Behörden Spiegel Januar 2022

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Wehrtechnik

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Behörden Spiegel / Januar 2022

Green Bundeswehr

MELDUNGEN

Brennstoffzellen-Versuchsschiff Sea Change

Vorteile für den militärischen Bereich

(BS/df) Eines der ersten emissi-

lichen Verbrennungsmotor an-

durch eine Wasserstoff-Brennstoffzelle. Das Projekt Sea Change wird von SWITCH Maritime finanziert, einer Investmentfirma, welche aktuell die erste Flotte von emissionsfreien Schiffen mit Elektroantrieb aufbaut. Hinzu kam ein Zuschuss in Höhe von drei Millionen Dollar durch die kalifornische Luftreinhaltungsbehörde (CARB). Das Antriebssystem HybriGen von BAE Systems wurde mit einem Wasserstoff- und Brennstoffzellensystem von Zero Emission Industries und LithiumIonen-Batterien verbunden, um das Schiff ohne einen herkömm-

in Zeiten steigender Preise für fossile Brennstoffe auch finanziell interessant ist. Zudem soll sich die Wartung des Motors mit dieser Lösung reduzieren lassen. “Wir sind bestrebt, unsere Kunden mit äußerst zuverlässigen und flexiblen Systemen, die sich an Land und im Wasser bewährt haben, ihrem Ziel der Zero-Emissionen näher zu bringen”, sagte Steve Trichka, Vice President und General Manager Power & Propulsion Solutions bei BAE Systems. “Dieser historische Meilenstein ist der nächste Schritt auf diesem Weg.”

(BS/Dorothee Frank) Die Bundeswehr ist nicht nur tarngrün, sondern hat durchaus mehrere weitere “grüne” Ansätze, besonders im Bereich der onsfreien Schiffe fährt aktuell in zutreiben. Das vollelektrische Mobilität und des Feldlagerbetriebs. Dies allerdings nicht aus Zeitgeist oder Klimaschutz, sondern aus klaren militärischen Interessen. Schließ- der San Francisco Bay Area: die System macht den Einsatz von lich bieten Elektromotoren gegenüber Verbrennern mehrere Vorteile. Und ein autarkes Feldlager besitzt weniger logistische Herausforderungen. Sea Change. Möglich wird dies Dieselkraftstoff überflüssig, was Die Versorgung mit Energie ist in jedem Auslandseinsatz eine Herausforderung und vor allen Dingen teuer. Schließlich kann nicht alles im Umland beschafft werden, weil sich sonst die einheimische Bevölkerung den Diesel gar nicht mehr leisten könnte. Diesen einzufliegen, ist allerdings nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch nicht ideal. Ein Liter Kraftstoff kann dadurch in der Spitze schon mal über 20 Euro kosten, wenn alle Kostenfaktoren mit eingerechnet werden. Es bietet sich also an, Solar-, Wind- oder Bioenergie zu nutzen, die auch im Einsatzland kostenlos zur Verfügung steht. Dementsprechendes Interesse herrscht in der Bundeswehr an Erneuerbaren Energien. So fiel bereits 2020 an der Wehrtechnischen Dienststelle (WTD) 41 in Trier der Startschuss für das “EnergieCamp”. Hier werden seitdem Technologien zur Nutzung regenerativer Energien in Feldlagern erprobt. Die Ergebnisse fließen direkt in Beschaffungen. Die NATO arbeitet ebenfalls an der Nutzung Erneuerbarer Energien. Hier wurde 2013 ein Smart Energy Team (SENT) eingerichtet, das regelmäßige Berichte erstellt und Treffen bzw. Kongresse organisiert. Eines der Feldlager der Vereinten Nationen in Mali wird bereits seit Jahren mit Solarstrom betrieben. Weltweit wird im Bereich Feldlager “Solar” aktuell bevorzugt eingesetzt oder erforscht. Es lässt sich schnell aufbauen und integrieren, erfordert kaum extra Kapazitäten. Geothermie und Windenergie sind ebenso wie die Nutzung der Biomasse zu abhängig vom Aufbau von Extra-Anlagen und bieten sich dementsprechend nicht flächendeckend an. Während Solarzellen in Zukunft durchaus zum Standard der Feldlager gehören könnten, indem die Zellen beispielsweise direkt bei den Zelten mit enthalten sind.

Versorgung im Einsatzgebiet Eine weitere Herausforderung des autarken Feldlagers stellt die Wasserversorgung dar. Zwar besitzt die Bundeswehr Trinkwasseraufbereitungsanlagen, diese lassen sich allerdings im Friedensbetrieb nicht überall einsetzen. Beispielsweise in Mali besteht das Risiko, dass

Neues, integriertes Visier

Der Genesis von FFG besitzt einen Hybridantrieb.

der Grundwasserspiegel zu sehr absinkt, wenn die Bundeswehr dort das Wasser direkt vor Ort anzapft. Dann stünde die einheimische Bevölkerung ohne Wasser da. Als Alternative wurde deshalb in Mali das Trinkwasser durch einen örtlichen Händler bezogen. Als dieser allerdings ausfiel bzw. sein Wasser nicht mehr den deutschen Hygieneregeln entsprach, musste das Wasser in Flaschen aus Deutschland eingeflogen werden. Da Deutschland für die Trinkwasserversorgung aller Einheiten zuständig war, kamen hier eine ganze Menge Flaschen und Flüge zusammen. Dieses Problem wird sich allerdings kaum lösen lassen, da sich die Feldlager in den Einsatzgebieten meistens dort befinden, wo normalerweise keine Menschen leben. Dass dort keine Menschen leben, hat allerdings meistens einen Grund und diesen Grund muss die Bundeswehr dann ausgleichen.

Elektroantrieb Ebenfalls interessant sind Elektroantriebe für Fahrzeuge. Als Vorteile bieten sie lautloses Fahren, tatsächlich stille Silent Watch sowie die Fähigkeit, direkt beim Start über 100 Prozent Energie bzw. Geschwindigkeit zu verfügen. Ein reiner Elektroantrieb bietet sich aufgrund der Unvorhersehbarkeit der Einsätze aktuell zwar noch nicht an,

Hybrid-Fahrzeugen gehört aber sicherlich die Zukunft, auch im militärischen Bereich. Das Unternehmen FFG Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft mbH (FFG) entwickelte vor wenigen Jahren den HybridPanzer “Genesis”. Der komplett eigenentwickelte 8x8-Radpanzer orientiert sich mit seinem modularen Aufbau am Boxer, bietet allerdings mehrere Vorteile. “Anders als bei Verbrennungsmotoren steht bei elektrischen Antrieben jederzeit das volle Drehmoment zur Verfügung, was in schwierigem Gelände oder für kurzfristig notwendige Beschleunigungen sehr vorteilhaft ist”, beschreibt das Unternehmen. Und ergänzt: “Im reinen E-Betrieb erlaubt das hybride, dieselelektrische Energiekonzept nahezu geräuschlose Fortbewegung oder auch den Betrieb der Bordsysteme für Aufklärung und Kommunikation, ohne dass ein Verbrennungsmotor dafür laufen muss (Silent Watch). In bestimmten Temperaturbereichen verursachen lediglich die Lüfter des Kühlsystems oder die Reifen Geräuschemissionen. Diese sind aber im Vergleich zu herkömmlichen Antrieben gering. Das Energiesystem des Genesis kann ebenfalls dazu genutzt werden, elektrische Energie im stationären Feldlagerbetrieb für andere Verbraucher bereitzustellen.” Andere Nationen forschen eben-

Foto: BS/FFG

falls in diese Richtung, vor allem unbemannte Systeme kommen vermehrt mit Elektromotoren auf den Markt. So zeigte General Dynamics im Oktober vergangenen Jahres auf der AUSA seinen neuen “Tracked Robot 10-Ton” (TRX). Zu den genutzten Technologien dieses unbemannten Systems gehören Künstliche Intelligenz, neue leichte Materialien sowie ein Hybrid-Elektroantrieb. Großbritannien und Kanada haben bereits die unbemannten Systeme Mission Master SP von Rheinmetall Canada eingeführt. Diese besitzen die Dimension ähnlich einem Pkw, eine Payload von 600 kg, eine Reichweite bis maximal 180 km und einen Elektroantrieb.

Weltweite Entwicklung Wie diese Beispiele zeigen, bewegt sich die Bundeswehr Richtung Green Energy. Der Diesel ist zwar noch der meistgenutzte Energieträger, dies wandelt sich allerdings aufgrund der besseren Nutzbarkeit Erneuerbarer Energien. In der Mobilität bieten hybride Antriebe zudem Vorteile, reine Elektromotoren sind allerdings in naher Zukunft nur bei der BwFuhrpark und kaum im Einsatz denkbar. Allerdings macht auch hier die Entwicklung rasante Fortschritte, sodass die nächste Generation Kampfpanzer durchaus ein E im Namen tragen könnte.

Nukleare Teilhabe und bewaffnete Drohnen Entscheidung soll bald fallen (BS/df) Bundeskanzler Olaf Scholz und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht haben sich Berichten zufolge über das weitere Vorgehen bei den beiden Rüstungsprojekten zur Tornado-Nachfolge und der Bewaffnung von Drohnen geeinigt. Die Tornado-Nachfolge soll dabei auf jeden Fall amerikanischen Ursprungs sein. In ihrem ersten Interview mit der Bild-Zeitung hatte Ministerin Lambrecht zur Tornado-Nachfolge noch gesagt: “Ich werde alle Optionen abwägen. Beim Eurofighter müssen wir klären, ob und wie schnell ihn die USA für atomare Waffen zertifizieren würden. Wir tun gut daran, auch eine europäische Lösung ganz konsequent zu prüfen.” Diese Prüfung fiel anscheinend negativ aus, was wenig erstaunt, da die USA größten Wert auf die Sicherheit aller mit ihren Atomwaffen verbundenen Systeme legen.

Bedingungen für amerikanische Integration Ohne eine komplette Offenlegung und Prüfung jedes einzelnen Elements, Software wie Hardware, der Eurofighter sowie den anschließenden Einbau der weiteren notwendigen Technolo-

gien durch die oder in Begleitung der USA wird kein Flugzeug zu einem Atomwaffenträger. Selbst wenn die Bereitschaft zur Offenlegung des gesamten Eurofighters bestanden hätte, wäre eine solche Anpassung sehr teuer geworden. Von Experten aus Bundeswehrkreisen war von einem Betrag um eine Milliarde Euro zu hören, nur um die Eurofighter für die nukleare Teilhabe zu befähigen. Es soll allerdings geprüft werden, ob der Eurofighter die Rolle des Elektronischen Kampfes vom Tornado übernehmen kann. Dies ließe sich sogar in Kooperation mit den anderen europäischen Eurofighter-Nutzern realisieren.

Bewaffnung der Drohnen Das zweite heiße Eisen, das anscheinend bald über die Zielgerade gebracht werden soll, ist die Bewaffnung von Drohnen.

Die ersten beiden Beschaffungsversuche von bewaffneten Drohnen waren 2017 und 2021 am Widerstand der SPD gescheitert. Nun gibt ein SPD-Kanzler die Zustimmung. Es handelt sich um die Drohne Heron TP, die als Waffenträger vorgesehen ist. Ursprünglich hatte die Luftwaffe die amerikanische Drohne Predator gefordert, die von den USA bereits mehrfach erfolgreich bewaffnet zum Einsatz kam. Sie wurde für den Kampf konzipiert, mit entsprechenden Flugeigenschaften. Die israelischen Heron-Drohnen sind hingegen Aufklärungsflugzeuge, mit ebenfalls den entsprechenden Flugeigenschaften. Selbstverständlich kann man als Payload unter jedes Flugzeug oder fliegende System Waffen oder Bomben packen, auch unter Segelflieger oder Aufklärungsdrohnen. Nur

besser wären natürlich Kampfflugzeuge.

Das bessere System? Dass von dem Predator zugunsten der Heron abgewichen wurde, war bereits 2017 ein Zugeständnis an die politischen Zweifler. Schließlich haben die USA ihre Predators mehrfach erfolgreich eingesetzt, unter anderem gegen Osama bin Laden. Ob diese Einsätze völkerrechtswidrig waren, mag diskutiert werden. Dass die Amerikaner hierbei die am besten geeignete Technologie einsetzten und der Predator seine militärischen Fähigkeiten erfolgreich beweisen konnte, steht hingegen außer Frage. So wird die Bundeswehr mit der bewaffneten Heron TP zwar ein sehr gutes, aber nicht das am besten geeignete System erhalten. Aus politischen Gründen.

(BS/df) Thales stellte im Dezember sein neues Visier mit Zielenttarnungsfähigkeiten sowohl für Tag- als auch NachtEinsätze namens XTRAIM vor. Dieses erfüllt in einem System mehrere Funktionen, die vorher nur unter Einsatz mehrerer separater Ausrüstungsteile realisiert werden konnten. XTRAIM soll mit allen schultergestützten Sturmgewehren (z. B. HK416) sowie leichten Maschinengewehren (FN Minimi) kompatibel sein und über eine sehr gute Präzisions-Nachtschussfähigkeit verfügen. Das System wurde in enger Zusammenarbeit mit den Anwendern entwickelt, um sicherzustellen, dass Design und Funktion den operativen Anforderungen entsprechen. Das neue Visier bietet entscheidende Vorteile in konventionellen und asymmetrisch geprägten Gefechtssituationen: Es wiegt weniger als 530 g (einschließlich der Batterien) und ist mindestens 70 mm kürzer als die üblichen alternativen Lösungen. Es entlastet und verbessert somit die Beweglichkeit und Ausdauer der Soldaten. XTRAIM ist ein vollständig integriertes Visier, das ein Leuchtpunkt-Reflexvisier mit Wärmebildtechnik vereint, um Ziele vor einem Hintergrund hervorzuheben (Enttarnungsfunktion). Das

Der “Tesla Tender”

(BS/df) Eine besondere Idee aus der Bundeswehr für die Bundeswehr wird aktuell bei der Deutschen Marine umgesetzt: Der Tesla Tender. Fregattenkapitän Volker Voß hatte die Idee von Software, die ein vollständiges taktisch-operatives Lagebild digital darstellen kann. Knapp zehn Jahre trieb er seine Idee voran, die nun mithilfe der Marine und des Cyber Innovation Hubs der Bundeswehr (CIHBw) in die Umsetzung geht. “Das System von Voß nennt sich MESE (Militärische erweiterbare Software-Entwicklung). Die Brücke wird dadurch digital. Ein großer Fortschritt für die TenderBesatzung. Denn der Tender ist nicht mit allen Systemen, die unter anderem auf einer Fregatte integriert sind, ausgestattet. So fehlt diesem Schiff ein Führungsund Waffeneinsatzsystem. Ein vollständiges taktisch-operatives Lagebild gibt es somit nicht”, erläutert die Bundeswehr. Der erste der sechs Tender der ElbeKlasse wurde 1993 in Dienst gestellt, also in jenem Jahr, in dem der erste grafikfähige Webbrowser (Mosaic) veröffentlicht wurde und das Internet wirklich nutzbar machte. Analoge Folien, Karten und Stifte sowie großvolumige und komplex zu nutzende Bedienkonsolen gehörten dementsprechend zum Standard auf den Schiffen. “Vom ersten Kennenlernen zwischen Voß und dem CIHBw bis

sehr helle Fadenkreuz im Visier ermöglicht die Identifizierung und Bekämpfung von Zielen auch in sehr hellen Umgebungen (zum Beispiel bei direktem Sonnenlicht). Für Einsätze bei Nacht ist XTRAIM mit allen Arten von Nachtsichtbrillen kompatibel. Bei dieser Konstellation werden Bilder aus der Nachtsichtbrille mit den Infrarotbildern des Waffenvisiers übereinandergelegt. Infolgedessen entsteht ein Fusionsbild, dass optisch getarnte Personen oder Gegenstände, die mit Restlichtverstärkertechnik oft erst auf kurze Distanz erkannt werden, sofort sichtbar macht. Ziele können so auch bei schlechten Licht- und Sichtverhältnissen frühzeitig enttarnt und bekämpft werden. Christophe Salomon, Executive Vice President, Land and Air Systems, Thales, sagte: “Die herausragende Kompetenz in den Bereichen Optik, Elektronik und Mechanik der Teams aus SaintHéand, Thales‘ globalem Kompetenzzentrum für den Bereich Optronik für Soldaten, hat die Entwicklung einer Lösung mit allen heutzutage verfügbaren operativen Möglichkeiten ermöglicht – mit unseren Kunden, für unsere Kunden. XTRAIM ist nichts Geringeres als eine Revolution für die Streitkräfte.”

zum Einbau auf dem Tender Mosel dauerte es knapp ein Jahr. Vorher wurde das System bereits auf anderen Schiffen getestet”, beschreibt die Bundeswehr. Dabei seien die Systeme aber immer nur temporär im Einsatz gewesen. Auf dem Tender Mosel soll das System dauerhaft bleiben. “Der Einbau im Dezember war der Startschuss. Die Software ist installiert, Kabel und Anschlüsse sind angepasst”, berichtet die Bundeswehr. “Für die Crew gab es mittels einer Simulationssoftware einen ersten Eindruck, was mit dem System möglich ist. Anfangs ist die Besatzung skeptisch gewesen. Nach den ersten Demonstrationen ist die Begeisterung dafür umso größer gewesen.” Auf einem Laptop oder ähnlichem kann nun das Lagebild digital dargestellt werden, inklusive aller Daten von den Sensoren des Schiffes. Die Übertragung findet per WLAN oder Kabel statt, je nachdem, welche Sicherheitsanforderungen gestellt werden. Das von einem Soldaten für die Bundeswehr entwickelte System ist also reif genug, um zum Standard für die gesamte Marine werden zu können. Aktuell findet die Nutzeranpassung auf dem Einsatzgruppenversorger Berlin statt. Prinzipiell soll die Software in allen Bereichen der Bundeswehr einsetzbar sein, auch in den fliegenden und den Landsystemen.


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