Fakten, Hintergründe und Analysen für den Öffentlichen Dienst
ISSN 1437-8337
G 1805
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de Alles dazu auf
Nr. X / 37. Jg / 41. Woche
Berlin und Bonn / Oktober 2021
n Seiten 57 bis
61!
www.behoerdenspiegel.de
“Von so etwas nicht beeindrucken lassen”
Im Dienst des Menschen
Mehr als nur ein Job
Bürgermeister Axel Vogt zu den Auswirkungen von Nord Stream 2 ........... Seite 15
Prof. Dr. Kristina Sinemus spricht über die Zukunft mit Künstlicher Intelligenz ����������������������������� Seite 27
Mario Schmid über seine Arbeit im ältesten Nationalpark Deutschlands........................ Seite 64
Der erhoffte Staat
Notruf-App gestartet (BS/bk) Die bundesweite NotrufApp “nora” ist gestartet. Bürgerinnen und Bürger sollen damit im Notfall Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst wie analog über die Notrufnummern 110 oder 112 erreichen können. Die App funktioniert in 15 Bundesländern. Einzig in Berlin sind noch Abstimmungen erforderlich. Die App richtet sich an Personen, die nicht bzw. nicht gut telefonieren können. Sie ist so programmiert, dass auch mit geringen Sprachkenntnissen und ohne zu reden ein Notruf abgesetzt werden kann. Die Federführung des Projekts liegt beim nordrheinwestfälischen Innenministerium. Bis Ende 2021 betragen die Kosten des Projekts für das Land rund 475.000 Euro.
5,7 Milliarden Euro Finanzierungsdefizit (BS/mj) Im ersten Halbjahr 2021 wiesen die kommunalen Haushalte ein Finanzierungsdefizit von rund 5,7 Milliarden Euro auf, welches sich aus dem Defizit von rund 6,7 Milliarden Euro der Kernhaushalte und einem Überschuss von rund einer Milliarde Euro zusammensetzt, teilt das Statistische Bundesamt mit. Demnach haben die PandemieAusgleichszahlungen von 2020 die Ergebnisse nicht beeinflusst. Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2020, in dem das Finanzierungsdefizit der Gemeinden und Gemeindeverbände knapp 9,6 Milliarden Euro betragen hatte, stiegen die gesamten bereinigten Einnahmen der Kommunen um 6,4 Prozent. Dies entspricht Mehreinnahmen von rund 8,2 Milliarden Euro. Allerdings stiegen auch die kommunalen Ausgaben in der ersten Jahreshälfte 2021 um 3,1 Prozent beziehungsweise 4,3 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Erfolgreicher Hyperschallflug (BS/df) Hyperschallwaffen, die mit Mach fünf oder mehr fliegen können, stellen eine existenzielle Bedrohung dar, da sie alle aktuell vorhandenen Luftverteidigungssysteme dadurch umgehen können, dass sie tief und schnell fliegen. Während ballistische Raketen ihre Kurve bis in den Weltraum ziehen, bleiben Hyperschallwaffen weit unterhalb der Radare. Aus den USA wurde Ende September ein Durchbruch gemeldet: der erste erfolgreiche Flugtest des Hypersonic Air-breathing Weapon Concept (HAWC). Dieses Projekt der DARPA und der US Air Force wurde somit durch die Hersteller Raytheon und Northrop Grumman erfolgreich abgeschlossen. Während des Tests wurde die HAWC von einem Flugzeug freigesetzt. Sekunden später erreichte sie Überschallgeschwindigkeit, nach der Zündung des Scramjets ging sie in den Hyperschallflug über.
Vertrauenswürdigkeit, Handlungskompetenz, Klima-Aufgabe (BS/Uwe Proll) Im August 2017 titelte das Handelsblatt: “Beamte sind Merkel-Fans”, Anfang September 2021 die FAZ: “Beamte wählen Grüne.” Was war geschehen? Forsa ermittelte 2017, dass 46 Prozent der deutschen Beamtenschaft CDU/CSU wählen wollten. Vier Jahre später ein völlig anderes Bild. Nach der Anfang September veröffentlichten Umfrage im Auftrag des Beamtenbundes wollten sich 32 Prozent der Beamten für die Grünen entscheiden und nur noch 28 Prozent für die CDU/CSU. Auf der Suche nach den Gründen stößt man auf Themen wie Motivation, Identität, Führungsstärke, Anerkennung. Dem stehen aber harte Fakten gegenüber, die Grünen wollen die Beamtenschaft in die “Bürgerversicherung” zwingen, später gegebenenfalls in die gesetzliche Rentenversicherung. Wenn es so käme, würden für eine(n) durchschnittliche Beamtin/Beamten bis zu 300 Euro monatlich weniger auf der Besoldungsabrechnung stehen. Während die Gewerkschaften unisono bessere Besoldung als Anerkennung auch für besonders herausfordernde Berufe wie im Gesundheitswesen oder bei der Polizei fordern, präferiert eine Mehrheit unter den Beamten nun eine Partei, die auf der Einkommensseite für materielle Einschränkungen steht. Wie passt das zusammen? Es geht wohl doch mehr um die Glaubwürdigkeit, etwas zu bewegen, und ein Hindernis – wer weiß das besser als die Beamtenschaft selbst – sind die strukturellen Defizite im Staats- und Verwaltungsaufbau. Das Kompetenzgerangel zwischen Bund, Ländern und Kommunen spricht für sich. Ein Wust bürokratischer, sich teils ausschließender Regelungen hat sich zu einem Berg angehäuft. Für die Reformunfähigkeit stehen zwar vor allem die Parteien der Großen Koalition, wenn doch aber die Grünen in zehn von 16 Bundesländern seit Jahren mitregieren? Die “Modernisierungs-
Die Erwartungen und Wünsche an die neue Regierung sind hoch. Ob sie sich vor Weihnachten erfüllen, ist jedoch fraglich. Foto: BS/thingamajiggs, stock.adobe.com
offensive” aus dem Grünen-Wahlprogramm kommt daher eher smart als radikal daher. Vielleicht
ist es gerade dieser Weichspülgang, der das Verhältnis zwischen Grünen und Beamtenschaft so
kuschelig macht. Ganz neu ist die Anziehungskraft der Grünen auf die Staatsdiener allerdings nicht, denn schon bei der letzten Landtagswahl im März dieses Jahres in Baden-Württemberg lag die Gunst für die Grünen bei der Beamtenschaft bei 51 Prozent. Spezifisch grün ist die Forderung, ein Diversity-Mainstreaming bei der gesamten Verwaltung einzuführen. Darüber gab es in Berlin bei R2G schon reichlich Ärger, weil dort anstelle nüchterner Qualifikation bei Stellenbesetzungen der Grad der Diversität entscheiden sollte. Die Grünen wollen Quoten für Migranten im Öffentlichen Dienst. Berufsgruppen im Öffentlichen Dienst haben im Berufsranking seit 2007 prozentual ordentlich zugelegt: Polizei plus sieben; Müllabfuhr plus sieben; Beamt(inn) en plus sieben und Lehrer plus sechs. Parallel sank das Ansehen des Staates dramatisch. Forsa fand heraus, dass nur innerhalb eines Jahres die Zahl der
Kommentar
Zurückhaltung der Schwarmintelligenz (BS) Bei der Verwaltungsdigitalisierung kann es der Staat wohl einfach nicht richtig machen. Beredtes Beispiel: der verkorkste Start des digitalen Führerscheinnachweises. Technik: unausgereift, Sicherheit: vernachlässigt, Verwaltung: digital inkompetent – so ätzte die IT- und Security-Community im Netz. Zu Recht? Ja und nein. Den digitalen Führerscheinnachweis hatte das Bundesverkehrsministerium (BMVI) schon im letzten Jahr angekündigt. Dann war lange gar nichts passiert. Bis das Bundeskanzleramt die Idee im Sommer übernommen und in sein Großvorhaben “Ökosystem digitale Identitäten” integriert hat. In drei Monaten wurde ganz im Geiste der agilen Entwicklung ein Produkt auf die Beine gestellt. Wohlgemerkt auf solidem Fundament. Die ID Wallet App des Dienstleisters Digital Enabling GmbH ist eine für die Verwaltung angepasste Open-Source-Lösung. In technisch weitgehend identischer Form ist sie schon seit Monaten erfolgreich in einem Pilotprojekt für den digitalen Hotel-Checkin im Einsatz. Diese Version ist vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik monatelang geprüft und in sicherheitstechnisch verbesserter Form freigegeben worden. Im Kontext des digitalen Führerscheinnachweises war die Lösung dem Nutzeransturm nicht gewachsen. Gescheitert ist der Start jedoch weniger an
der Technik als an der Kommunikation der Beteiligten. Die Projektleitung war eigentlich von einem “Silent Go Live”, also einem unangekündigten Start, und bis zu 120.000 Downloads im ersten Monat ausgegangen. Das BMVI hat dann aber doch die Werbetrommel gerührt. Erfolgreich: In drei Tagen gab es allein 300.000 Downloads und unzählige Supportanfragen – zu viel für IT-Infrastruktur und Dienstleister. Hinzu kamen im Netz kolportierte Sicherheitsbedenken: zu einem Gutteil recht unspezifische Kritiken am technischen Konzept, zum anderen theoretische Angriffsszenarien mit geringer Eintrittswahrscheinlichkeit. Die Bedenken sollen vor einem Neustart der App ausgeräumt werden. Gravierende Sicherheitsprobleme gibt es nach jetzigem Kenntnisstand nicht. Unterm Strich hat die Bundesregierung sicher keine gute Figur abgegeben. Doch das gerne gezeichnete Bild des digital inkompetenten Staates ist reichlich überzogen und kon traproduktiv. In den Augen der
IT-Community kann der Staat es einfach nicht richtig machen. Setzt er auf hohe Reifegrade, wirft man ihm Trägheit vor. Setzt er auf agile Entwicklungsweisen, wirft man ihm Nachlässigkeit vor. Potenzielle Sicherheitsrisiken sollen natürlich öffentlich gemacht werden. Aber nicht um anzuprangern, sondern damit sie geprüft und beseitigt werden. Teile der Security-Community scheinen aber eine destruktive Lust am Scheitern der anderen zu entwickeln und verfestigen mit ihrer Häme Klischees. Der IT-Sicherheit im digitalen Staat und damit den Bürgerinnen und Bürgern wäre mit mehr Miteinander weit mehr geholfen. Das erfordert Zurückhaltung und Fairness im öffentlichen Diskurs. Gefragt ist aber auch die öffentliche Verwaltung. Sie täte gut daran, sich die “Schwarm intelligenz” der Community öfter zunutze zu machen. Und zwar nicht erst, wenn eine digitale Lösung schon in der Welt ist, sondern mit gezielten Gesprächs angeboten und Konsultationen schon in der Konzeptphase. Benjamin Stiebel
Familiengezerre
befragten Bürger, die auf die Handlungsfähigkeit des Staates setzen, von 56 auf 45 Prozent sank. Der Staat ist in einer Vertrauenskrise und die letzten Krisen haben dazu fundamental beigetragen, mehr an eine staatliche Handlungsunfähigkeit als an eine Handlungsfähigkeit zu glauben: Migrationswelle (2015), Terroranschlag Breitscheidplatz (2016), Corona-Durcheinander (ab 2020), Flutkatastrophe mit 180 Toten (2021). Es gibt einen Wunsch der Staatsbeschäftigten, nicht nur mit sich, sondern auch mit dem Staat im Einklang zu sein, und das scheint derzeit mit den Grünen der für viele machbarste Weg. Auch wenn einzelne Berufsgruppen hohe Anerkennung erreichen, als Staatsdiener steht man nach solchen Krisen nicht gut da. Hohe Vertrauenswürdigkeit, starke Handlungskompetenz und Klima-Rettung – Dies scheint der Staat zu sein, den sich seine Diener wünschen.