Berner kulturagenda 2014 N° 36

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N°36 Donnerstag bis Mittwoch 4. bis 10.9.2014 www.kulturagenda.be

DIE BERNER KULTURAGENDA SAGT DIR, WOS L ANGGEHT, WENNS AUSGEHT!

Mord und Totschlag 1: Nicole Bachmann schickt ihre Lou Beck in die dritte Berner Ermittlung. Seite 3

2014, Pro Litteris, Zürich

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Mord und Totschlag 2: Um mit der Finsternis der menschlichen Natur fertig zu werden, bringt Volker Hesse die «Ilias» auf die Bühne.

Unsichtbar aber mit Wirkung: George Steinmann behandelt eine Wand der Berner Kläranlage ara mit Quellwasser.

Kunst mit Nebenwirkungen Blau-violett eingefärbte Blätter mit Notizen und Skizzen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Ausstellung «Call and Response. George Steinmann im Dialog» im Kunstmuseum Thun. Es ist der Saft von Heidelbeeren, der für diese kunstvollen Verfärbungen verantwortlich ist. Steinmann ist aber nicht aus rein ästhetischen Gründen auf das unkonventionelle Farbmittel gekommen. Die Beere wurde früher zur Stärkung der Sehkraft eingesetzt. Steinmann sieht darin eine Metapher: «Unsere Gesellschaft befindet sich in einer Wahrnehmungskrise.» Um rein formal-ästhetische Kriterien geht es dem 64-Jährigen in seiner Kunst so oder so nicht. Zentrale Themen sind vielmehr Biodiversität, die Bedrohung indigener Völker oder der Klimawandel.

Die Werkschau in Thun ähnelt auch eher dem Labor eines eigenwilligen Forschers oder akribischen Sammlers. Mineralwasser in der Kläranlage Zehn Jahre investierte Steinmann in «Komi. A growing Sculpture». Die Arbeit befasst sich mit der Taiga in der russischen Republik Komi, einem der letzten grossen Urwälder Europas. In enger Zusammenarbeit mit den Einheimischen und verschiedenen Organisationen sammelte er Geschichten und altes Wissen. Die aus dieser langen Recherche entstandene «Skulptur» ist ein Zentrum für nachhaltige Forstwirtschaft, das Steinmann in Komi aufgebaut hat. Die Idee von Kunst am Bau neu interpretiert hat der Konzeptkünstler, der seit 1979 aktiv ist, im Auftragswerk der

Berner Kläranlage ara. «Kunst ohne Werk aber mit Wirkung» heisst seine Kunstintervention, die für die Besucherin, den Besucher unsichtbar bleibt. Für den Neubau des Dienstgebäudes mischte Steinmann den Bausubstanzen Wasser aus Unterengadiner Mineralheilquellen bei. Zudem gründete er einen «Wasserbeirat», der zwei Jahre lang über Wasserproblematiken diskutierte. Auf einem langen Tischgestell ist die Arbeit dokumentiert. Das eigentliche Resultat findet sich in Form einer Visitenkarte: Der Künstler wurde von der ara zum Wasserbotschafter ernannt. Interkultureller Dialog als Notwendigkeit Das Privileg der Einzelausstellung teilt Steinmann mit eingeladenen Kunstschaffenden aus Kirgistan, den USA und Deutschland. «Der interkulturelle Dialog ist die wichtigste Notwendigkeit in unserem Jahrhundert», hält er fest. So arbeitet er regelmässig mit Wissenschaftlern, Philosophen und Architek-

ten zusammen. «Die Arbeit mit Menschen, die ein anderes Wissen haben, ist befruchtend. Und Kunst ist ja genauso eine Form des Wissens.» «Mittendrin am Rande» heisst ein noch unvollendetes Projekt, das ebenfalls in Thun vorgestellt wird. Auf der Insel Vilm vor Rügen, einem Naturschutzgebiet und Sitz der Internationalen Naturschutzakademie des Deutschen Bundesamtes für Naturschutz, entsteht ein Gebäude, das als Ort der Kontemplation für die Forschenden dienen soll. Hier, findet Steinmann, nimmt die viel beschworene Nachhaltigkeit konkrete Formen an: «Was ist nachhaltiger, als ein Gebäude zu schaffen, in dem über die Zukunft unseres Planeten nachgedacht wird?» Sarah Sartorius \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\

Kunstmuseum Thun Vernissage: Fr., 5.9., 18.30 Uhr Ausstellung bis 23.11. www.kunstmuseumthun.ch

«Yeah, Wissenschaft!»

Walter «Wale» Däpp war jahrelang Journalist beim «Bund», mit einer Vorliebe für poetisch erzählte Reportagen. Mit seinen «Morgengeschichten» ist er regelmässig auf SRF1 zu hören. Jetzt tritt er zum ersten Mal gemeinsam mit seinem Bruder, dem Satiriker Heinz «Hene» Däpp in der Cappella auf (Mi., 10.9. und Di., 16.9., 20 Uhr).

2. Guy Krneta & Neue Rosen für Louis «Rosa loui. Kurt Marti, vertont und fortgeschrieben» in der Ka-We-De, Bern (So., 7. 9. 11 Uhr) Weil es mich freut, dass Kulturschaffende sich keck ans Werk des grossen Berner Schriftstellers heranmachen.

beansprucht habe. «Yeah, Wissenschaft!», hätten viele auf seine Anfrage ausgerufen und sich auf das Wagnis eingelassen – so etwa die international tätige Berner Feuerflüstererin Zora Vipera oder der Schlagzeuger Julian Sartorius. Fischer sieht seinen Anlass auch als ein vergnügliches Einstimmen auf die Nacht der Forschung, die einen Tag später stattfindet. Milena Krstic

3. Kulturfestival «Emmental und die Weite Welt» in Huttwil (Fr., 5. und Sa., 6. 9.) Jede Veranstaltung ist bedeutsam, die daran erinnert, dass die Schweiz zur Welt gehört.

ZVG

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Bundesplatz, Naturhistorisches Museum und Club Bonsoir, Bern Do., 4. und Fr., 5.9. www.madscientist-festival.ch

von Walter Däpp

1. 10-Jahre-Progr-Fest, Bern (Do., 4. bis So., 7. 9.) Hier drückte ich vor einem halben Jahrhundert die Schulbank – heute freut mich die grossartige Kulturwerkstatt.

Ein aufregendes Experiment: Das neu lancierte Mad Scientist Festival füllt Kunst und Wissenschaft ins selbe Reagenzglas. Das Resultat? Tänze auf dem wissenschaftlichen Parkett. Wissenschaft und Kunst, das passt doch gar nicht zusammen. Trotzdem hat der Berner Journalist Roland Fischer einen Verkuppelungsversuch gestartet und das Mad Scientist Festival auf die Beine gestellt. Zwei Tage lang finden an drei verschiedenen Standorten Experimente der lustvollen Art statt: Ein neuro-chemisches Variété etwa, ein performancekünstlerischer «Kommentar zum biologischen Paarungsverhalten» und die Joiz-Moderatorin Gülsha Adilji vertont Tierfilme. Für das erste Festival konnte Fischer illustre Gäste aus allen Sparten begeistern, was kaum Überzeugungsarbeit

3 Kulturtipps

Fritz Berger

Nachhaltige Kunst im Dialog mit Wissenschaft und Philosophie: Im Kunstmuseum Thun ist die Werkschau «Call and Response» von George Steinmann zu sehen.

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Heizt den Wissenschaftlern ein: Zora Vipera.

Ich würde Freunde nach Huttwil mitnehmen, … … weil der Kulturtrip nach Huttwil ja zusätzlich zum vergnüglichen Naturtrip werden könnte – etwa mit der Pilzsuche im Huttwil- oder Chalteneggwald.


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