Berner kulturagenda 2010 N° 40

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Matthias Günter

N°40 Donnerstag bis Mittwoch 7. bis 13.10.2010 www.kulturagenda.be

Jürg Halter spricht im Interview über seine «Schule der Unruhe». Bei Bee-flat ist Albumtaufe. Seite 6

Marc Grémillon

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Das Kurzfilmfestival Shnit geht in die 7. Runde. Wir haben aus dem Meer von Filmvorführungen drei Früchtchen gefischt.

Mr. Evil (Thomas U. Hostettler) hat sie erschaffen. Bald macht sich Miss Monster (Bea Nichele Wiggli) aber selbstständig und geht in Strapsen die Wände hoch.

Miss Monster macht sich aus dem Spiel Sie ist sexy, schön und stark. Sie hat überirdische Kräfte, ist clever und unbesiegbar. Sie ist Miss Monster, die Heldin eines neuen Computerspiels im Netz. Erschaffen hat die Superfrau Dr. Evil. In fünf Levels muss sich Miss Monster bewähren, muss kämpfen und gewinnen. Mit Hilfe ihrer Zauberkräfte schafft sie es immer wieder, das Böse zu besiegen. Für ihren Schöpfer ist sie ein lukratives Geschäft. Sein Game verkauft sich wie das neue iPhone. Der Dame gefällt die Realität Doch plötzlich macht sich Miss Monster aus dem Staub und aus dem Spiel. Sie haut ab aus der virtuellen Welt und landet in der Realität. Dort macht sie erstmals Bekanntschaft mit Liebe, Schmerz und Freude. Plötzlich weiss sie

nicht mehr, wie sie ihre Kräfte einsetzen kann, wer gut und was böse ist. Die Dame muss sich neu programmieren und findet schon bald Gefallen an der Wirklichkeit. Dr. Evil hingegen versucht in einer rasanten Verfolgungsjagd, seine entlaufene Schöpfung in den Cyberspace zurückzuholen. «Drei Spezialisten spielen Actionfilm» «Unser Stück ist ein modernes Frankenstein-Märchen», erklärt Meret Matter. Die Bernerin führt Regie in «Miss Monster». Es handelt sich dabei um eine Gemeinschaftsproduktion von Matters Theatergruppe Club 111 und der Truppe Cîrqu’enflex. Beide Formationen sind bekannt dafür, Theater, Tanz, Musik, Animation und Film miteinander zu verbinden. Auch «Miss Monster»

ist eine multimediale Angelegenheit mit viel Action, Tempo und Witz. «Wir verpflanzen etwas ins Theater, das eigentlich gar nicht geht», sagt Matter. Das körperbetonte Spektakel spielt sich folglich auf verschiedenen Ebenen ab. Die Schauspieler agieren auf der Bühne und verschmelzen gleichzeitig mit den im Hintergrund projizierten Videos und Dias. Geräusche und Musik sind weitere Erzählmittel. So entsteht eine Art Computerspiel- oder Comic-Theater. Meret Matter beschreibt es so: «Drei Spezialisten spielen auf der Bühne einen Actionfilm.» In der weiblichen Hauptrolle ist die Artistin und Tänzerin Bea Nichele Wiggli zu sehen. Als Miss Monster hängt sie mal kopfüber von der Bühnendecke herunter, mal geht sie in Strapsen die Wände hoch. Sprechen kann sie allerdings nicht. Den akustischen Part von Miss Monster übernimmt die Musikerin und Performerin Sibylle Aeberli live auf der Bühne mit Gesang, Computer-

sound und Punkrock. In die Rolle des fiesen Gegenspielers Dr. Evil schlüpft der Schauspieler und Geräuschemacher Thomas U. Hostettler. «‹Hoschi› kann vom Staubsauger bis hin zur Atombombe alle Geräusche imitieren», schwärmt Matter.

Simone Tanner \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\

Dampfzentrale, Bern Do., 7.10., bis Sa., 9.10., 20 Uhr www.dampfzentrale.ch

Soulklassiker, reduziert zu reiner Schönheit: Im Tojo Theater tauft 2ForSoul ihr zweites Album, «To the Bone». Raphael Jakob und Marco Basci sind die Köpfe dahinter. Marvin Gaye das Gefühl des Originals, und doch soll es nicht klingen wie einfach nachgespielt. Eine Gratwanderung, die Jakob und Basci in den letzten Jahren an diversen Konzerten vorzüglich gelungen ist. Die Covers treffen die Originale auf Augenhöhe. Hierfür helfen erfahrene Mitmusiker. Das Duo wird ergänzt durch Schlagzeuger Sam Baur (Stop the Shoppers, Gus Mc Gregor) und Toni Schiavano (Jamie Wong-Lee, Tonnee). Michael Feller

1. «Der Besuch der alten Dame» im Theater an der Effingerstrasse (bis 10.11.). «Good old Fritz» ist immer eine Reise wert. Und der Racheengel Kläri Wäscher alias Claire Zachanassian hat unwiderruflich Klassikerqualität.

3. Yves Netzhammer im Kunstmuseum: «Die Subjektivierung der Wiederholung» (bis auf Weiteres). In einem Nebenraum im Kunstmuseum Bern steht er ganz unvermittelt, dieser gespiegelte Baum, wie ein Menetekel aus dem Paradies.

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Tojo Theater, Bern. Sa., 9.10., 22 Uhr www.tojo-theater.ch

Juri Steiner leitet seit 2006 das Zentrum Paul Klee. Kürzlich hat er auf März 2011 demissioniert.

2. Claudia und Julia Müller im Museum Franz Gertsch (bis 6.3.). Die beiden grossen Zeichnerinnen und Installateurinnen schiessen mit ihren faszinierenden Arbeiten Pfeile weit hinein in die Fantasie.

ZVG

Auf dem Grat zwischen Original und originell Kein einfaches Unterfangen: Die Songs sind so bekannt, dass man sehr behutsam mit ihnen umgehen muss. Das Publikum erwartet bei Stücken wie «Heard it through the Grapevine» von

von Juri Steiner

Persiflage und Ode an den Cyberspace «Miss Monster» persifliert einerseits die eindimensionale Welt der Computerspiele, Actionfilme und Superheldencomics. Andererseits zeigt das Stück die Faszination dieser virtuellen Welt auf und verbindet sie mit realen Emotionen. «‹Miss Monster› ist ein einziger Bilderrausch, eine Augenweide», verspricht Meret Matter.

Zweiter Pulli für den Herbst Gute Soulmusik wärmt Herzen wie ein warmer Pulli. 2ForSoul, die Band um Sänger/Gitarrist Raphael Jakob und Keyboarder Marco Basci, hat für den Herbst ihr zweites Album gestrickt, «To the Bone». «Gemeint ist, dass wir die Klassiker bis auf die Knochen reduzieren», sagt Basci, «wir suchen ihre Essenz und machen sie zu unseren Songs.»

3 Kulturtipps

Andri Pol

Hier kommt Miss Monster. Sie ist die Heldin des Comic-Theaterstücks von Cîrqu’enflex und dem Club 111 von Meret Matter. Das multimediale Spektakel mit Action, Herz und Punkrock findet in der Dampfzentrale statt.

Seite 12 \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\

«Wir versuchen, persönliche, soulige Versionen zu kreieren»: Basci (rechts) und Jakob.

Ich würde einen Kunstbanausen an die Netzhammer-Ausstellung schleppen … ... mit dem Versprechen, dass seine Kunst so kalt sei wie eine physikalische Geheimformel, dass es einem heiss den Rücken hinunterläuft.


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