Berner kulturagenda 2010 N° 33

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N°33 Donnerstag bis Mittwoch 19. bis 25.8.2010 www.kulturagenda.be

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Das integrative Festival Säbeli Bum wartet im Lorrainebad mit einem Theater und Konzerten auf

Das Duo Schlatter/Frey macht «Drama» in der Cappella

Unter der Leitung des Vereins Frei_Raum haben Nichtbehinderte und Behinderte für das Säbeli-Bum-Festival gemeinsam ein Theater einstudiert, Dekorationen gebastelt, ein Verpflegungungsangebot ausgetüftelt und sich als DJ geübt.

Wenn Komödianten plötzlich Tragödien spielen: Patrick Frey und Beat Schlatter verkörpern in «Das Drama» zwei Volksschauspieler, die endlich ihre ernste Seite präsentieren wollen.

Wo Glücksmomente entstehen

Fertig lustig!

Eine ausgefallene Besatzung aus Freaks, Stars und Künstlern kapert am Samstag das Lorrainebad. Bereits zum zweiten Mal findet dort das Theater- und Musikfestival Säbeli Bum statt – organisiert von Menschen mit und ohne geistige Behinderung.

Festival tritt die Hora’Band zusammen mit der Singer/Songwriterin Nadja Zela und dem Schlagzeuger Fisch auf.

Das Komikerduo Beat Schlatter und Patrick Frey zeigt in der Cappella «Das Drama». Was passiert, wenn ein Komödienschauspieler nicht mehr lustig sein will? Er stürzt sich in eine Tragödie – und das Publikum lacht trotzdem.

Kürzlich wurde die letzte Episode der Sendereihe «Üsi Badi» des Schweizer Fernsehens SF ausgestrahlt. Sieben Wochen lang durfte das Fernsehpublikum am Alltag von sechs Menschen mit geistiger Behinderung teilhaben, die den Sommer durch in einem Strandbad lebten und arbeiteten. Es war eine Reise in eine unbekannte Welt, die aber eigentlich ganz nah bei der eigenen liegt. Nun haben auch wir mit Säbeli Bum «üsi Badi», genauer gesagt das Lorrainebad. Nichtbehinderte und Behinderte führen dort gemeinsam ein Theater- und Musikfestival durch.

Nummern gemacht», erzählt Bucher, die gemeinsam mit Meike Schmitz die Theaterproduktion leitet. Das Ergebnis sei «eine freakige Show, bei der jeder zum Star wird». Bis es allerdings soweit war, mussten die beiden viel Geduld auf bringen. «Wer mit Behinderten Zeit verbringt, der entdeckt die Langsamkeit», sagt Bucher. Alles dauere viel länger. Immer wieder müsse man Pausen einlegen und lernen, dieser Langsamkeit nachzugeben. «Gleichzeitig gibt es aber auch Momente, da passiert unglaublich viel, da bekommt man richtig Gänsehaut».

Es ist wohl das Schicksal eines jeden Spassmachers: Irgendwann wird man einfach nicht mehr ernst genommen. Und jeder Versuch, ganz ernsthaft zu sein, scheitert kläglich am Gelächter des Publikums. Patrick Frey und Beat Schlatter, ein Star-Duo des Schweizer Komikerhimmels, verkörpern in ihrem neuen Stück «Das Drama» zwei Komödianten, die sich an eine Tragödie wagen.

Kunst im sozialen Rahmen Die Idee für dieses Festival kommt vom Verein Frei_Raum, der sich aus rund 20 jungen Menschen zusammensetzt. Der Name ist Programm. Der Verein möchte einen kulturellen Freiraum schaffen, indem ganz unterschiedliche Ideen Platz haben. Eine Vorgabe gibt es aber: «Neben der Kunst muss immer ein sozialer Rahmen gegeben sein», sagt Vereinspräsidentin Rahel Bucher – so wie beim Säbeli Bum. In einem Ferienlager haben 15 Menschen mit geistiger Behinderung, sechs Jugendliche und ein Betreuungsteam dieses Festival vorbereitet. Gemeinsam schrieben sie Beiträge für das Programmheft, bastelten Dekorationstiere, machten Crêpes und spielten Theater. «Hei mr eigentlich aui ä flöige?» heisst das Stück, das am Säbeli Bum aufgeführt wird. «Alle haben etwas mitgebracht: die Lieblingsmusik, ein Erinnerungsstück oder ein Instrument. Daraus haben wir dann verschiedene

Authentisch und ehrlich Gänsehaut löst auch die Hora’Band aus, die am Säbeli Bum einen Gastauftritt hat. Vor sechs Jahren wurde sie im Umfeld des Theaters Hora in Zürich gegründet und besteht aus sieben Menschen mit und ohne Behinderung. Wo die Band ihr Equipment auspackt und zu spielen beginnt, schart sich das Publikum um sie. «Die Leute finden, unsere Musik mache glücklich», sagt ihr musikalischer Leiter Roli Strobel. Den Erfolg der Band erklärt er sich so: «Wir sind authentisch, ehrlich und spielen nur, was zu uns passt». Deshalb lasse sich auch ihr Musikstil nicht festnageln. «Unser einziges Vorbild sind wir selbst und so geraten wir immer wieder in neue Ecken», erklärt Strobel. Jeder Einzelne bringt etwas mit rein. Da ist etwa die Sängerin Denise Wick Ross mit ihrer Vorliebe für amerikanische Volksmusik. Oder Sandra Grande, die ebenfalls singt und auf Michael Jackson abfährt. Am Säbeli-Bum-

Kaum Lampenfieber Neben den Zürchern stehen der Rapper Greis und die Kummerbuben auf dem Programm. Alle seien «mega aufgeregt», die Berner Musiker kennenzulernen, erzählt Rahel Bucher. Schon im Lager hätten diese Bands viel zu reden gegeben. Und wie sieht man dem eigenen Auftritt auf der Theaterbühne entgegen? «Lampenfieber ist individuell», sagt Bucher. Doch meist gingen geistig behinderte Menschen unbefangen an eine Sache heran. Sie seien mutig und hätten ein unglaubliches Vertrauen. «Und sie brauchen das Publikum, ja sie lieben das Rampenlicht». Michelle Schwarzenbach

Das Programm Das Theater- und Musikfestival Säbeli Bum wartet mit vielen Highlights auf. Die erste Attraktion ist das Theater «Hei mr eigentlich aui ä flöige?» vom Verein Frei_Raum (14 Uhr), es folgt der Auftritt der Hora’Band mit Nadja Zela und Fisch (15 Uhr). Schliesslich heizt Greis mit erstklassigem Rap ein (16.45 Uhr) und die Kummerbuben spielen längst vergessene Schweizer Volkslieder (18.45 Uhr). \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\

Lorrainebad, Bern Sa., 21.8., 13–21 Uhr Bei schlechtem Wetter findet das Festival in der Grossen Halle der Reitschule Bern statt. www.freiraumkultur.ch

Romeo und Julio Balz (Beat Schlatter) hat genug! Sein Leben lang spielt er in Komödien und muss das Publikum zum Lachen bringen. Überall wo er hingeht, machen die Leute blöde Witze. Am Schlimmsten ist jedoch, dass ihm seine Mutter testamentarisch verboten hat, an ihrer Beerdigung zu sprechen. Sie befürchtet, dass alle lachen werden. Bei der Probe zum neuen Lustspiel «Rock ufe, Hose abe» überzeugt Balz deshalb seinen Partner und Vollblutkomödianten Hugo (Patrick Frey), endlich mal ein Drama aufzuführen. Dumm ist nur, dass das tragische Stück von einem bisexuellen Ritter und einem schwulen Knappen handelt. Wenn Romeo und Julio in Ritterrüstungen eine Sexszene zu spielen versuchen, bleibt im Zuschauerraum kein Auge trocken. Ein harter Schlag für Balz, der einmal mehr zum Kasper wird. Garderobenwein Das Stück stammt aus der Feder von Frey und Schlatter. Kennengelernt haben sie sich vor 25 Jahren auf einer Theaterprobe. «Wir teilten uns damals

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eine Garderobe. Ich war mausarm und Patrick hatte teuren Wein dabei, den er mir anbot. So bekam ich Lust, auch weitere Projekte mit ihm zu machen», scherzt Beat Schlatter. Ein Vierteljahrhundert später spielt der Wein keine Rolle mehr, wenn das Erfolgsduo ein neues Projekt anpackt. Verstärkung erhalten sie diesmal von Katja Früh. Die beiden kennen die Regisseurin aus «Lüthi & Blanc», der ehemaligen Seifenoper des Schweizer Fernsehens. Katja Früh schrieb damals die Texte für Frey und Schlatter alias Kurt und Willi. Welch Tragödie Es liegt auf der Hand, bei manchen Elementen des «Dramas» an eine persiflierte Autobiographie zu denken. Auch Frey und Schlatter sehnen sich von Zeit zu Zeit nach ernsthaften Rollen, um nicht als Clowns abgestempelt zu werden. Doch oft liegen Humor und Tragik sehr nah beieinander: «Im ‹Drama› sind die tragischsten und lustigsten Momente meistens die gleichen», gesteht Schlatter lachend. Wenn Romeo und Julio es nicht schafften, sich in den klobigen Ritterrüstungen zu küssen, sei das für sie ein schwerwiegendes Problem. Das Publikum findet die Szene dagegen zum Schreien komisch. Dem Gelächter zum Trotz sind am Schluss alle tot – wie es sich für ein echtes Drama gehört.

Magdalena Nadolska \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\

La Cappella, Bern Mi., 25.8., bis So., 29.8., 20 Uhr www.la-cappella.ch


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