Behörden Spiegel August 2021

Page 1

Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst

ISSN 1437-8337

G 1805

DIGITALE

DAdi2gita0lis2ie5rt AGchElaN nd wird Deuts

DIGITALE

DAdi2gita0lis2ie5rt AGchElaN nd wird Deuts

de Alles dazu auf

Nr. VIII / 37. Jg / 32. Woche

Berlin und Bonn / August 2021

n Seiten 14 un

d 15!

www.behoerdenspiegel.de

Digitale Kleinstadt

Ohne die Ehrenamtlichen nicht denkbar

“Ich möchte keinen Tag missen”

Lars Prahler über Heraus­forderungen und Chancen........................................... Seite 15

Im Gespräch mit DRK-Präsidentin Hasselfeldt zu 100 Jahren DRK ������������������������������������� Seite 42

Walter Dreßbach über seine Arbeit als Referatsleiter in der Kreis-Verwaltung......... Seite 52

Katastrophe gemeinsam schultern

Mehr Rauschgift­ kriminalität (BS/mfe) Hierzulande steigt die Rauschgiftkriminalität weiter an. Im vergangenen Jahr wurden polizeilich insgesamt 365.753 Fälle registriert. Das sind 1,7 Prozent mehr als 2019. Zugleich ist Rauschgiftkriminalität weiterhin das größte Betätigungsfeld von Gruppierungen der Organisierten Kriminalität (OK). So wurden 2020 erneut mehr als ein Drittel der OK-Verfahren in Deutschland wegen des Verdachts des Handels mit oder Schmuggels von Rauschgift geführt. Ermittelt wurden 284.723 Tatverdächtige, die zunehmend bewaffnet und gewaltbereit sind. Der größte Zuwachs der Handelsdelikte war bei den sogenannten neuen psychoaktiven Stoffen festzustellen. Hier war laut Bundeslagebild des Bundeskriminalamtes (BKA) eine Zunahme um 16,2 Prozent zu verzeichnen.

Systemrelevante ITSchulinfrastruktur (BS/mj) Das Pilotprojekt “HPI Schul-Cloud” verstetigt sich zur systemrelevanten IT-Infrastruktur für Schulen und wird in Niedersachsen, Brandenburg und Thüringen in den Regelbetrieb überführt. Die technische Weiterentwicklung der landesspezifischen Varianten übernimmt zukünftig die Dataport – Anstalt des öffentlichen Rechts (Dataport AöR). Rund 4.000 Schulen bietet die Schul-Cloud des Hasso-Plattner-Instituts (HPI) heute einen geschützten Lernraum. Die Pilotphase des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts erstreckte sich über die letzten vier Jahre. Gerade während der Corona-Pandemie konnte, laut HPI, die Cloud viele Tausend Schulen beim digitalen Unterricht unterstützen.

Abgegrenzte Zuständigkeiten, Trennungsgebote und mangelnde Resilienz (BS/Uwe Proll/Jörn Fieseler) Über 180 Tote, knapp 800 Verletzte und noch mehr als 50 vermisste Personen – die Zahlen zu den Opfern der Flutkatastrophe sprechen eine eindeutige Sprache. Der Staat, der Leben und Besitz seiner Einwohner schützen soll, hat versagt. “Wie kann so etwas in Deutschland passieren?”, fragte ein britischer Journalist voller Unglauben. Während von allen Akteuren eine Antwort auf diese Frage gegeben wird, fällt eines auf: Die Fehlersuche gerät zu einer Diskussion über Zuständigkeiten und gipfelt in parteipolitischen Schuldzuweisungen. Stattdessen sollte nach Verbesserungsmöglichkeiten gesucht werden. So tragisch die Katastrophe in Rheinland-Pfalz und NordrheinWestfalen ist, so wenig sind Diskussionen über eine Neuverteilung der Zuständigkeiten und die Rufe nach mehr Zentralisierung angebracht. Auch wenn der eigene Zuständigkeitsbereich zur Absicherung herangezogen wird. Etwa bei der Alarmierungskette (siehe auch Seite 39). Das grün geführte Mainzer Umweltministerium warnte vor Hochwasser an Rhein und Mosel, das SPDgeführte Innenministerium verwies auf “automatisierte E-Mails” sowie rechtzeitig online gestellte Warnhinweise, besonders aber auf die zweistündig verspätete Reaktion des CDU-Landrats des am schwersten betroffenen Kreises Ahrweiler. Alle haben ihre Pflicht und Schuldigkeit getan, der Wetterdienst, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), die Ministerien in Rheinland-Pfalz und NRW, aber das reicht eben nicht. Es reicht nicht, nur auf seine Zuständigkeit zu verweisen und Warnhinweise anzubieten. Jeder muss in seinem Zuständigkeitsbereich auch die Verantwortung übernehmen. Das bedeutet, Informationen nicht nur automatisiert abzuliefern, sondern nachhaltig zu prüfen

Statt über Zuständigkeiten zu streiten und Aufgaben abzugrenzen, sollten Herausforderungen, wo es sinnvoll ist, gemeinsam geschultert werden. Foto: BS/WavebreakmediaMicro, stock.adobe.com

oder mindestens sicherzustellen, dass diese angekommen sind, verstanden und umgesetzt wurden. Dafür müssen Kompetenzen nicht verschoben und zentralisiert werden. Katastrophen sind grundgesetzlich eine Angelegenheit der Länder und die Ausrufung des Katastrophenfalls ist eine Angelegenheit der Bürgermeisterinnen und Landräte. Das soll so bleiben. Naturkatastrophen beginnen meist als

lokale Ereignisse. Entsprechend gefordert sind die Kräfte vor Ort und vor allem ihre Kenntnis der Gegebenheiten. Deshalb ist es der örtliche Katastrophenschutz, der besser ausgestattet werden muss und dann auch entscheiden muss. Das zeigt auch das Beispiel Bundeswehr. Die hat den militärischen Katastrophenfall ausgerufen. Das bedeutet, dass jeder Kommandeur vor Ort entscheiden kann, welche Hilfs-

mittel er im Krisenfall einsetzen kann, wenn er sie zur Verfügung hat, und nicht erst bei der Kommandobehörde oder gar beim Bundesverteidigungsministerium dafür nachfragen muss. Anstatt bei jedem Ereignis nach mehr Zentralisierung zu rufen, sollte vielmehr überlegt werden, aus welchen Gründen welche Stelle tätig werden muss. Es gibt Bedrohungen, die eindeutig nach einer Bundeszentralisierung

Kommentar

Die zwei Arten von Führung

Colours of Europe Award

(BS) Die Sätze im Untersuchungsbericht zur Bremer Feuerwehr haben es in sich. Zwar gebe es keine rechts­ extremen Strukturen, doch die bekannt gewordenen Probleme werfen kein gutes Licht auf die Organisation. Denn der Bericht ist wahrlich kein Glanzzeugnis, was den Umgang mit Rassismus und Sexismus innerhalb der (BS/mj) “Es geht darum, au- Wehr angeht. Klar ist: Einsatzführungskompetenzen allein reichen nicht aus, um interne Probleme zu lösen. ßergewöhnliches Engagement zu belohnen und gleichzeitig ein Netzwerk aus Kommunen zu schaffen, die ihre Erfahrung und Expertise auch über ihre eigene Region hinaustragen möchten”, heißt es auf der Website der Initiative des Colours of Europe Awards 2021, einer Auszeichnung der überparteilichen Initiative “Tu was für Europa e. V.” Bis zum 12.09.2021 können sich Städte und Kommunen mit weniger als 50.000 Einwohnern mit ihren Projekten, Konzepten und Ideen bewerben. “Besonders in kleineren Städten und Kommunen findet beispielhaftes Europa-Engagement statt, das überregionale Öffentlichkeit verdient und das Potenzial hat, auch andere zu inspirieren und zu motivieren.”

Die Organisationskultur der Feuerwehr ist als männlich, hie­ rarchisch, traditionsverbunden und “widerstandsfähig” gegenüber Veränderungen zu charakterisieren. In Bremen trifft diese Kultur auf eine rückständige, autoritäre und angstbesetzte Führungskultur. Dies soll jetzt alles geändert werden. Das ist natürlich löblich. Nur stellt sich die Frage, warum man erst nach massiven Verfehlungen auf die Idee kommt, die Ausbildung bei der Personalführung auszubauen. Denn eine einheitliche Qualifikation fehlte bisher. Nur wie sollen Führungskräfte Menschen führen, wenn Sie es nie gelernt haben? Dabei sind die Probleme in der Personalführung schon seit vielen Jahren bekannt. Aber keiner handelte. Es wirkt

geradezu zynisch, wenn sich betroffene Kräfte bei Führungsproblemen selbst an die Führung wenden sollen. Erschwerend für die Vorfälle kommt das Verhältnis zwischen Staat und Gesellschaft hinzu. Es wird ein anderer und höherer moralischer Anspruch an Bedienstete im Öffentlichen Dienst gestellt. Gerade Personen aus der Feuerwehr, aber auch aus der Polizei und Bundeswehr, stehen sinnbildlich für den Staat. Dies muss allen Beteiligten klar sein. Wenn aber Staatsdiener sich danebenbenehmen, fällt dies immer auf den kompletten Apparat zurück. Es wird nicht unterschieden zwischen einem einzelnen Vorfall oder einem strukturellen Problem. Das Feigenblatt des “schwarzen Humors” darf nicht als Entschuldigung für

beleidigende und herabwürdigende Sprüche dienen. Gerade bei Führungspersonal braucht es ein hohes Maß an persönlicher Reife und Sozialkompetenz, um hier entgegenzuwirken. Deshalb müssen diese Kriterien bei der Auswahl des Führungspersonals neben dem einsatztaktischen und technischen Sachverstand in den Vordergrund gerückt werden. Hier sind wir aber auch als Gesellschaft gefordert, frühzeitig bei sexistischen, rassistischen oder homophoben Vorfällen einzuschreiten. Klar ist dies unangenehm und braucht Courage, aber wenn wir friedlich und inklusiv zusammenleben wollen, führt kein Weg daran vorbei. Falsch verstandener Korpsgeist darf dabei nicht im Weg stehen. Bennet Klawon

Schiff ahoi!

rufen. Etwa Cyber-Angriffe, die meist vom Ausland aus erfolgen. Hier sind eine bundeseinheitliche Abwehrstrategie und auch Zuständigkeit anzustreben. Auch in einer Pandemie wie jetzt ist eine bundeseinheitliche Zuständigkeit, anstatt der zersplitterten Länderverhaltensweise überlegenswert. Warum? Weil in beiden Fällen alle Bundesbürger gleichermaßen gefährdet sind. In anderen Fällen ist es besser, wenn sämtliche Akteure die Herausforderung gemeinsam schultern. Dazu müssen, wie Prof. Dr. Magrit Seckelmann, Geschäftsführerin des Deutschen Forschungsinstituts für öffentliche Verwaltung, es formuliert, entscheidende Fehler der Föderalismusreform 2005 korrigiert werden. Nämlich die “Überakzentuierung der Aufgabentrennung zwischen Bund und Ländern und die Regelung, dass sich der Bund nur gleichsam über die Länder als Boten an die Kommunen wenden kann”. Das wäre der bessere Weg, anstatt die Suche fortzusetzen, ob man die Schuld wie einen Ball ins Feld des politischen Gegners befördern kann, um parteipolitisch zu punkten. Bittere Erkenntnis wie schon bei der Migrationskrise 2015/2016 und Corona: solche Ereignisse dienen nach dem ersten Schrecken sofort als parteipolitische Projektionsfläche.


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.