Simon Ho tourt mit Travesías und kubanischer Verstärkung durch Bern und Umgebung
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Der Berner Komponist und Pianist Simon Hostettler umfasst in seinem Werk eine ungeheure Bandbreite. Dementsprechend kann sich der Globetrotter auch auf der ganzen Welt einrichten, etwa wie im Bild backstage vor einem Auftritt im Teatro Nacional in Havanna.
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N°36 Donnerstag bis Mittwoch 9. bis 15.9.2010 www.kulturagenda.be
An der «Soirée graphique» trifft sich die Grafikdesignszene Zum ersten Mal sind an der «Soirée graphique» auch Fotoarbeiten zu sehen. Anoush Abrar und Aimée Hoving inszenierten in ihrem Werk ein Plakat von Martin Woodtli neu.
Ein Weltreisender hält sich auf Trab Sagmeister in Bern «Über 25 Jahre lang eine Band zu haben wie Henk Hofstede, ich glaube, ich könnte das gar nicht», sagt Simon Hostettler, «ich mache zu viele verschiedene Dinge.» Einen immer noch verhältnismässig bescheidenen Einblick in sein Schaffen kann und konnte man aktuell in Bern erleben. Als vor zwei Wochen Patent Ochsner und das Berner Symphonieorchester zusammen auf dem Bundesplatz spielten, stammten die Arrangements dazu von Hostettler. «Ein spannender Auftrag», sagt der Komponist, der auch regelmässig Theater- und Filmmusik schreibt. Anschliessend war er unter dem Titel «Spoon River Project» mit seinem Ho Orchestra unterwegs. Das ist eine Art Band mit gehobenem Anspruch, in der auch Nits-Mastermind Henk Hofstede mitwirkt. Und nun tritt Hostettler, kurz Ho genannt, mit einem weiteren seiner Projekte auf: Travesías. Das multinationale Sextett, dessen Mitglieder aus drei Kontinenten stammen, gründete Ho vor drei Jahren unter anderem mit Lorenz Hasler von den Salonisti. Anders aufgeladen «Im Moment lebe ich persönlich mitten in Travesías, in Übergängen», erklärt Ho. Vor drei Jahren begann er damit, Texte südamerikanischer Dichter zu vertonen rund um die Themen Heimat, Immigration, Emigration, «um das Unterwegssein an einem Ort, an dem man nicht geboren wurde», wie er es zusammenfasst. Kurz und gut: Travesías ist Name und Programm zugleich und dreht sich um ein zentrales Element im Leben von Simon Ho.
Nachdem der Komponist eine Zeit lang in New York gelebt und gearbeitet hatte, kehrte er nach Bern zurück. «Ich merkte aber schnell, dass ich in einer Stadt leben muss, die mich anders auflädt als Bern.» Hier wäre er zu sehr zur Ruhe gekommen, und das wolle er im Moment überhaupt nicht. Der Kontakt zur Heimatstadt reisse deswegen nicht ab: «Ich habe ja trotzdem Aufträge hier, Konzerte, Familie, und Freunde.» Auf der Suche nach einer neuen Bleibe wurde Ho in Brüssel fündig. Ursprünglich habe er an Paris, Amsterdam oder Berlin gedacht. Doch in den ersten beiden Städten, in denen er jeweils mit Musikern zusammenarbeitet, konnte er die Mieten nicht bezahlen. Auf die Einladung eines Freundes, der in der Hauptstadt Belgiens lebt, reiste er deshalb nach Brüssel und schwärmt: «Ich mietete eine Wohnung, die ich mir in Bern nie leisten könnte.» Brüche für die Schönheit Doch Brüssel bietet mehr als günstigen Wohnraum. Er sei ein Nobody dort, das halte ihn auf Trab. Ausserdem sei die Stadt geografisch günstig gelegen, verfüge über eine grosse Kulturszene und sei multikulturell: «In gewissen Vierteln hat man das Gefühl, in Marokko zu sein oder im Kongo. Überhaupt ist Brüssel voller Brüche. Du gehst um eine Ecke und stehst einer komplett anderen Architektur gegenüber. Solche Brüche brauche ich, damit ich schöne Musik komponieren kann. Wenn alles rundherum schön ist, wird meine Musik kantiger – man braucht doch einen Kontrast», sagt Ho und lacht.
Das mit der schönen Musik darf man übrigens ernst nehmen. Das Faszinierende an Hostettlers Kompositionen ist, wie sich in seiner Handschrift die Stile vermischen: Ein Bauchgefühl für Pop grundiert oft die Arbeiten, in denen sich die Offenheit des Jazz für Experimente und das ausgefeilte Handwerk der Klassik spiegeln. Er komme, vielleicht liegt darin ein Schlüssel zu seiner Musik, beim Reisen auf andere Gedanken. Plötzlich relativiere sich, was zuvor in Stein gemeisselt schien. Aufwand zahlt sich aus So ist die Offenheit des Reisenden bei Ho Programm. Über Amparo del Riego, die kubanische Cellistin von Travesías, ergab sich die Zusammenarbeit mit einer dortigen Musik-Sekundarklasse. Nach drei Konzerten in Kuba bringt man die vierzigköpfige Klasse nun für zehn Auftritte in die Schweiz. Mit zusätzlichen Streichern, Holz- und Blechbläsern, einer Rhythmusgruppe und einem Chor interpretiert das Sextett seine Lieder, die ursprünglich als Kammermusik mit Folklore-Einfluss entstanden. «Natürlich bedingt mein Leben mehr Aufwand», erklärt Ho, «aber das hat sich für mich immer ausgezahlt. In Kuba hat mich zum Beispiel der kulturelle Background der Jungen sehr beeindruckt. Bei uns muss man eher aufpassen, dass er der jungen Generation nicht verloren geht.» Silvano Cerutti
Zum dritten Mal veranstaltet die Werbeagentur cosmic in ihren Räumen an der Aare die «Soirée graphique». Dieses Jahr gastiert mit Stefan Sagmeister aus New York ein ganz Grosser der Szene an der Grafikdesignveranstaltung. «Man kann unsere Werbeagentur mit einem Jazzkeller vergleichen, in dem einmal pro Jahr Miles Davies spielt», erklärt Thom Pfister, Creative Director bei cosmic. Seit 2008 verwandelt sich die Werbeagentur an einem Abend im Jahr in einen Ausstellungsraum. Das Büro wird ausgeräumt, Schreibtische und Computer machen Platz für alles, was Rang und Namen hat im Grafikdesign. Die Plakatausstellung gibt Einblick in das aktuelle Schaffen. Berühmt durch die Rolling Stones Heuer wirds mit dem Headliner Stefan Sagmeister aus New York international. Mit ihm dürfte die «Soirée graphique» auch ausserhalb der Grafikdesignszene und ausserhalb Berns für Aufmerksamkeit sorgen. Gehört er doch zu den ganz Grossen seines Metiers. Nach seiner Ausbildung zog es den gebürtigen
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• Münster, Bern. Fr., 10.9., 10 Uhr • Aula Gymnasium Kirchenfeld, Bern Mo., 13.9., 17 Uhr • Grosse Halle, Reitschule, Bern Mi., 15.9., 20 Uhr Weitere Daten unter www.travesias.ch Die Kulturagenda verlost Tickets für den Auftritt in der Reitschule.
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Der Berner Komponist Simon Hostettler lebt zwar in Brüssel, momentan ist er in seiner Heimatstadt aber sehr präsent. Porträt eines Grenzgängers im wörtlichen und im übertragenen Sinn.
Provokativ: Arbeit von Stefan Sagmeister
Österreicher in die weite Welt hinaus. In New York eröffnete er schliesslich ein eigenes Grafikbüro. Musik machte Sagmeister berühmt. Sein Können ziert etwa Plattenhüllen der Rolling Stones. Sechs Mal wurde er für den Grammy nominiert. Zwei Mal hat er ihn gewonnen. Seit ein paar Jahren widmet sich der Designer vermehrt der Wissenschaft sowie der Kunst und engagiert sich im sozialen Bereich. Nebst Sagmeister gastieren an der «Soirée graphique» mit Trix Barmettler, BlackYard oder Philippe Desarzens auch nationale Grafikdesignstars. Mit Tanja Roux ist auch der Nachwuchs vertreten. Die junge Grafikdesignerin ist die Gewinnerin des Berufsfachschulpreises 2010. Plakate von Fotografen neu inszeniert «Die Fotografie prägt die zeitgenössische Grafik immer stärker mit», erklärt Pfister. Deshalb wurden diverse Fotografinnen und Fotografen eingeladen, alte Unikatplakate neu zu inszenieren. Die ausgestellten Arbeiten finden Eingang in die cosmic collection. Mit dieser Sammlung zeitgenössischer Grafik will die Werbeagentur das visuelle Gestalten fördern und die Entwicklung im Grafikdesign dokumentieren. Thom Pfister: «Grafikdesign hat in der heutigen Zeit immer grösseren Kommerzwert. Wir möchten ihm mit der ‹Soirée graphique› wieder mehr Kulturwert geben.» Simone Tanner \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
«Soirée graphique» bei cosmic am Uferweg 15, Bern. Fr., 10.9., 18 Uhr www.cosmic.ch