI gesamt

*PMI Quelle: Market Quelle: Macrobond

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Einkaufsmanagerindizes* 75

Deutschland

70

65

60

55

50

45

40

35

30

25

20

15 Jan 20

Jun 20

Jan 21

Jun 21

10 Jan 20

Euroraum

Jun 20

Jan 21

Jun 21

PMI Verarbeitendes Gewerbe

PMI Verarbeitendes Gewerbe

PMI Diensteistung

PMI Diensteistung

PMI gesamt

PMI gesamt

USA

75

USA

China

60 55

65 50 55

45 40

45

35 35 30 25 Jan 20

Jun 20

Jan 21

Jun 21

25 Jan 20

Jun 20

Jan 21

PMI Verarbeitendes Gewerbe

PMI Verarbeitendes Gewerbe

PMI Diensteistung

PMI Diensteistung

PMI gesamt

PMI gesamt

Jun 21

*PMI Quelle: Market Quelle: Macrobond

Die amerikanische Lokomotive Der stärkste Treiber werden die USA darstellen. Das reale Wachstum dürfte sich dank des Konjunkturpakets der Regierung in Höhe von 1,9 Billionen US-Dollar (nach einem Paket in Höhe von 900 Milliarden US-Dollar im Dezember 2020) auf 6½ Prozent steigern (Vorjahr: minus 3,5 Prozent). Das rasche Impftempo und die absehbare Lockerung der Beschränkungen dürften den Konsum- und

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Investitionsausgaben im zweiten Halbjahr einen sehr starken Schub geben; ob die Pandemie tatsächlich unter Kontrolle gebracht werden kann, muss sich jedoch erst noch zeigen. Immerhin stieg die Zahl der Amerikaner, die mindestens eine Impfung erhalten haben, Anfang Juni auf über 50 Prozent der Bevölkerung an. Die Neuinfektionen sinken ebenfalls kontinuierlich weiter. Zudem haben knapp zehn Prozent der Bürger bereits eine Infektion durchlitten. Chinas Konjunktur bereits wieder auf Kurs China dürfte mit gut acht Prozent zulegen, wobei hier ein deutlicher statistischer Überhang nach dem schwachen Wachstum in Höhe von 2¼ Prozent im letzten Jahr zum Tragen kommt. Die wirtschaftliche Dynamik hat sich im ersten Quartal des Jahres bereits deutlich reduziert. 2022 dürfte das Tempo dann wieder auf das Normalmaß von 5½ - 6 Prozent für das Wachstum der realen Wirtschaftsleistung zurückfallen. Die KP hat sich mit mindestens sechs Prozent für dieses Jahr ein überaus kommodes Ziel gesetzt (das ergäbe sich schon bei weitgehender Stagnation der Wirtschaftsaktivität von Januar an). Chinas Wirtschaft ist bereits im Herbst 2020 auf Vorkrisenniveau zurückgekehrt und dürfte dieses Jahr auch ohne große Stimuli sogar auf eine höheres Wachstumsniveau kommen, als dies vor der Krise zu erwarten gewesen wäre. Breite Erholung im Euroraum wahrscheinlich Der Euroraum dürfte dagegen nach dem harten Einbruch von 6,8 Prozent im Vorjahr mit mindestens 4¼ Prozent gegenüber Vorjahr zulegen, da die Beschränkungen ab Mitte Mai in vielen Ländern deutlich gelockert werden. Nach minus 0,7 Prozent im vierten Quartal 2020 und minus 0,3 Prozent im ersten Quartal, jeweils gegenüber Vorquartal, durchlief der Euroraum eine technische Rezession (zwei Quartale mit Rückgang). Im nächsten Jahr könnte das Wachstum sogar noch etwas anziehen. Die Werte für die EU liegen auf gleichem Niveau. Die EZB rechnet sogar mit einer etwas stärkeren Erholung und einem Wachstum der realen Wirtschaftsleistung von 4,6 Prozent in diesem Jahr.

Regionaler Ausblick: Erholung, mit unterschiedlichem Tempo In den Entwicklungs- und Schwellenländern haben sich sehr unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklungen abgezeichnet (IWF 2021a). Hart getroffen hat es letztes Jahr vor allem die ärmsten Länder und den lateinamerikanischen Kontinent, während die meisten Länder Asiens, Afrikas, des Nahen Ostens und Zentralasiens mit moderaten Einbußen zurechtkommen mussten. In den am wenigsten entwickelten Ländern waren die Möglichkeiten zur wirtschaftspolitischen Antwort auf die Pandemie nur sehr begrenzt vorhanden. In einigen Schwellenländern kam es immerhin zu einigen dämpfenden Maßnahmen. In der Asien-Pazifik-Region dürfte dieses Jahr in den meisten Ländern mit einem guten Wachstum zu rechnen sein. Die fünf ASEAN-Ländern dürften mit knapp fünf Prozent zulegen und den Einbruch vom letzten Jahr mehr als wettmachen. Australien sollte mit 4½ Prozent zulegen, Korea mit gut 3½ Prozent, Taiwan mit 4¾ Prozent und Singapur mit etwas über fünf Prozent. Indiens Wirtschaft startete unerwartet stark ins Jahr mit einer Wachstumsrate von 1,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die reale Wertschöpfung wuchs um fast vier Prozent, die Investitionen legten um zehn Prozent zu und der private Verbrauch kam wieder ins Positive. Indiens zweite Infektionswelle, die im Februar begann und Anfang Mai mit täglich ca. 390.000 Neuinfektionen ihren Höhepunkt erreichte, konnte seither mit vielen Lockdown-Maßnahmen jedoch wieder eingedämmt werden, sodass die Neuinfektionen auf unter 150.000 sanken. Man rechnet mit weniger als 30.000 Infektionen Ende Juli. Sollten dies eintreten,

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dann dürfte die indische Wirtschaft mit gut zehn Prozent dieses Jahr wachsen können. Die Investitionstätigkeit könnte sogar mit über 15 Prozent zulegen und den Einbruch von 14 Prozent aus dem Vorjahr wettmachen. Die privaten Konsumausgaben dürften ebenfalls fast wieder aufschließen. Die langsame Impfkampagne (bisher sind zwölf Prozent der Inder mindestens einmal geimpft) und die schwierige Lage im Gesundheitswesen stellen jedoch Risiken da. Auf der anderen Seite des Pazifiks in Nordamerika wird Kanada ebenfalls mit fünf Prozent zulegen und den Einbruch in gleicher Größenordnung aufholen können. Mexiko wird sich bei gleichem Zuwachs noch nicht voll erholen können, zu tief war der Absturz letztes Jahr (minus 8,2 Prozent). Regionaler Konjunkturausblick*

2021

2022

Europa, Fortgeschrittenen Volkswirtschaften und Entwicklungsländer

4,3

3,8

Naher Osten, Nordafrika, Pakistan

3,7

3,8

Israel

5,0

4,3

Sub-Sahara Afrika

3,4

4,0

Südamerika

4,4

2,8

Zentralamerika

5,6

4,1

Karibik

3,3

11,1

Asien-Pazifik, Fortgeschrittenen Volkswirtschaften1

4,1

3,0

Asien-Pazifik, Entwicklungsländer2

8,7

6,0

1 Japan, Südkorea, Taiwan, Singapur, Hongkong, Australien, Neuseeland, Macau 2 inklusive China und Indien * Wachstum des realen BIP ggü. Vorjahr in Prozent Quelle: IWF (April 2021)

Die große Region des Nahen Ostens und Zentralasiens wird mit 3¾ Prozent die Einbußen von knapp drei Prozent wieder aufholen können. Russland wird mit knapp vier Prozent zulegen. Süd- und Zentralamerika sowie die Karibik kehren zwar zum Wachstum zurück, werden aber die Einbrüche des Vorjahres nicht aufholen können. Nach dem Rückgang um sieben Prozent im letzten Jahr steht nun ein Wachstum von gut 4½ Prozent an. Brasilien dürfte mit 3¾ Prozent (minus 4,1 Prozent) Wachstum zulegen können. Vor allem die Investitionen ziehen kräftig an, doch auch die Konsumausgaben erholen sich. Hohe Haushaltsdefizite und ein Schuldenstand von mehr als 90 Prozent des BIP begrenzen den Spielraum, zumal eine hohe Arbeitslosigkeit von 14 Prozent und der hohe Anteil an armen Haushalten (20 Prozent) hohe Sozialausgaben erfordert. Das Parlament hat jedoch die Zahlungen bereits gekürzt, weshalb ein erneuter Anstieg der Armutsquote wahrscheinlich ist. Das Hauptproblem ist nach wie vor die Eindämmung der Pandemie. Die Neuinfektionen liegen zwischen 50.000 und 80.000 seit Jahresanfang, die Zahl der Infizierten liegt bei etwa 17 Millionen (acht Prozent der Bevölkerung) und die Impfquote ist nun auf leicht über 20 Prozent angestiegen. Es wird noch Monate dauern, bis die Strategie Erfolg versprechen kann. Argentinien dürfte nach scharfem Einbruch (minus zehn Prozent)

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mit knapp sechs Prozent wachsen. Venezuela wird wohl nach einer tiefen Rezession von 30 Prozent dieses Jahr um weitere zehn Prozent einbrechen. Der IWF betont, dass die Länder in der Region bis auf wenige Ausnahmen (Chile, Costa Rica) noch nicht ausreichend Impfstoff erwerben konnten und daher noch mit dem Risiko von Infektionswellen und Beschränkungen leben müssen. Afrika südlich der Sahara wird mit knapp 3½ Prozent die Einbrüche des Vorjahres mehr als wettmachen können. Südafrika wird jedoch nach dem harten Einbruch (minus sieben Prozent) dieses Jahr nur mit gut drei Prozent wachsen, Nigeria wenigstens mit 2½ Prozent (minus 1,8 Prozent 2020).

Die Finanzpolitik stützt die Erholung weiterhin, aber in geringerem Umfang Die Regierungen der großen Volkswirtschaften haben im letzten und im laufenden Jahr die wirtschaftliche Aktivität durch eine Vielzahl von Programmen gestützt. Der IWF hat ein Volumen von 16 Billionen US-Dollar an Maßnahmen, die bis Ende März beschlossen waren, errechnet; davon entfielen zehn Billionen US-Dollar auf Mehrausgaben und Mindereinnahmen und sechs Billionen auf Kredite, Garantien und Eigenkapitalhilfen; über die Hälfte der Maßnahmen war zur Einkommenssicherung von Arbeitnehmern vorgesehen (IWF 2021b). Der Löwenanteil entfiel auf die Industrieländer, die auch in diesem Jahr die Wirtschaft weiter stützen werden. Viele Entwicklungs- und Schwellenländer konnten 2020 in nur geringerem Umfang gegenhalten, und viele beginnen bereits dieses Jahr mit der Konsolidierung. Ohne diese massiven Maßnahmen wäre die Wirtschaftsleistung in der Welt wohl um weitere sechs Prozentpunkte eingebrochen (IWF 2021a). Insgesamt dominierten bislang die Rettungselemente in der Finanzpolitik, während echte konjunkturelle Stimuli in Verbindung mit politischen Schwerpunktsetzungen in der Regel zugunsten von Klimaschutz, Digitalisierung, Infrastruktur und Wachstum noch nicht breit vertreten sind. Insbesondere die Konjunkturprogramme in Deutschland, Frankreich und Japan enthielten bereits früh solche Elemente, während die entsprechenden Ansätze in den USA erst in den nächsten beiden geplanten Maßnahmenpaketen der Biden-Administration zum Zuge kommen sollen. In den USA hatte bereits die Trump-Administration zwei Programme beschlossen, die durch das jüngste Biden-Paket noch ergänzt worden sind. Die Maßnahmen umfassten 2020 16,7 Prozent der Wirtschaftsleistung. Die Kombination aus dem Dezember-Paket der Trump-Administration in Höhe von 900 Milliarden US-Dollar und dem Biden-Paket in Höhe von 1,9 Billionen US-Dollar in diesem Jahr wird einen Impuls von gut zehn Prozent der Wirtschaftsleistung setzen. Biden plant zwei weitere Maßnahmenpakete in der Größenordnung von vier Billionen US-Dollar, die steuerfinanziert werden sollen. Ob dies alles auch im Rahmen von Haushaltsgesetzgebungen möglich sein wird, bleibt abzuwarten. In jedem Fall dürfte die US-Finanzpolitik das wirtschaftliche Wachstum in Kanada und Mexiko um bis zu einem Prozentpunkt und in Europa und China um gut einen Viertel- bis einen Halbpunkt stärken (OECD 2021); für Deutschland hat der Sachverständigenrat einen Effekt von 0,4-0,7 Prozent errechnet (Sachverständigenrat 2021); wir gehen von gut einem halben Punkt aus. China hatte 2020 nur moderat gegengesteuert und wird dieses Jahr die öffentlichen Finanzen leicht konsolidieren. Japan hat mit mehreren Nachtragshaushalten Impulse in beiden Jahren gesetzt, die sich auf knapp 16 Prozent beliefen, das Vereinigte Königreich hielt mit 13 Prozent gegen. Allein im Euroraum beliefen sich die Stützungsprogramme auf fünf Prozent der Wirtschaftsleistung durch direkte Maßnahmen, auf weitere fünf Prozent im Rahmen automatischer Stabilisatoren und auf 19 Prozent durch indirekte Maßnahmen wie Kredite und Garantien (IWF 2021b). Die Europäische Kommission rechnet für dieses Jahr erneut mit Stützungsmaßnahmen in der Größenordnung von knapp vier Prozent der Wirtschaftsleistung, die nächstes Jahr dann auf ein Prozent sinken dürften

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(Europäische Kommission 2021). Nationale Stützungsprogramme sind z.T. für dieses Jahr auch aufgestockt worden, so in Italien um 30 Milliarden EUR und in Deutschland um 60 Milliarden Euro. Im zweiten Halbjahr dürften dann die Aufbau- und Resilienzpläne im Rahmen von NextGeneration EU in vielen Mitgliedstaaten einsetzen. Dies wird die Aktivität in Höhe von bis zu einem zusätzlichen Wachstumspunkt über den Euroraum in diesem und im nächsten Jahr stützen, in Italien und Spanien sogar noch stärker. In Europa war, ist und bleibt die Finanzpolitik 2020-22 angemessen expansiv dimensioniert. Dieses Jahr bleibt die Finanzpolitik leicht expansiv, und im nächsten Jahr werden einige Maßnahmen zwar auslaufen, es entfallen aber auch Restriktionen. Das sollte zurecht nicht als restriktiv gewertet werden. Die gesamtstaatlichen Haushaltssalden im Euroraum werden somit von einer Situation nahezu ausgeglichener Haushalte 2019 (Defizit von gut einem halben Prozent des BIP) und Defiziten über sieben Prozent im letzten Jahr (7,2 Prozent 2020) auf acht Prozent dieses Jahr nochmals leicht ansteigen und auf unter vier Prozent im nächsten Jahr sinken. Die Konsolidierung wird dann schrittweise einsetzen; 2022 dürften jedoch noch mehr als die Hälfte der Länder über dem MaastrichtReferenzwert für die Nettokreditaufnahme in Höhe von drei Prozent liegen. Das um konjunkturelle Effekte, Einmaleffekte und befristete Programme bereinigte strukturelle Defizit wird sich dieses Jahr wie im Vorjahr nochmals um 2½ Prozent erhöhen, im nächsten Jahr jedoch wieder um 2½ Prozent sinken. 2021/22 werden in allen großen Euroraumländern die Outputlücken deutlich sinken, während das strukturelle Primärdefizit, bei dem zusätzlich die Zinsausgaben herausgerechnet werden, das 2020 auf 3½ Prozent im Schnitt angestiegen war, nur in Deutschland wohl auf gut zwei Prozent zurückgehen dürfte. In Frankreich, Spanien und Italien dürfte es wohl 2022 noch deutlich über vier Prozent liegen. Pandemie belastet öffentliche Haushalte weltweit stark Die Defizitquoten sind im Zuge des Wirtschaftseinbruchs und der Pandemiebekämpfung weltweit kräftig angestiegen, auf 11,7 Prozent der Wirtschaftsleistung in Industrieländern, 9,8 Prozent in Schwellenländern und 5,5 Prozent in Entwicklungsländern mit niedrigem Einkommen. Die Schuldenquote stieg weltweit um 13 Prozentpunkte auf 97 Prozent an. Der durch die Pandemie verursachte Wirtschaftseinbruch hat IWF-Berechnungen zufolge allein zehn Punkte dazu beigetragen. In den Industrieländern trugen Mehrausgaben für Gesundheit, Stützung von Unternehmen und Transferzahlungen an Arbeitnehmer etwa genauso zu den Defiziten bei wie die Einbrüche bei den Steuern und Abgaben. In den Entwicklungs- und Schwellenländern ging dies hauptsächlich auf Einnahmenrückgänge zurück. In diesem Jahr ist mit einem leichten Rückgang der Defizite zu rechnen, bei einem geringfügigen weiteren Anstieg der Schuldenquoten. Die Defizite dürften weltweit nach IWF-Schätzungen jedoch dieses Jahr auf hohem Niveau bleiben (USA 15 Prozent, China 13,5 Prozent incl. Schattenhaushalte, Vereinigtes Königreich 11,8 Prozent, Japan 9,4 Prozent, Euroraum 6,7 Prozent, Deutschland 5,5 Prozent). Über die nächsten fünf Jahre dürfen die Defizite dann deutlich zurückgehen, da die Erholung die Einnahmeseite stärkt, die Sonderausgaben für Stützungsmaßnahmen auslaufen und die konjunkturellen Stimuli die Aktivität stärken. Es ist zwar Konsens, dass die Finanzpolitik nach den breiten Programmen schrittweise zielgenauer werden muss, die Stützung auf noch beschränkte Branchen konzentrieren und ansonsten die Reallokation von Ressourcen in neue Felder unterstützen soll. Dies ist jedoch einfacher gefordert als umgesetzt. Zwar ist die Inanspruchnahme von Krediten, Garantien und Eigenkapitalhilfen deutlich hinter den anfänglichen Erwartungen zurückgeblieben, die Unsicherheit über die mögliche Rückkehr normaler Nachfragemuster in den hart getroffenen Branchen ist jedoch nach wie vor hoch. Zudem ist noch unklar, in welchem Ausmaß Insolvenzen in diesen Branchen das Angebot reduzieren werden, und in

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welchem Umfang Alternativen (etwa Videokonferenzen statt Dienstreisen) Bestand haben werden. Insofern wird finanzpolitisch noch ein bis zwei Jahre auf Sicht in den Rettungsmaßnahmen gefahren werden müssen. Die Unterstützung der Reallokation auf dem Arbeitsmarkt ist sicherlich empfehlenswert, aber schwer im Umfang zu antizipieren.

Prognose der Schuldenquote 2020/21*

Prognose des Haushaltssaldos 2020/21* 0

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*in Prozent des BIP Quelle: IWF

Die Notenbanken flankieren die Erholung Die großen Notenbanken der Welt haben bisher eine zentrale stabilisierende Rolle in der Pandemie gespielt und die Finanzierung der Realwirtschaft und der Staaten über günstige Konditionen sicherstellen können. Die wesentlichen Programme sind bis zum Sommer 2020 etabliert worden und weiterhin in Kraft, wie in der letzten Ausgabe unserer Publikation im September letzten Jahres im Detail nachgezeichnet. Generell hat sich an der Aufgabenstellung für die Notenbanken im letzten halben Jahr auch wenig geändert. Die expansive Ausrichtung ist weiterhin angemessen. Die Notenbanken haben vor allem die Kaufprogramme genutzt; die EZB hat ihre Aktiva seit 2019 um gut drei Prozent der Wirtschaftsleistung aufgestockt, die japanische Notenbank um mehr als zehn Prozent, die Notenbanken der Vereinigten Staaten und des Vereinigten Königreichs um mehr als 15 Prozent (OECD 2021). Diese großen Notenbanken haben ganz überwiegend private Aktiva erworben, halten gleichwohl jedoch bedeutende Marktanteile an den Staatsanleihen (USA etwas über 20 Prozent, große Euroländer 20-30 Prozent). Sondermaßnahmen zur Liquiditätsversorgung von Banken und Finanzmärkte sowie SWAPAbkommen sind bereits in den USA weitgehend zurückgenommen worden. Die EZB hat ihr Kaufprogramm dagegen im letzten Dezember um 500 Milliarden Euro gestärkt, bietet weiterhin attraktive langfristige Refinanzierungsgeschäfte für die Geschäftsbanken an und hat die Wertpapierkäufe erhöht, um dem Anstieg der langfristigen Renditen und der Risikoaufschläge im Süden entgegenzuwirken. Die EZB bemüht sich zudem darum, eine Verschärfung der Finanzierungskonditionen der Wirtschaft zu

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vermeiden, da Bankkreditvergabestandards bereits angezogen haben, die Anleiherenditen leicht steigen und der Euro gegenüber dem Dollar leicht aufwerten dürfte. Die EZB hat genügend Spielraum in ihren Instrumenten, dies zu bewerkstelligen. Die japanische Notenbank hat einige Instrumente ergänzt, um das Kreditgeschäft anzuregen und Liquidität bereitzustellen. Nur in wenigen Schwellenländern wie der Türkei, Brasilien oder Argentinien sind die Währungen unter Abwertungsdruck geraten, was die Notenbanken zu Zinserhöhungen zwang. Die meisten Entwicklungs- und Schwellenländer konnten jedoch relativ günstige Finanzierungskonditionen sicherstellen, zumal es gelang, Panikreaktionen und steigende Risikoprämien für ihre Wertpapiere auf ein geringes Maß zu beschränken. Im Großen und Ganzen ist die Pandemiepolitik der Notenbanken ausgerollt bzw. bereits teilweise wieder im Rückzug und eher traditionelle Fragen des geldpolitischen Managements von Inflation kommen zurück auf die Tagesordnung. Vorübergehender Inflationsanstieg Sondereffekten geschuldet Die monatlichen Inflationsraten in den USA und im Euroraum, jeweils gegenüber dem Vorjahr gemessen, sind in den letzten Monaten kräftig angestiegen und haben eine neue weltweite Debatte über Inflationsrisiken angefacht. Eine entsprechende Verunsicherung in der öffentlichen Meinung und an den Finanzmärkten ist eingetreten. Die Hauptursache für diesen Anstieg war eine Rückkehr der Ölpreise auf das Vorkrisenniveau von rund 70 US-Dollar je Barrel, nach einem Einbruch auf knapp über 30 US-Dollar im letzten Sommer. Zudem spielten in vielen Ländern eine Vielzahl von Sondereffekten, die nahezu alle im Zusammenhang mit der Pandemie stehen, eine wichtige Rolle. Die internationalen Wirtschaftsorganisationen und die großen Notenbanken sind jedoch überzeugt, dass diese vorübergehenden Effekte wenig an dem tiefer liegenden gedämpften Inflationsausblick über die nächsten Jahre ändern (EZB 2021, IWF 2021, OECD 2021, Schnabel 2021). Die wirtschaftliche Erholung muss noch Fahrt gewinnen. Die großen Volkswirtschaften haben noch höhere Arbeitslosigkeit und geringere Erwerbsbeteiligungsquoten aufzuweisen als vor der Krise. Die Lohnsetzung wird daher verhalten verlaufen. Einige Angebotsengpässe (Rohstoffe, Halbleiter, Frachtkapazitäten) dürften sich bis 2022 weitgehend abbauen. Die Energiepreise werden auf Jahressicht wieder eher leicht fallen als steigen. Die Philipps-Kurven sind vergleichsweise flach, das heißt, Aktivitätssteigerungen führen nur langsam zu Preisdruck. Die Inflationserwartungen sind zwar für die kurze Frist gestiegen, nicht aber unangemessen stark für die mittlere Frist; die über Swap-Preise erkennbare Erwartung in fünf Jahren über die Inflationsrate der darauf folgenden fünf Jahre liegt im Euroraum noch immer deutlich unter zwei Prozent und ist nur für die USA auf knapp unter 2½ Prozent angestiegen. Mit anderen Worten erwarten die Finanzmärkte, dass die US-Notenbank im laufenden Jahrzehnt ein moderates Überschießen über die Zwei-Prozent-Marke zulassen wird, während der EZB trotz geldpolitischer Strategieüberprüfung nicht unterstellt wird, die Inflationsrate erheblich über die derzeitige Zielgröße von knapp unter zwei Prozent anzuheben. Selbst die Pandemie hat die Verankerung der Erwartungen somit nicht lockern können. Die Notenbanken genießen nach wie vor hohe Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit. Und in vielen Entwicklungsländern sind die institutionellen und rechtlichen Rahmenbedingungen für Notenbanken verbessert worden. Die Sorge, eine „fiskalische Dominanz“ (d.h.: eine zu hohe Staatsverschuldung mit politisch nicht tragbaren Schuldendienstbelastungen) werde die Notenbanken davon abhalten, die Geldpolitik ausreichend zu straffen, wenn es denn notwendig wird, ist zwar eine in Deutschland populäre Sorge, wird aber so international nicht geteilt. Inhaltlich komplexer sind die Fragen, ob Veränderungen in der internationalen Arbeitsteilung, insbesondere ein möglicher Einbruch der Globalisierung, die Alterung westlicher Gesellschaften mit dem entsprechenden Abwärtsdruck auf Produktivität, ein abnehmende Ungleichheit und eine zunehmende

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Konzentration wichtiger Produktmärkte mit entsprechend ansteigender Preissetzungsmacht von Großunternehmen und größere Reallokationsprozesse etwa im Zuge der Klimamaßnahmen den Inflationsausblick langfristig ändern. Dazu gibt es derzeit eine lebendige Debatte (Goodhart, Pradhan 2020), aber noch keine tragfähige Schlussfolgerung. US-Inflationsrate sorgt für Unsicherheit, wird aber nur temporär kräftig bleiben Über die nächsten Quartale ist vor allem in den USA mit einem weiteren kräftigen Anziehen der Inflationsrate über den Wert von zwei Prozent hinaus zu rechnen, die erst mittelfristig wieder schwächer werden dürfte. Bereits der April-Wert von 4,2 Prozent für den Konsumentenpreisindex (Kernrate drei Prozent) bzw. für die von der Notenbank als Zielgröße verwendete Preisentwicklung der privaten Konsumausgaben um 3,5 Prozent (Kernrate 2,3 Prozent) fiel zudem stärker als erwartet aus.1 Im Mai legte der Index sogar um fünf Prozent gegenüber Vorjahr zu. Mehrere Sondereffekte sind für den jüngsten Anstieg verantwortlich. Erstens fiel die Inflationsrate in der Rezession 2020 deutlich ab. Insofern gibt es nun den Nachholeffekt. Zweitens stiegen die Energiepreise um den Jahresanfang herum ebenfalls kräftig an, aufgrund der weltweiten Erholung und der Produktionskürzungen der OPEC+. Auch andere Rohstoff-, Nahrungsmittel- und Transportpreise, z.B. für Containerverschiffung auf den großen Routen, sind jüngst kräftig angestiegen. Drittens sorgen die internationalen Lieferprobleme etwa für Halbleiter für deutliche Preissteigerungen bei Produzentenpreisen generell, aber auch bei einigen Produkten, etwa Gebrauchtwagen, da die Neuwagenproduktion nicht die Nachfrage befriedigte. Viertens gibt es statistische Erhebungs- und Schätzprobleme für konsumbeschränkte Bereiche, die die Inflationsrate temporär hochtreiben. Fünftens haben sich pandemiebedingt die Gewichte einzelner Warengruppen in den Warenkörben verschoben, was preistreibend gewirkt hat; dieser Faktor wird sich nun wieder auflösen, da sich die Konsummuster wieder normalisieren. Doch auch über die nächsten Quartale wird der Nachfrageschub, der von der Finanzpolitik ausgelöst wird, preistreibend wirken. Dies liegt darin begründet, dass die Finanzpolitik deutlich expansiver wirken wird, als es von der Outputlücke, also dem Abstand zwischen dem (geschätzten) Produktionspotenzial und der derzeitigen Produktion, her angezeigt wäre. Die beiden Ausgabenpakete von Trump aus dem Dezember 2020 und Biden aus dem März 2021 belaufen sich auf etwa 13 Prozent der Wirtschaftsleistung von 2019. Zudem sind weitere sieben Prozent der Wirtschaftsleistung als Zusatzersparnis vorhanden, die ebenfalls nachfragewirksam werden könnten. Insofern wurde die Lage mit den Jahren 1951/52 verglichen, als während des Koreakriegs die Nachfrage zwei Jahre lang knapp zweistellig wuchs, die Inflation kurzfristig auf acht Prozent stieg und die Arbeitslosigkeit kräftig fiel (Gagnon 2021a, b). 2021 könnte der Nachfrageschub ähnlich groß ausfallen, während die Outputlücke eher, großzügig gerechnet, bei vier bis fünf Prozent der Wirtschaftsleistung liegen dürfte; das Haushaltsbüro sieht diese z.B. nur bei drei Prozent. Da die Biden-Administration aber nicht nur die Outputlücke schließen, sondern über dieses hinausgehen will, ist das beabsichtigt. Einige den Demokraten nahestehenden Ökonomen halten das Paket der Biden-Administration daher für zu groß und sehen Preis-, Rezessionsund Stagnationsrisiken, da ein 1,9 Billionen-Stimulus auf eine geschätzte Produktionslücke von 900

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Die Indizes werden von verschiedenen Ämtern erhoben und unterscheiden sich leicht durch die Gewichte der Güter im Warenkorb, durch statistische Anpassungen und durch die Breite der erfassten Preise. Der Konsumentenpreisindex ist enger gefasst, er enthält z.B. nicht Gesundheitsausgaben, und hat typischerweise eine höhere Inflationsrate als der Konsumausgabenindex.

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Milliarden US-Dollar trifft (Summers 2021, Blanchard 2021), Preiseffekte auslösen wird und möglicherweise über eine Zinserhöhung die Aktivität dann scharf einbrechen lassen könnte. Die Geldpolitiker sehen die Lage jedoch als nicht so gefährlich an. Die Medianprojektion für die Inflationsrate (der privaten Konsumausgaben) der Mitglieder des Offenmarktausschusses der US-Notenbank lag Mitte Juni bei 3,4 Prozent für dieses und bei 2,1 Prozent für nächstes Jahr. Der IWF und die OECD sehen zwar auch temporäre Inflationseffekte, kaum aber mittelfristige Stagnationsrisiken infolge eines restriktiven Gegensteuerns der Notenbank (OECD 2021, IWF 2021a). IWF-Chefökonomie Gopinath rechnet mit einem Anstieg der Inflation auf 2,25 Prozent 2022 (Gopinath 2021). Die FED beabsichtigt, diesen Anstieg geldpolitisch zu ignorieren, wird jedoch mit Nervosität an den Märkten und in den Medien rechnen müssen. Übertriebene Marktreaktionen können im Zusammenspiel mit unerwarteten geldpolitischen Maßnahmen, ggf. auch in Reaktion auf diese Marktentwicklungen, durchaus für Volatilität und das Risiko realwirtschaftlicher Bremsspuren sorgen. Andererseits hat die Notenbank auch eine ganze Palette von Instrumenten zur Verfügung, um Markterwartungen zu beeinflussen und einen Verlust der Erwartungsverankerung zu vermeiden. Letztlich würden vermutlich moderate Zinserhöhungen Ende 2022 bzw. Anfang 2023 ausreichen, um die Lage wieder unter Kontrolle zu bekommen.

Inflation im Euroraum mit ähnlichem Verlauf, aber niedriger Im Euroraum spielen naturgemäß einige der gleichen temporären Faktoren eine Rolle (Europäische Kommission 2021, EZB 2021, Lane 2021). So lag die Inflationsrate im Mai bei zwei Prozent gegenüber Vorjahr (im ersten Quartal 1,4 Prozent) und so hoch wie lange nicht mehr. Einen großen Effekt hatte natürlich die Pandemie, die die Inflationsrate 2020 auf 0,3 Prozent gedrückt hatte. Aufgrund des weltweiten Nachfrageeinbruchs waren die Ölpreise von rund 70 US-Dollar auf knapp über 30 US-Dollar gefallen, um im Spätherbst wieder auf 70 US-Dollar pro Barrel anzusteigen. Die Verdopplung des Ölpreises von November bis März schlug deutlich auf die Preisentwicklung durch; die Ölpreise sollten sich jedoch auf dem jetzigen Niveau stabilisieren, so dass über die nächsten Monate keine zusätzlichen Effekte hinzukommen dürften. In Deutschland kam noch die Einführung des nationalen Emissionshandelssystem preissteigernd hinzu. Auch sorgte die jährliche statistische Anpassung des Warenkorbs treibend (gut 0,1-0,2 Prozentpunkte im ersten Quartal), insbesondere in Deutschland, das allein einen Effekt von 0,4 Prozentpunkten für das erste Quartal dieses Jahres aufweist. Drittens liefen einige befristete Absenkungen des Mehrwertsteuersatzes aus, so auch in Deutschland. Viertens stiegen die Dienstleistungspreise vor allem zum Jahresanfang kräftig, z.T. aufgrund der Basiseffekte vom Pandemievorjahr. Fünftens stiegen auch Industriegüterpreise mit gut anderthalb Prozent im Januar an, da der Schlussverkaufskalender in mehreren Staaten durcheinandergeraten war, da die Schlussverkaufssaison überwiegend ausfiel. Die Konsumgüterpreise büßten danach aber wieder an Schwung ein. Die höhere Preise für Containerlieferungen, die Störungen am Suezkanal und höhere Zwischengüter- und Produzentenpreise haben dagegen nur geringe Effekte auf die Inflation gehabt. Die Kernrate (ohne Energie und Nahrungsmittel) schwankte im letzten Jahr monatlich zwischen 0,2 und 1,4 Prozent, rechnet man Textil/Bekleidung, Schuhe und Reiseartikel heraus, dann nur zwischen 0,6 und 1,0 Prozent, rechnet man den Mehrwertsteuereffekt heraus, dann reduziert sich die Schwankung weiter auf Werte zwischen 0,9 und 1,2 Prozent (EZB 2021). Es ist also viel Lärm in den Daten. Zwar dürfte die Inflationsrate im Euroraum dieses Jahr nahe an die Zielmarke herankommen (EZB rechnet mit 1,9 Prozent ggü. Vj.), aufgrund des geringen Inflationsdrucks, der vom Arbeitsmarkt sowie den Lohnentwicklungen ausgehen wird, und einer sich erst allmählich schließenden Outputlücke und

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entsprechend geringem Druck vom Gütermarkt ist 2022 bereits wieder mit einem geringeren Preisanstieg (1,5 Prozent ggü. Vj.) zu rechnen. Zudem wirkt die moderate Aufwertung des Euro dämpfend. Im Euroraum ist bisher auch keine bedenkliche Änderung der Inflationserwartungen für die mittlere Frist eingetreten, die mittlere Markterwartungen und die EZB-Befragung der Marktprognostiker liegen leicht unter den offiziellen Schätzungen, die marktbasierten Indikatoren für die langfristigen Inflationserwartung (5-year/5-year forward-Rate) liegen noch deutlich unter der Zielmarke der EZB.

Finanzmärkte durchlaufen turbulente Anpassung Trotz des massiven Wirtschaftseinbruchs im letzten Jahr haben die Finanzmärkte vergleichsweise wenig Turbulenzen an den Tag gelegt. Die Aktienmärkte brachen zwar im letzten Frühjahr massiv ein, erholten sich jedoch bis zum Jahresende bereits vielfach weitgehend. Die Anleihemärkte waren weiterhin durch niedrige Renditen geprägt, die erst am Jahresanfang vor allem in den USA anzogen. An den Devisenmärkten ergaben sich zwar leichte Bewegungen, aber kaum größere Turbulenzen. Die Wertentwicklung auf den Aktienmärkten verlief seit dem Herbst 2020 kräftig. Die Märkte in Korea, Frankreich, Italien, Deutschland und Japan holten bis Mitte Mai mit je mehr als 25 Prozent am stärksten seit November 2020 auf. Der US-Markt lag mit etwas über 20 Prozent im Plus, die Aktienmärkte der Entwicklungs- und Schwellenländer legten insgesamt um 18 Prozent zu (MSCI Emerging Markets) und der chinesische Markt legte mit gut fünf Prozent zu (OECD, eigene Berechnungen). Das Bewertungsniveau am US-Aktienmarkt, gemessen am zyklisch bereinigten Kurs-Gewinn-Verhältnis des S&P-500Indexwerts, stieg von bereits hohen 26 im Tiefpunkt der Pandemie im Frühjahr 2020 auf einen Rekordwert von 37 Mitte Mai an, was sicherlich dem ungewöhnlichen Mix aus sehr expansiver Fiskalpolitik mit hohen Erwartungen der Märkte an Unternehmensgewinne und wirtschaftliches Wachstum bei gleichzeitig expansiver Geldpolitik zuzuschreiben ist. Europäische Aktien erholten sich ebenfalls von einem KGV von 14 im März 2020 auf Werte leicht oberhalb von 20 (EuroStoxx 600), mit besonderen Kurssteigerungen zyklischer Energie- und Finanztitel. Der japanische Aktienmarkt kehrte dagegen nach einer längeren Phase höherer Bewertungen zwischen 20 und 25 zuletzt auf ein Vorkrisenniveau der KGVs von 15 zurück. Die Wachstumshoffnungen, die Fortschritte in der Pandemiebekämpfung und höhere erwartete Inflationsraten, vor allem in den USA, machten sich auch auf den Anleihemärkten erkennbar. So zogen vor allem zum Jahresanfang die US-Renditen auf zehnjährigen Staatsanleihen um zunächst 80 Basispunkte an, kühlten dann aber wieder etwas ab. Japanische Anleihen blieben flach, aber alle anderen G7-Staaten erfuhren ebenfalls moderate Renditeerhöhungen. Nur deutsche Renditen verharrten Mitte Mai noch im Negativterritorium. Die Risikoprämien für die südeuropäischen Staaten engten sich dabei sogar ein wenig ein. Die Anleihemärkte der Mehrzahl der Entwicklungs- und Schwellenländer verzeichnete keine größeren Preisbewegungen; die Türkei, Brasilien und Russland mussten jedoch erheblich makroökonomisch gegensteuern und sahen Renditeerhöhungen um mehr als drei, knapp zwei bzw. gut einem Prozent. An den Devisenmärkten standen im letzten Halbjahr vor allem die Währungen Argentiniens, Brasiliens und der Türkei mit Abwertungen von 15-25 Prozent gegenüber dem US-Dollar im Visier. Renminbi, britisches Pfund, kanadischer Dollar und Yen legten dagegen zu. Der Euro wiederum wertete gegenüber dem Dollar um zehn Prozent auf. Handelsgewichtet bewegte sich der Euro jedoch seit Sommer 2020 real und nominal seitwärts, verlor etwas zu Dollar und Pfund, wertete aber gegen Yen, Franken und türkischer Lira auf. Der US-Dollar wertete dagegen von April 2020 bis Januar 2021 real und nominal handelsgewichtet fünf bis sechs Prozent ab, legte dann aber wieder im Zuge der Nachrichten über

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die Finanzpolitik und den Impffortschritt zwei Prozent zu. Die Währungen der Rohstoffexporteure durchliefen eine Achterbahnfahrt von Abwertung und Aufwertung und sollten nun ein neues Plateau erreicht haben.

Welt- Industrieproduktion erstmals seit zehn Jahren gesunken Nach zehn Jahren kontinuierlichen Wachstums ist die globale Industrieproduktion im Jahr 2020 bedingt durch die Corona-Krise um 4,4 Prozent gesunken. Der Rückgang fiel nach Berechnungen des Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis (CPB) deutlich schwächer aus als während der weltweiten Finanzkrise. Damals gab die weltweite Produktion um 7,6 Prozent nach. Anders als im Jahr 2009, als es nur in den entwickelten Volkswirtschaften zu Produktionseinbußen kam, waren dieses Mal beide Ländergruppen betroffen.

Welt: Industrieproduktion* Schwellenländer entwickelte Volkswirtschaften Einkaufsmanagerindex saisonbereinigt (linke Achse) 60

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*Produktionsindex: 2-Monatsdurchschnitt, kalender- und saisonbereinigt in Prozent zum Vorjahr Quellen: Macrobond, Netherlands Bureau for Economic Policy Analysis, eigene Berechnungen

In den Schwellenländern befand sich die Industrie zum Jahresende 2019 noch auf Wachstumskurs, der mit dem Ausbruch der Pandemie jäh endete. In den ersten beiden Quartalen des Jahres 2020 sank die Industrieproduktion im Vorjahresvergleich zunächst um 5,8 Prozent und anschließend um 5,5 Prozent. Erst im vierten Quartal lag die Industrieproduktion mit plus 2,5 Prozent wieder über dem Vorjahresniveau. Im Jahresergebnis sank die Produktion um 2,3 Prozent. Im ersten Quartal 2021 ist die Industrieproduktion dank des starken Wachstums in China und den asiatischen Schwellenländern mit plus 13,8 Prozent im Vorjahresvergleich kräftig gestiegen. Während die Produktion in Lateinamerika im gleichen Zeitraum um plus 1,4 Prozent zulegen konnte, sank sie in Zentral- und Osteuropa um 1,1 Prozent. Die Ländergruppe Afrika und Mittlerer Osten verzeichnete sogar ein Minus von acht Prozent. Der Einkaufsmanagerindex für die Industrie in den Schwellenländern hat zwar nach einem Zwi-

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schenhoch im November 2020 etwas an Boden verloren, befindet sich aber mit zuletzt 52 Indexpunkten im Mai weiterhin im Expansionsbereich. Aufgrund des hohen statistischen Überhangs und der sich abzeichnenden starken Erholung in Asien dürfte die Industrieproduktion in den Schwellenländern im laufenden Jahr um zehn Prozent steigen. In den entwickelten Volkswirtschaften hatte die Industrieproduktion bereits seit Jahresmitte 2019 abgenommen. Mit dem Ausbruch der Pandemie hat sich der Rückgang beschleunigt und erreichte im zweiten Quartal 2020 seinen Tiefpunkt, als die Aktivitäten im Vorjahresvergleich um 15,4 Prozent nachgaben. Trotz der anschließenden kräftigen Erholung ging die Produktion im Jahr 2020 im Vorjahresvergleich um 6,4 Prozent zurück. Im ersten Quartal des laufenden Jahres stieg die Industrieproduktion in den entwickelten Volkswirtschaften mit plus 0,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahrszeitraum eher verhalten. Während die Industrien im Euroraum und in den restlichen entwickelten Volkswirtschaften im Vorjahresvergleich wieder mehr produzierten, sank die Produktion in den USA um 2,3 Prozent und in Japan um ein Prozent. Der Einkaufsmanagerindex für die Industrien dieser Ländergruppe signalisiert aber für den Frühsommer einen kräftigen Anstieg der Produktion. Seit August letzten Jahres befindet sich der Index im Expansionsbereich und von Dezember bis Mai dieses Jahres kletterte er Monat für Monat auf ein neues Dreijahreshoch von zuletzt 59,8 Indexpunkten. Wir rechnen aufgrund der sich abzeichnenden Frühjahrserholung und des hohen statistischen Überhangs für das gesamte Jahr 2021 mit einem Anstieg der Industrieproduktion um fünf Prozent. Im ersten Quartal des laufenden Jahres ist die globale Industrieproduktion im Vorjahresvergleich um plus 6,9 Prozent gestiegen. Der Einkaufsmanagerindex für die Industrie weltweit stieg von Februar bis Mai 2021 jeweils auf ein neues Dreijahreshoch. Dies deutet auf eine weitere Expansion am aktuellen Rand hin. In diesem Jahr dürfte die weltweite Industrieproduktion nach unseren Einschätzungen um acht Prozent steigen.

Welthandel Nach Einschätzung des IWF vom April ist der Welthandel im vergangenen Jahr um 8,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. Der globale Warenverkehr wurde von der Corona-Pandemie erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Allerdings konnte sich der Welthandel im Jahresverlauf rasch erholen. Im ersten Quartal 2021 legte das Volumen des Welthandels laut vorläufiger Angaben des Netherlands Bureau for Economic Policy gegenüber dem Vorquartal um 4,5 Prozent zu. Von dem kräftigen Aufschwung konnten exportseitig im ersten Quartal besonders die Schwellenländer profitierten (China: plus 6,8 Prozent), doch auch die Europäischen Ausfuhren wurden von dem Aufschwung erfasst (plus 4,8 Prozent). Der RWI/ISL-Containerumschlag-Index, mit dem die Entwicklung des Welthandels auf Grundlage der Auslastung der weltweit wichtigsten Containerhäfen prognostiziert wird, weist ebenfalls seit Monaten aufwärts. Mit einem Wert von mittlerweile 127,1 liegt nach einer Verschnaufpause im Winter auf einem sehr hohen Niveau. Für das Gesamtjahr geht der IWF von einem Wachstum des Welthandels in Höhe von 8,4 Prozent aus. Damit wäre der Corona-bedingte Rückschlag zumindest zu einem Großteil wieder aufgeholt.

Ausländische Direktinvestitionen Laut UNCTAD sind die weltweiten Investitionsströme im Zuge der globalen Corona-Pandemie um dramatische 42 Prozent eingebrochen. Besonders hart hat es hier die Industrieländer getroffen, in die im Vorjahresvergleich 69 Prozent weniger Investitionen geflossen sind. Die OECD geht für 2020 ebenfalls von einem starken Rückgang der weltweiten Investitionsströme in Höhe von 38 Prozent aus, damit

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fallen die globalen Investitionsströme auf das Niveau von 2005 zurück. Ausschlaggebend für den Rückgang sind neben der krisenbedingten Investitionszurückhaltung der Unternehmen die zunehmende Zahl neuer regulatorischer und gesetzlicher Hürden für Auslandsinvestitionen. Der Trend zum Investitionsprotektionismus hat schon vor Corona eingesetzt, beschleunigte sich aber durch die Pandemie erheblich. So haben viele Staaten, auch Deutschland (15. & 17. AWV-Novelle) und andere EUStaaten, trotz weltweit einbrechender FDI-Ströme die staatlichen Kontrollen von Auslandsinvestitionen noch weiter verschärft. Für das Jahr 2021 geht die UNCTAD nicht von einer Erholung der globalen Investitionsbereitschaft aus.

USA Konjunkturelle Entwicklung Nachdem die US-Wirtschaft im Jahr 2020 stark von der Corona-Krise getroffen wurde, gibt es erste Anzeichen einer konjunkturellen Erholung für 2021. Für das ganze Jahr 2020 verzeichnete die USWirtschaftsleistung einen Einbruch von minus 3,5 Prozent. Das Ausmaß der wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie in den USA wurde im zweiten Quartal 2020 deutlich: Das BIP ging um 31,4 Prozent annualisiert zurück. Trotz des wirtschaftlichen Einbruchs konnte die US-Wirtschaft zu Jahresbeginn 2021 kräftig an Dynamik gewinnen. Das BIP stieg im ersten Quartal um 6,4 Prozent annualisiert (Bureau of Economic Analysis, BEA 2021a). Lagen die Wachstumsschätzungen der OECD Ende 2020 noch bei 3,2 Prozent für das Jahr 2021 so prognostiziert die OECD im Mai 2021 ein Wachstum der US-Wirtschaft von 6,9 Prozent in 2021 (OECD 2021b). Der Internationale Währungsfonds und die Europäische Kommission gehen ebenfalls von einem kräftigen Wachstum von 6,4 beziehungsweise von 6,3 Prozent für das laufende Jahr aus (IWF 2021d, Europäische Kommission 2021). Die US-Arbeitslosenzahlen stellen die Ernsthaftigkeit der wirtschaftlichen Lage in der Corona-Krise im besonderen Maß dar. Lag die Arbeitslosenquote im Februar 2020 noch bei 3,5 Prozent stieg sie im April auf 14,8 Prozent an. Obwohl die Quote noch nicht den Vorkrisenwert aufzeigt, sank sie im März 2021 auf 6,0 Prozent. Im April 2021 stieg sie geringfügig auf 6,1 Prozent. Von der Arbeitslosigkeit am härtesten betroffen sind Selbstständige, Zeit- und Niedriglohnarbeiter, Jugendliche sowie Frauen und Hispanics (Bureau of Labor Statistics 2020, 2021). OECD-Schätzungen zufolge soll die Arbeitslosenquote bis zum Jahr 2022 zurück auf das Vorkrisenniveau sinken (OECD 2020). Die Stimmung der US-Konsumenten war im April 2021 auf das höchste Niveau seit 14 Monaten gestiegen. Das U.S. Consumer Confidence Survey, ein Barometer für die Verbraucherlaune, kletterte auf 117,5 Punkte, wie das Institut Conference Board mitteilte. Im Mai verlor diese Entwicklung geringfügig an Dynamik, das Barometer trübte sich um 0,3 Punkte ein (The Conference Board 2021). Die gute Konsumlaune in den USA zeichnet sich ebenso in den US-Konsumausgaben ab. Im März 2021 stiegen diese um 4,7 Prozent im Vergleich zum Vormonat (BEA 2021b). Im April setzte sich der Anstieg der Konsumausgaben mit einem weiteren Plus von 0,5 Prozent fort. Das private verfügbare Haushaltseinkommen stieg im März ebenfalls auf 23,6 Prozent und reduzierte sich daraufhin im April um 14,6 Prozent (BEA 2021d, BEA 2021e). Das Bureau of Economic Analysis (BEA) führt die rapiden An- und Abstiege des privaten verfügbaren Haushaltseinkommens auf die staatlichen Sozialleistungen der Biden-Administration in der Pandemie zurück. Im Zuge des American Rescue Plan Act hatten 161 Millionen US-Haushalte Konjunkturausgleichszahlungen in Höhe von 1.400 US-Dollar erhalten (White House 2021a).

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Die Preise und Inflation in den USA sind im April 2021 auf den höchsten Stand seit September 2008 geklettert und stiegen gegenüber dem Vorjahresmonat um 4,2 Prozent. Für 2022 und 2023 erwartet die Federal Reserve Bank, dass die Inflation über zwei Prozent steigen wird (Federal Reserve Bank of New York 2021a). Besonders deutlich stiegen die Benzinpreise mit 9,1 Prozent zum Vormonat. Steigende Rohstoffpreise sowie Engpässe in den Lieferketten hatten sich für den Betrachtungszeitraum März 2021 in einem stärkeren Inflationsdruck niedergeschlagen (Federal Reserve Bank of New York 2021b). Staatsschulden In Anbetracht der verschiedenen getroffenen fiskalischen Maßnahmen ist ein Anstieg des Haushaltsdefizits nicht überraschend. Das Congressional Budget Office (CBO) veröffentlichte im Februar 2021 eine vorläufige Einschätzung über die Staatsfinanzen im Fiskaljahr 2021. Laut dieser wird die USVerschuldung in diesem Jahr die Wirtschaftsleistung des Landes bedeutend übersteigen und Ende 2021 eine Schuldenquote von 102 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erreichen. Demnach wird das laufende Haushaltsdefizit in diesem Jahr etwa 2,3 Billionen US-Dollar betragen, was 10,3 Prozent des US-BIPs entspricht. Dies wäre die zweithöchste relative Neuverschuldung seit 1945. Aufgrund des Corona-Konjunkturpaketes Ende letzten Jahres betrug damals das Haushaltsdefizit sogar 14,9 Prozent des US-BIPs. In den Projektionen des CBO betragen die jährlichen Haushaltsdefizite von 2022 bis 2031 durchschnittlich 1,2 Billionen US-Dollar pro Jahr und übersteigen in jedem dieser Jahre ihren 50-Jahres-Durchschnitt von 3,3 Prozent des BIP (CBO 2021). Außenhandel Der US-Außenhandel hatte in dem Corona-Krisenjahr 2020 ebenfalls zu leiden. In der ersten Jahreshälfte 2020 verzeichneten US-Exporte von Waren und Dienstleistungen einen signifikanten Einbruch von 20,5 Prozent im April. US-Importe brachen ebenfalls im April 2020 um 13,6 Prozent ein, beides im Vergleich zum Vormonat März 2020. US-Exporte und Importe zogen dafür im dritten Quartal 2020 wieder kräftig an und stiegen seither kontinuierlich. Die US-Exporte von Waren und Dienstleistungen betrugen im ersten Quartal 2021 580 Mrd. US-Dollar – verglichen mit dem Vorjahresquartal bedeutet dies einen geringfügigen Rückgang des Exportvolumens von minus 3,5 Prozent. US-Importe von Waren und Dienstleistungen hingegen betrugen im ersten Quartal 2021 fast 793 Mrd. US-Dollar, ein Zuwachs von 8,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal. Die OECD prognostiziert für 2021 einen Zuwachs an US-Exporte von Waren und Dienstleistungen von 6,3 Prozent sowie einen Anstieg der US-Importe von Waren und Dienstleistungen von 12,8 Prozent (OECD 2021a). Fiskalische Maßnahmen während der Biden-Administration Bereits 2020 hatten der US-Kongress und die Trump-Administration mehrere Notfallpakete auf den Weg gebracht, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zu mildern 2. Auch die Biden-Ad-

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Details zu den ersten vier Konjunkturpaketen finden Sie in der BDI-Publikation „ Globaler Wachstumsausblick 09/2020“ unter https://bdi.eu/media/publikationen/#/publikation/news/globaler-wachstumsausblick-09-2020/ (letzter Zugriff am 4. Juni 2021). Ende 2020 wurden daraufhin innerhalb des Consolidated Appropriations Act, 2021 weitere fiskalische Maßnahmen getroffen wie beispielsweise Direktzahlungen an Bürger mit einem jährlichen Einkommen von weniger als 75.000 US-Dollar. Weitere Details finden Sie bei Associated Press unter https://apnews.com/article/health-care-reform-health-legislation-coronavirus-pandemic-762f84e4da11d350d8b5be5680ab01c4 (letzter Zugriff am 4. Juni 2021)

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ministration setzt auf eine rasante Erhöhung der Staatsausgaben. In den ersten 100-Tagen legte Präsident Joe Biden mehrere Gesetzespakete und Executive Orders (EO) vor, die ein historisches Ausmaß an Sozialausgaben vorsehen: -

Bereits in Kraft: The American Rescue Plan: Am 11. März 2021 unterzeichnete Präsident Joe Biden den so genannten American Rescue Plan (White House 2021a). Es ist das sechste Konjunkturpaket seit Beginn der Corona-Pandemie und hat ein Gesamtvolumen von rund 1,9 Billionen US-Dollar. Dies entspricht knapp neun Prozent der US-Wirtschaftsleistung. Davon wurden 161 Millionen Direktzahlungen an US-Bürger im Wert von 379 Mrd. US-Dollar von jeweils 1.400 US-Dollar verteilt (IRS 2021).

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Vorschlag für ein Infrastrukturpaket: The American Jobs Plan (White House 2021d). Ende Mai 2021 stellte Biden sein Budgetplan für den Ausbau der US- Infrastruktur und eines Sozialpakets vor. Dieser soll mit dem Fiskaljahr 2022 über einen Zeitraum von acht Jahren umgesetzt werden. Der Plan umfasst Investitionen von: ▪ 595,7 Milliarden US-Dollar für Straßen, Brücken, öffentliche Verkehrsmittel, Häfen und Ladeinfrastruktur für E-Autos, ▪ 308,8 Milliarden US-Dollar für den Ausbau der Stromnetze, Breitbandinfrastruktur und Wasserversorgung, ▪ 326 Milliarden US-Dollar für Schulen, Krankenhäuser und kommerzielle sowie private Gebäude, ▪ 400 Milliarden US-Dollar für die Ausweitung des Gesundheitsfürsorgeprogramms Medicaid, ▪ 565,5 Milliarden US-Dollar für Forschung und Entwicklung im verarbeitenden Gewerbe und kleinen Unternehmen sowie für den Ausbau von heimischen Produktionskapazitäten und Liefernetzwerken im Bereich der Zukunftstechnologien und kritischer Güter. Ebenfalls sind in diesem Paket als Made in America Tax Plan steuerliche Anreize von insgesamt 307,3 Milliarden US-Dollar für die Nutzung erneuerbarer Energien vorgesehen. Die Mehrausgaben sollen größtenteils durch eine Reform der Unternehmensbesteuerung aufgewogen werden, die zwei Billionen US-Dollar in die Staatskassen spülen soll.

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Vorschlag für ein Sozialpaket – The American Families Plan (White House 2021d). Dieses umfasst: ▪ Ausgaben von 437 Milliarden US-Dollar zum Ausbau des freien Zugangs am öffentlichen Bildungswesen, ▪ Gewährung von Steuergutschriften für Familien, ▪ höhere Steuereinnahmen durch Stärkung der Bundessteuerbehörde, dem Internal Revenue Service (IRS).

Gegenfinanzierung durch Steuererhöhungen Gegenfinanziert werden sollen diese Pakete durch eine Erhöhung der Unternehmensbesteuerung von 21 auf 28 Prozent (Made in America Tax Plan). Die vorherige Administration unter Donald Trump hatte den Prozentsatz von 35 Prozent auf 21 Prozent gesenkt. Weitere Finanzierungsmaßnahmen bestehen aus einer Erhöhung der Einkommenssteuer für individuelle Einkommen über 452.700 US-Dollar im Jahr von einem Prozentsatz von 37,0 auf 39,6 (White House 2021b, Axios 2021). Die so genannte

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Global Intangible Low-Taxed Income (GILTI)-Steuer soll laut Bidens Plänen von gegenwärtig 10,5 bis 13,125 Prozent auf 21 Prozent erhöht werden. Für eine globale Mindestbesteuerung innerhalb der OECD hat die Administration einen Steuersatz von 15 Prozent vorgeschlagen. Die Kapazitäten der Bundessteuerbehörde, IRS, sollen nach Plänen der Biden-Administration mit einem Budget von 13,2 Milliarden US-Dollar für das Fiskaljahr 2022 gestärkt werden, um Steuerschlupflöcher zu verringern (White House 2021b, U.S. Department of the Treasury 2021, Deloitte 2021). Aussichten im US-Kongress Die vorgeschlagenen fiskalischen Pakete können nur vorbehaltlich der Zustimmung des US-Kongresses umgesetzt werden. Mit zu erwartendem Widerstand aus den Reihen der republikanischen Partei, muss mit einem langwierigen parlamentarischen Prozess gerechnet werden. Durch eine beschleunigte gesetzgeberische Entscheidungsfindung, der so genannten Budget Reconciliation3, wäre auch eine schnellere Umsetzung denkbar. U.S. BIP Wachstum nach Quartalen (annualisiert) 40

33,4

30 20

4,3

10

6,4

0 -10

-5,0

-20 -30 -31,4

-40 Q1

Q2

Q3 2020

Q4

Q1 2021

Quelle: Bureau for Economic Analysis

China: Starker Start ins Jahr 2021 Insgesamt ist Chinas Wirtschaft besser durch das Krisenjahr 2020 gekommen als die meisten anderen großen Ökonomien. Mit Hilfe erfolgreicher COVID-19 Eindämmungsmaßnahmen und beträchtlicher fiskal- und geldpolitischer Unterstützung in Form von öffentlichen Investitionen und Liquiditätshilfen erholte sich Chinas Wirtschaft allmählich von einer Schrumpfung von 6,8 Prozent im ersten Quartal 2020 auf ein Wachstum von 6,5 Prozent im vierten Quartal 2020. Dennoch sank das jährliche BIPWachstum deutlich von sechs Prozent in 2019 auf 2,3 Prozent in 2020.

Weitergehende Informationen zur „Budget Reconciliation“ finden Sie beim Center on Budget and Policy Priorities, unter https://www.cbpp.org/research/federal-budget/introduction-to-budget-reconciliation (letzter Zugriff am 04. Juni 2021). 3

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Für das Jahr 2021 ist ebenfalls mit starken Wachstumszahlen zu rechnen, was größtenteils auf den Ausgleich für den Einbruch im letzten Jahr zurückzuführen ist. Das jüngste Quartalswachstum von 18,3 Prozent stützt dieses Bild, obwohl es leicht hinter den Erwartungen der Experten lag. Insgesamt konnte das Wachstum fast wieder auf Vor-Krisen-Niveau zurückgebracht werden und liegt im Durchschnitt der letzten zwei Jahre leicht über fünf Prozent. Auch der Außenhandel hat sich zuletzt stark belebt. Zudem ist die Pandemie bislang weiter unter Kontrolle geblieben. Hinter starken Wachstumszahlen verbergen sich allerdings auch wachsende Ungleichgewichte und Risiken. Deswegen strebt die chinesische Regierung in ihrem diesjährigen Arbeitsbericht ein moderates Wachstumsziel von „über sechs Prozent“ an. Der IWF ist mit seiner Prognose von 8,4 Prozent optimistischer. Wir gehen ebenfalls von einem BIP-Wachstum von acht Prozent für 2021 und gut fünf Prozent für 2022 aus. Investitionen und Exporte steigen, Konsum schwach Betrachtet man die Nachfrageseite, so waren 2020 die Investitionen der wichtigste Wachstumstreiber für das BIP. Vor allem im Verarbeitenden Gewerbe zogen sie in der zweiten Jahreshälfte merklich an. Die Immobilieninvestitionen erholten sich ebenfalls und wuchsen aufgrund der starken Wohnungsnachfrage solide um sieben Prozent. Infrastrukturinvestitionen stiegen um 0,9 Prozent und die Anlageinvestitionen um 2,9 Prozent. Letztere legten im ersten Quartal 2021 mit 25,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr deutlich zu. Der Konsum ging 2020 zurück. Die realen Haushaltseinkommen konnten zwar noch zulegen, doch der private Konsum und die Einzelhandelsumsätze sanken deutlich. Im ersten Quartal 2021 erreichte der Einzelhandelsumsatz an Konsumgütern ein Plus von 33,9 Prozent. Der Außenhandel zog im zweiten Halbjahr 2020 ebenfalls deutlich an. Angetrieben von robusten Exporten weitete sich der Handelsbilanzüberschuss im Warenhandel aus. Die Reisebeschränkungen führten zu einer Verringerung des Defizits im Dienstleistungshandel. Importe wichtiger Güter nahmen mengenmäßig zu. Im ersten Quartal 2021 meldeten die chinesischen Zollbehörden einen Anstieg von 29,2 Prozent im Außenhandel. Die Exporte stiegen im Vergleich zum Vorjahr um 38,7 Prozent, die Importe verzeichneten ein Plus von 19,3 Prozent. Dienstleistungssektor und Industrie festigen Wachstum Auf der Angebotsseite trugen die Dienstleistungen am meisten zum BIP-Wachstum im Jahr 2020 bei. Jedoch gingen vor allem Reisen, Gastronomie sowie der Groß- und Einzelhandel deutlich zurück. Dies konnte durch besonders starkes Wachstum bei Dienstleistungen im Finanzbereich und bei Informationstechnologien kompensiert werden. Im ersten Quartal 2021 konnte sich der Dienstleistungssektor, trotz der Reisebeschränkungen während des chinesischen Neujahrsfestes, wieder behaupten. Die Wertschöpfung der Transport-, Lager- und Postdienste wuchs im Jahresvergleich um 32,1 Prozent, die der Dienstleistungen des Immobiliensektors um 21,4 Prozent. In der Industrie fiel das reale Wachstum im Jahr 2020 auf moderate 2,6 Prozent. Das Verarbeitende Gewerbe erholte sich im zweiten Quartal 2020, insbesondere in der Automobil-, Elektro- und Elektronikindustrie. Die Hochtechnologie - einschließlich Informationstechnologie, Computer und medizinische Instrumente - expandierte ebenfalls, genauso wie das Baugewerbe, das um 3,5 Prozent wuchs. Die Gesamtwertschöpfung der Industrieunternehmen (Jahresumsatz ≥ 20 Millionen Yuan) wuchs im ersten Quartal 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 24,5 Prozent, bzw. um zwei Prozent im Vergleich

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zum Vorquartal. Die Wertschöpfung des produzierenden Gewerbes wuchs um 27,3 Prozent, die der Versorgung (Energie, Gas, Wasser, etc.) um 15,9 Prozent, die des Maschinen- und Anlagenbaus um 39,9 Prozent und die der High-Tech-Fertigung um 31,2 Prozent. Vor allem die Bereiche New-EnergyAutomobile (Elektro und Wasserstoff), Industrieroboter, Bagger- und Schaufelmaschinen, Mikrocomputer und Integrierte Schaltkreise hoben sich mit einem Wachstum der Wertschöpfung von jeweils über 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal deutlich ab. Geldpolitik neutraler, fiskalische Unterstützung moderater Sollte sich der Aufschwung weiter festigen, ist von einer neutraleren Geldpolitik auszugehen. Der Leitzins ist seit etwa einem Jahr unverändert. Auch die anderen Zinssätze blieben stabil. Auf dem Immobilienmarkt wurden Straffungsmaßnahmen eingeführt, um ein Aufblähen der sich bereits abzeichnenden Blasen zu vermeiden. Die Ausfälle von Anleihen nehmen zu, und der Anteil der säumigen Unternehmen im Besitz der lokalen Regierung steigt stark an. Die Unternehmensverschuldung hat sich stabilisiert, allerdings auf einem sehr hohen Niveau. Kommunale Investmentgesellschaften, insbesondere solche mit niedriger Bonität, werden es relativ schwer haben, Unternehmensanleihen zu begeben. Die Fiskalpolitik wird weniger Unterstützung bieten als im Jahr 2020, da die Erholung in den meisten Sektoren solide ist. Dennoch werden einige der laufenden Unterstützungsmaßnahmen in Kraft bleiben. So werden beispielsweise Schuldenmoratorien von Fall zu Fall verlängert. Von der Krise betroffene Unternehmen können ihre Verluste noch insgesamt acht Jahre lang vortragen. Mit der anstehenden Verlängerung des Renteneintrittsalters müssen jedoch auch mehr Mittel für die Unterstützung von Kinderbetreuungseinrichtungen und für kontinuierliche Weiterbildung bereitgestellt werden. Ausblick für die zweite Hälfte Investitionen werden auch in diesem Jahr ein wichtiger Wachstumsmotor bleiben, und der Konsum wird sich allmählich erholen. Die robuste Exportnachfrage wird die Kapazitätsauslastung der Industrie hochhalten. Die Erzeugerpreisinflation (PPI) stieg im April auf 6,8 Prozent und könnte, angetrieben durch global steigende Rohstoffpreise, weiter angeheizt werden. Die Konsumentenpreise (CPI) stiegen ebenfalls leicht an, blieben aber im April mit 0,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr eher im Rahmen. Die hohen Erzeugerpreise führen möglicherweise zu einer höheren Verbraucherpreisinflation. Die Inflations- und geldpolitischen Aussichten könnten im Jahr 2022 unsicher bleiben. Chinas gesamtwirtschaftliche Produktion wird wahrscheinlich bis Anfang 2022 auf den Pfad, der vor COVID-19 zu erwarten war, zurückkehren. Bleibt auch die globale Nachfrage stark, dürfte sich das Lohnwachstum danach normalisieren oder sogar beschleunigen. Geopolitische, Handels- und Technologierisiken weiterhin relevant Externe Risikofaktoren, die bereits vor COVID-19 existierten, sind nach wie vor relevant. Allen voran die Spannungen zwischen den Vereinigten Staaten und China in den Feldern Handel, geistiges Eigentum und Cybersicherheit. US-Importzölle, Exportkontrollen und Sanktionen werden teilweise zu existentiellen Risikofaktoren für chinesische Unternehmen im Technologiesektor. Auch die Gefahr einer generellen technologischen Entkopplung in den Lieferketten oder bei Innovationen wiegt schwer.

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Den Risiken möchte die chinesische Regierung mit dem Konzept der „Dualen Zirkulation“ begegnen, und die Binnenwirtschaft resilienter gegen äußere Einflüsse machen. Unter das Konzept fallen Elemente wie zum Beispiel technologische Autonomie, Importsubstitution sowie ein Fokus auf lokale Wertschöpfung und Binnenkonsum. Welche Auswirkungen dies auf den Außenhandel und auf in China investierte ausländische Unternehmen haben wird, bleibt abzuwarten.

Soll-Ist-Vergleich der wirtschaftlichen Ziele 2020 und neue Ziele 2021 Soll 2020

Ist 2020

Soll 2021

-

2,3%

> 6%

~ 3,5%

2,5%

~ 3%

> 8,7%

10,1%

Entsprechend BIPWachstum

Fiskalisches Defizit

3,6%

3,7%

3,2%

„Covid-19-Anleihen“

1 Bio. Yuan

1 Bio. Yuan

Keine

3,75 Bio. Yuan

3,60 Bio. Yuan

3,65 Bio. Yuan

9 Mio.

11,86 Mio.

11 Mio.

6%

5,6%

5,5%

BIP Verbraucherpreise Geldmenge M2

Special Purpose Bonds (Infrastruktur) Neue städtische Arbeitsplätze Städtische Arbeitslosigkeit Quelle: SCMP

Euroraum und EU Die wirtschaftliche Erholung wird sich ab diesem Juni auf breiter Front durchsetzen. Dies ist auch bitter nötig, weil das erste Halbjahr in den großen Volkswirtschaften sehr schwach verlief. Die wirtschaftliche Aktivität war in allen großen Ländern im ersten Quartal noch ohne Schwung, ob es nun für ein marginales Wachstum reichte oder erneut mit einem Einbruch zum Vorquartal einherging. Dies dürfte sich bis Mitte oder Ende Mai auch so fortgesetzt haben, da die öffentlichen Beschränkungen bis vor kurzem auf hohem Niveau verharrt haben (Europäische Kommission 2021). Mit den Lockerungen und der Sommersaison sollte gerade auch die Aktivität in den beschränkten Bereichen anziehen. Wir rechnen wie die Kommission oder die OECD für dieses Jahr mit einem Wachstum im Euroraum und in der EU von 4¼ Prozent, dem ein ähnliches Wachstumstempo im nächsten Jahr folgen dürfte. Die Arbeitslosenquote dürfte erneut auf 8,4 Prozent ansteigen und dann bis 2022 wieder auf 7,8 Prozent (wie 2020) zurückgehen. Konsumausgaben werden dieses und nächstes Jahr kräftig expandieren Die Erholung wird hauptsächlich vom privaten Verbrauch getragen werden, der sich normalisieren wird und zumindest anfänglich noch einige nachholende Konsumaktivitäten, die aus Zusatzersparnissen

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finanzierbar sind, aufweisen. Auch wird sich die Sparquote mittelfristig wieder von ihrem erhöhten Niveau aus anpassen. Kommission und OECD rechnen mit Wachstumsraten von gut zweieinhalb Prozent (2020) und sechs Prozent (2021). Investitionen dürften moderat anziehen Die Bruttoanlageinvestitionen werden zwar nachfrageseitig stimuliert und profitieren vom günstigen Finanzierungsumfeld, doch Pandemiefolgen für den Verschuldungsgrad der Unternehmen werden die Investitionslaune weiterhin etwas dämpfen, da viele Unternehmen erst einmal die Bilanzkennziffern konsolidieren müssen, sofern sie Hilfskredite in größerem Umfang in Anspruch genommen haben sollten. Die Bautätigkeit und die Investitionen in Forschung und Entwicklung sollten sich ebenfalls positiv entwickeln. In der Summe dürften die Bruttoanlageinvestitionen dieses Jahr mit gut sechs Prozent und im nächsten Jahr mit gut fünfeinhalb Prozent zulegen (Kommission: 6,7 und 5,3 Prozent, OECD 5,7 und 5,6 Prozent). Aufbau- und Resilienzpläne stärken die öffentlichen Investitionen Zugleich setzen die Maßnahmen aus den Aufbau- und Resilienzplänen im Laufe des zweiten Halbjahrs ein und werden die Aktivität in der EU stützen; für die gesamte Laufzeit beläuft sich der Impuls aus den Zuschüssen auf gut 1,2 Prozent des BIP. Die Kommission geht davon aus, dass 40 Prozent der gesamten möglichen Mittel 2021-22 abgerufen werden. Das entspricht 140 Milliarden Euro bzw. einem Prozentpunkt des BIP. Etwa 30 Prozent der Mittel fließen in öffentliche Investitionen, die Hälfte fließt in die Förderung privater Investitionen und der Rest verteilt sich auf andere Maßnahmen. Die öffentliche Investitionstätigkeit in der EU wird bis Ende nächsten Jahres um gut einen halben Prozentpunkt auf dann dreieinhalb Prozent der Wirtschaftsleistung steigen.

BIP-Wachstum für den Euroraum 8 6 4 2 0 -2 -4 -6 -8 -10 -12

Wachstumsrate 2020

Prognose 2021

Quelle: Europäische Kommission

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Der Außenbeitrag wird dieses Jahr das Wachstum stützen Der Außenhandel und die Wirtschaftstätigkeit werden vor allem vom US-Konjunkturpaket profitieren, das sich mit etwa 0,3 Prozentpunkten für die EU in diesem Jahr (0,2 Prozentpunkte 2022) niederschlagen dürfte (Europäische Kommission 2021). Insgesamt sind etwas robustere Perspektiven für die Exporttätigkeit in der EU (8,7 Prozent) als für die Importe (8,1 Prozent) in diesem Jahr zu erwarten (Euroraum: 8,7 Prozent Exporte und acht Prozent Importe). Daher dürfte der Außenbeitrag die Erholung mit einem guten halben Prozentpunkt stützen, während dieser im Folgejahr wohl nahezu neutral werden wird (Europäische Kommission 2021). Schwacher Start mit gutem Ausblick in Frankreich, Italien und Spanien Schaut man auf die großen Volkswirtschaften im Euroraum, so schaffte Frankreich den Jahresauftakt im Seitwärtsgang. Die Wirtschaftsleistung stagnierte im ersten Quartal (minus 0,1 Prozent ggü. Vorquartal), wobei der Außenbeitrag aufgrund des importlastigen Lageraufbaus fast einen halben Punkt Wachstum gekostet hat. Konsumausgaben und Bruttoanlageinvestitionen lagen leicht im Plus. Der Export lag noch immer zehn Prozent unter Vorkrisenniveau, der Import sieben Prozent. Auch das zweite Quartal dürfte durch einen leichten Rückgang der Aktivität geprägt sein, da der Lockdown im April und Mai sehr hart war und in den kontaktnahen Dienstleistungen das Umsatzniveau nur auf halbem Vorkrisenniveau lag. Im zweiten Halbjahr wird sich die Wirtschaft dann kräftig erholen, auch angetrieben vom französischen Konjunkturprogramm und sehr starker Investitionstätigkeit, von stark expandierendem Außenhandel sowie von der Normalisierung im Dienstleistungsbereich mit nachfolgend steigenden Konsumausgaben. Die Wirtschaft dürfte mit gut fünf Prozent wachsen, bei zunächst noch hoher Arbeitslosigkeit (ca. neun Prozent nach acht Prozent 2020). Daher wird auch das Haushaltsdefizit mit neun Prozent seinen Spitzenwert erreichen und sich erst im nächsten Jahr halbieren. Die italienische Wirtschaft lief im ersten Quartal auch nur seitwärts (plus 0,1 Prozent ggü. Vorquartal). Die privaten Konsumausgaben waren angesichts eines harten Lockdowns leicht rückläufig (minus 1,2 Prozent), ebenso der Export (minus 0,6 Prozent), während die Anlageinvestitionen (3,7 Prozent), vor allem in Bauten und Ausrüstungen, der Lageraufbau sowie die Importe (2,3 Prozent) bereits kräftig expandierten. Da die Wirtschaft mit einem Überhang von 2,6 Prozent ins Jahr startet, die italienische Regierung Öffnungsschritte ab Mai konsequent eingeleitet hat und die Sommersaison mit einem lebendigen Tourismus einhergehen dürfte, ist mit einem robusten Wachstum von gut fünf Prozent in diesem Jahr zu rechnen (Cordogno 2021; Kommission: 4,2 Prozent, OECD: 4,4 Prozent). Im Jahresverlauf dürften die privaten Konsumausgaben um gut vier Prozent zulegen, die Investitionen und die Exporte um rund zehn Prozent. Der Außenbeitrag sollte leicht positiv werden. Ein fast so starkes Wachstum im nächsten Jahr ist durch das italienische Aufbau- und Resilienzprogramm und die weitere Erhöhung von Konsum und Investitionen ebenfalls sehr wahrscheinlich. Das Haushaltsdefizit des Gesamtstaats wird dieses Jahr auf knapp zwölf Prozent des BIP steigen, sich im Jahr 2022 jedoch halbieren. Die Verschuldungsquote wird auf nahezu 160 Prozent ansteigen und nächstes Jahr noch über 155 Prozent verharren. Spaniens Wirtschaft hatte einen leicht schwächeren Start ins Jahr (minus 0,5 Prozent). Während die Konsumausgaben nur leicht nachgaben (minus 0,6 Prozent), sanken die Bruttoanlageinvestitionen, darunter vor allem die Bauinvestitionen, deutlich (minus 2,2 Prozent bzw. minus 5,2 Prozent). Investitionen in Maschinen, Ausrüstung und Forschung zogen dagegen bereits an. Der Außenhandel verharrte schwach, die Exporte stagnierten (minus 0,1 Prozent) und die Importe gaben leicht nach (minus 1,3 Prozent). Nach der bereits erfolgten Erholung der Industrie, der Öffnung verschiedener

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Dienstleistungsbranchen im zweiten Quartal und einer aussichtsreichen Sommersaison dürfte die spanische Wirtschaft gleichwohl dieses Jahr mit knapp sechs Prozent zulegen. Die Konsumausgaben dürften sogar noch etwas kräftiger wachsen, die Investitionen und die Exporte sogar zweistellig. Hier kommt nach dem harten Einbruch von 2020 noch immer ein starker Aufholeffekt zum Tragen; zudem dürfte sich das große spanischen Aufbau- und Resilienzprogramm im Gesamtvolumen von 70 Milliarden Euro über die nächsten sechs Jahre bereits dieses Jahr auf die öffentlichen und privaten Investitionen kräftig auswirken. Die Arbeitslosigkeit dürfte mit über 15½ Prozent in diesem Jahr eine kurzfristige Spitze erreichen und nächstes Jahr wieder auf 14½ Prozent sinken. Unklar ist noch, ob in den stark getroffenen Dienstleistungsbereiche eine bedeutende Zahl an Insolvenzen vermieden werden kann. Dies könnte die spanische Erholung dann noch belasten. Der Staatshaushalt dürfte bereits das Schlimmste hinter sich haben. Das Defizit dürfte von elf auf unter acht Prozent der Wirtschaftsleistung in diesem Jahr sinken und nächstes Jahr bei rund fünf Prozent liegen.

Vereinigtes Königreich Die britische Wirtschaft war durch die Pandemie und die Regierungsmaßnahmen 2020 und zu Beginn von 2021 stark betroffen. Die Wirtschaftsleistung sank um nahezu zehn Prozent letztes Jahr. Durch die recht frühe und rasche Impfkampagne konnten im zweiten Quartal dieses Jahres die meisten Beschränkungen gelockert werden. Die britische Wirtschaft startete zwar mit einem Einbruch in Höhe von 1½ Prozent ins erste Quartal (ggü. Vorquartal), doch sollte die Erholung bereits jetzt fest etabliert sein. Für dieses Jahr ist mit einem starken Wachstum in Höhe von gut sieben Prozent zu rechnen, dem im nächsten Jahr nochmals ein Wachstum von fünfeinhalb Prozent folgen sollte (OECD 2021; die Kommission ist mit jeweils fünf Prozent etwas vorsichtiger). Der Arbeitsmarkt erholt sich seit Jahresanfang deutlich, die Arbeitslosenquote wird bei knapp über sechs Prozent ihre Spitze erreicht haben. Zu Beginn des nächsten Jahres sollte das Vorkrisenniveau wieder erreicht sein. Die Konsumausgaben der privaten Haushalte dürften um knapp sechs Prozent zulegen, die Anlageinvestitionen um sechseinhalb Prozent. Der Außenbeitrag dürfte leicht dämpfen, da der Außenhandel insgesamt kaum vom Fleck kommen wird, teilweise auch bedingt durch die Folgen des Brexits. Die Finanz- und Geldpolitik bleiben dieses Jahr expansiv. Die Finanzpolitik wird erst 2022 erste Konsolidierungsschritte einleiten. So wird das Haushaltsdefizit des Staats von über zwölf Prozent letztes Jahr auf neun und sechs Prozent 2021-22 zurückgeführt werden.

Japan Auch Japan sollte sich dieses Jahr weiter erholen und mit 2¾ Prozent Wachstum abschneiden (nach knapp fünf Prozent Einbruch im Vorjahr). Von größerer Dynamik kann jedoch keine Rede sein. So startete Japan auch mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um ein Prozent gegenüber Vorquartal (minus 5,1 Prozent ggü. Vorjahr) ins Jahr, und das bei einem positiven Lagereffekt von 0,3 Prozentpunkten. Inlands- und Auslandsnachfrage gaben nach. Die Konsumenten hielten sich nach dem Virusnotstand in Tokio und anderen Regionen von Januar bis März bei Käufen von Dienstleistungen und langlebigen Konsumgütern zurück. Öffentliche Investitionen und Ausrüstungsinvestitionen gaben ebenfalls nach, währen immerhin der Bau anzog. Der Außenbeitrag war ebenfalls negativ. Über das Jahr hinweg dürfte das Exportgeschäft jedoch kräftiger anziehen als die Importnachfrage. Somit wird der Außenhandel einen Wachstumsbeitrag beisteuern können. Auch die Industrieproduktion zog jüngst deutlich an. Ein erneuter Virusnotstand ab Ende April in elf Präfekturen dürfte die Kon-

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sumausgaben jedoch weiterhin bremsen. Die größte Belastung resultiert jedoch aus der extrem langsam anlaufenden Impfkampagne (späte Zulassung und geringe Verfügbarkeit von Impfstoffen, Knappheit an Ärzten), die weit hinter Europa oder Amerika zurückbleibt, in Verbindung mit stetig steigenden, wenn auch insgesamt noch nicht sehr hohen Infektionen. Ob und wann die Regierung bzw. die Notenbank mit weiteren Maßnahmen nachsteuern werden, bleibt abzuwarten. Das Wachstum könnte im Jahresverlauf enttäuschen.

Deutschland Für das gesamte Jahr 2021 rechnen wir mit einem Anstieg der Exporte von Waren und Dienstleistungen um real 8,5 Prozent. Importseitig wird dies einen höheren Bezug von Vorleistungsgütern nach sich ziehen. Der Importsog wird noch verstärkt, weil die im Zuge der Pandemie abgebauten Läger jetzt wieder aufgefüllt werden. Zudem dürfte die Sommersaison mit einem kräftigen Anstieg von Auslandsreisen und damit von Dienstleistungsimporten einhergehen In Verbindung mit den anziehenden Konsumausgaben dürften die Importe preisbereinigt um sieben Prozent steigen. In der Summe geht hieraus vom Außenbeitrag ein Wachstumsimpuls von 1,2 Prozentpunkten auf das BIP aus. Die Binnenwirtschaft dürfte langsam wieder Tritt fassen. Auf dem Arbeitsmarkt nehmen die Beschäftigtenzahlen wieder zu. Gleichzeitig wird das Instrument der Kurzarbeit von den Unternehmen immer weniger in Anspruch genommen. Mit abnehmenden Fallzahlen dürften in den nächsten Wochen weitere Öffnungen im Handel und im Gastgewerbe zu erwarten sein. Mit etwas Verspätung dürfte dann der Private Konsum wieder anspringen. Wie stark der bis dato aufgestaute Sparüberhang in Konsumausgaben fließen wird, ist allerdings schwer vorhersehbar. Nicht auszuschließen ist, dass Teile des Ersparten auch zur Tilgung von Krediten oder für Investments genutzt wurden. Trotz schwacher Konsumentwicklung im ersten Quartal rechnen wir für das laufende Jahr weiterhin mit einem Anstieg der Privaten Konsumausgaben um ein Prozent. Eine Aufwärtsrevision ist bei den öffentlichen Konsumausgaben erforderlich. Diese dürften nach neusten Einschätzungen der Bundesregierung im laufenden Jahr um 5,2 Prozent steigen. In der Summe resultiert hieraus ein Anstieg der Konsumausgaben im Jahr 2021 um 2,3 Prozent. Die Investitionstätigkeit dürfte im Jahr 2021 wieder anziehen. Bei den Investitionen in Ausrüstungen rechnen wir nach dem zweistelligen Rückgang im Vorjahr mit einem Anstieg um plus sieben Prozent, der aber den Einbruch aus dem Vorjahr nicht kompensieren dürfte. Die Kapazitätsauslastung war in vielen Branchen des Verarbeitenden Gewerbes zu Beginn des zweiten Quartals bereits deutlich höher als vor der Krise, so dass nicht nur Ersatz- sondern auch Erweiterungsinvestitionen notwendig werden. Bei den Bauinvestitionen rechnen wir im laufenden Jahr weiterhin mit einem Anstieg um 0,5 Prozent. Die Bauindustrie verzeichnete im März zwar den höchsten Auftragsbestand aller Zeiten, was rechnerisch die Produktion bis in den November sicherstellt. Allerdings dürfte sich die zunehmende Materialknappheit immer mehr als limitierender Faktor erweisen. Die Investitionen in sonstige Anlagen (Software, Forschung und Entwicklung) sind zwar zu Jahresbeginn nochmals leicht gesunken, dürften sich aber im Jahresverlauf erholen. Wir rechnen weiterhin damit, dass sie nach dem Rückgang im Vorjahr im laufenden Jahr um zwei Prozent zulegen werden. Alles in allem dürften die Bruttoanlageinvestitionen im Vergleich zum Vorjahr um 2,9 Prozent steigen. In der Summe rechnen wir damit, dass das Bruttoinlandsprodukt im laufenden Jahr gegenüber dem Vorjahr in realer Rechnung um 3,5 Prozent steigt. Wir gehen bei unseren Einschätzungen davon aus,

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dass bis zum Herbst ein großer Teil der Bevölkerung einen Impfschutz bekommen hat und pandemiebedingte Vorsichtsmaßnahmen die wirtschaftlichen Aktivitäten nicht mehr beeinträchtigen. Die Rückkehr auf Vorkrisenniveau dürfte im vierten Quartal des laufenden Jahres erfolgen. BIP-Prognose für 2021: Veränderung der realen Wirtschaftsleistung gegenüber dem Vorjahr in Prozent IST

BDI

Bundesregierung

2020

2021

2021

Europäische Kommission 2021

Bruttoinlandsprodukt

- 4,8

3,5

3,5

3,4

Konsumausgaben

- 3,3

2,3

-

-

- 6,0

1,0

0,8

0,1

3,7

5,2

5,2

3,6

- 2,7

2,9

3,5

3,2

-11,6

7,0

7,5

9,0

2,3

0,5

1,4

-

- 1,1

2,0

3,3

-

Exporte

- 9,4

8,5

9,2

10,4

Importe

- 8,4

7,0

7,8

7,9

Außenbeitrag, Wachstumsleistung

- 0,9

1,2

1,1

1,5

- Private Konsumausgaben - Staatsverbrauch Bruttoanlageinvestitionen - Ausrüstungsinvestitionen - Bauinvestitionen - Sonstige Anlagen

Quellen: Statistisches Bundesamt, Bundesregierung (April 2021), Europäische Kommission (Mai 2021), eigene Berechnungen

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