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8. Europa nutzbar machen

Viele mittelständische Unternehmen im ländlichen Raum sind in grenzüberschreitenden Wertschöpfungsverbünden aktiv. Einige erwirtschaften einen Großteil ihres Umsatzes im Ausland. Beschäftigte am heimischen Standort sind so – direkt oder indirekt, bewusst oder unbewusst – Gewinner von Europäisierung und Globalisierung. Ein voll funktionierender EU-Binnenmarkt für Waren, Dienstleistungen, Kapital und Arbeitnehmer sowie offene Märkte weltweit sind eine unabdingbare Grundlage für unternehmerischen Erfolg und gesellschaftlichen Wohlstand in Deutschland. Hier gilt es, auch zum Nutzen ländlicher Regionen, weiter anzusetzen.

In Grenzgebieten dürfen unterschiedliche nationale Rechtsrahmen oder komplizierte Verwaltungsverfahren enge wirtschaftliche Kooperationen nicht behindern. Beispielsweise ist es überfällig, dass Dienstreisen und kurzfristige Entsendungen in Europa endlich wieder ohne aufwändige A1-Bescheinigungen gelingen. Ländliche Regionen in Grenznähe können davon profitieren, übergreifende Netzwerkstrukturen zu schaffen und Infrastrukturen überregional zu optimieren.

Abgesehen von der EU-Agrarpolitik tragen EU-Strukturfonds zur „Stärkung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts der Union“ („Kohäsion“) bei. In der Förderperiode 2021 bis 2027 stehen dafür insgesamt über 440 Milliarden Euro im EU-Budget. Allein für Deutschland sind rund 23,3 Milliarden Euro vorgesehen. Besondere Bedeutung hat der Europäische Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE), der nicht zuletzt die Wettbewerbsfähigkeit mittelständischer Unternehmen steigern, die Gründung innovativer Unternehmen fördern, Wachstums- und Innovationsprozesse in bestehenden Unternehmen stärken und die Digitalisierung der Wirtschaft vorantreiben soll (BMWi 2021).

Die europäische Kohäsionspolitik sollte ausreichend budgetiert bleiben und zugleich regelmäßig auf ihre Zielgenauigkeit hin evaluiert werden. Noch dazu gilt es, das Ineinandergreifen verschiedener Förderinstrumente der Regionalpolitik, des Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) und anderer Ausgabenprogramme, etwa für Forschung und Klimaschutz, zu verbessern (BDI 2019). Leider zeigt sich in der Praxis die Beantragung, Vergabe und Prüfung von EU-Mitteln oft sehr komplex. In Deutschland legen oft die Bundesländer fest, wofür und wie Mittel genutzt werden. Sie sollten ihre Abläufe überprüfen. Mittelständische Unternehmen haben meist sehr begrenzte Ressourcen und angesichts des hohen Verwaltungsaufwands ausgeschriebener Projekte werden Vorhaben teilweise aufgegeben oder über Möglichkeiten jenseits der eigentlich vorgesehenen Unterstützung finanziert.

Regionalbeispiel polnische Grenzregion

An der Oder zwischen Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Polen sind die geografischen Grenzen durch enge wirtschaftliche Zusammenarbeit mancherorts kaum zu erkennen. Daseinsvorsorge wird zusammen gestaltet. Polnische Kinder gehen in deutsche Kitas und Schulen, kulturelle Einrichtungen profitieren von Besuchern aus den Nachbarländern, Hochschulen forschen gemeinsam, Pflege und medizinische Versorgung greifen ineinander und Infrastrukturen – vom Wasserwerk bis zur Schiene – werden von Anfang an grenzübergreifend geplant. Das macht Wertschöpfungsketten und Mobilität effizienter (Land Brandenburg 2019).

Fokus: EU-Definition Mittelstand

Mittelstand und Familienunternehmen mit einer Definition zu erfassen, ist schwierig. Viele Unternehmen bleiben gefühlt mittelständisch, auch wenn sie die KMU-Grenzwerte der EU überschreiten. Viele fallen in die Größenkategorie der „Mid-Caps“ mit bis zu 3.000 Beschäftigten. Angesichts der hohen Bedeutung von größeren industriellen Familienunternehmen für die regionalen Wirtschaftsstrukturen ist es problematisch, dass sie als Großunternehmen gelten. Einerseits werden sie in vielen EU-Förderprogrammen nicht berücksichtigt und andererseits überfordern sie Berichtspflichten (IW Köln 2020). Das zeigt: Starre und rein quantitative Grenzen der EU-Definition sind problematisch. Es braucht eine zukunftsorientierte Reform (BDI 2018).

Handlungsempfehlungen

.EU-Haushalt auf Maßnahmen zur Stärkung der Wett. bewerbsfähigkeit ausrichten Europäische Fördermöglichkeiten einfach und bürokratiearm gestalten, etwa durch Einführung einheitlicher Prüfverfahren und Regelwerke für alle . Fördermittel Entsendungen von Beschäftigten über EU-Länder. grenzen hinweg erleichtern1 Regeln im Binnenmarkt – unter Achtung der nationalen Kompetenzen und der Autonomie der Sozialpartner – harmonisieren und wo nicht möglich, das . Prinzip der gegenseitigen Anerkennung gelten lassen Reform der europäischen KMU-Definition durch höhere Schwellenwerte bei der Beschäftigtenzahl und den Finanzen vorantreiben, um mittelständischen und familiengeführten Unternehmen weiteren Zugang zu EU-Fördermitteln und administrativer Entlastung zu öffnen

1 Beispielsweise durch Revision der Verordnung 883/2004/EG zur

Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und langfristig durch

Anpassung der EU-Entsenderichtlinie mit einer zeitlichen Schwelle, unterhalb derer keine A1-Bescheinigung notwendig ist.

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