Christine Schneider
N°47 Donnerstag bis Mittwoch 25.11. bis 1.12.2010 www.kulturagenda.be
Es darf geschwelgt werden: Das Berner Symphonieorchester widmet sich der Romantik. Seite 3
Die Tänzerinnen wollen in «Zone out» die Barriere zwischen sich und dem Publikum durchbrechen.
Tanzen für das Verständnis von Tanz Die Berner Tänzerin und Choreografin Marion Ruchti präsentiert in der Dampfzentrale ihr neues Stück. «Zone out» handelt von der Schwierigkeit, zeitgenössischen Tanz zu interpretieren und zu verstehen.
Félix Duméril und Misato Inoue: «Mukashi Mukashi» In der Doppelvorstellung in der Dampfzentrale zeigt auch das Tänzer- und Choreografenpaar Misato Inoue und Félix Duméril mit seinem Tanzkollektiv T 4 2 Dance Pojects sein neues Stück. «Mukashi Mukashi» setzt sich mit Märchenfiguren und -symbolen auseinander. Wie ihre bisherigen Produktionen ist «Mukashi Mukashi» geprägt von europäischen und asiatischen Tanztraditionen, Humor und Skurrilität. Die Musik stammt von Simon Ho und die Videos von Peter Aerschmann.
Viele tun sich schwer mit zeitgenössischem Tanz. Der Zugang zu dieser abstrakten Ausdrucksform ohne Worte ist nicht immer einfach. Gerade in Stücken, in denen Bewegungen nicht ästhetisch wirken, sucht das Publikum oft vergeblich nach dem Sinn des Getanzten. Diese Erfahrung hat auch die Tänzerin und Choreografin Marion Ruchti gemacht. Auch Tanzwissenschaftler driften ab «Erklär mir, was die Choreografie bedeutet. Ich verstehe es nicht.» Mit solchen Sätzen wird Ruchti regelmässig konfrontiert. Freunde seien nach ihren Performances zum Teil verunsichert, weil sie sie nicht interpretieren können. Diese Beobachtungen haben die Choreografin zu ihrem neuen Stück für vier Tänzerin-
nen inspiriert, «Zone out – I gaze above the heads of the dancers and zone out». Erste Recherchen zur Tanzproduktion führte Ruchti während eines Stipendienaufenthalts in der Cité Internationale des Arts in Paris durch. Zuerst interviewte sie Tänzerinnen, Choreografen und auch Leute, die beruflich nichts mit Tanz zu tun haben. Sie wollte von ihnen wissen, was sie tun, wenn sie keinen Zugang zum Stück finden. Die Antwort eines Tanzwissenschaftlers gab dem Stück seinen Namen: «I gaze above the heads of the dancers and zone out.» («Ich richte meinen Blick über die Köpfe der Tänzer hinweg und drifte ab.») Jede Interpretation ist richtig «Zone out» ist eine Collage von Szenen, welche die Wahrnehmung des Publikums reflektieren und damit spielen. Die vier Tänzerinnen provozieren und imitieren die Zuschauer, tanzen mal Langeweile, mal Wut oder Unverständnis. Symbolisch durchbrechen sie die Barri-
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ere zwischen sich und dem Publikum in Form eines rot-weissen Bandes. Als Verbindung zwischen Tänzerinnen und Zuschauern fungieren die Videos von Philippe Queloz. «Die Video-Elemente sind der Kommentar, den sich manche Zuschauer jeweils wünschen würden», erklärt Ruchti. Die Choreografin will dem Publikum die Berührungsängste vor dem Tanz nehmen. Sie hat auch ein paar konkrete Tipps. Man müsse Geduld haben und offen sein für das, was da auf einen zukomme. Bei jeder Choreografie finde man etwas, das fasziniere, sei es ein einzelner Tänzer, eine wiederkehrende Bewegung, ein Kostüm oder ein anderes Detail. «Und vielleicht muss man auch nicht immer alles verstehen. Es gibt nicht nur eine richtige Deutung. Jede Interpretation ist richtig.» Simone Tanner \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Dampfzentrale, Bern. Fr., 26.11., Sa., 27.11., 20 Uhr, sowie So., 28.11., 19 Uhr www.dampfzentrale.ch
Aus Uli Siggs China-Fundus Die Sammlung Sigg zählt 2000 Werke chinesischer Gegenwartskunst. Das Kunstmuseum Bern gewährt mit dem China-Fenster «Big Draft – Shanghai» einen Blick in diesen umfangreichen Schatz.
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Die ganze Stadt ist ein Big Draft, ein grosser Entwurf. Als unfertige Megacity dient sie der Kunstszene aus dem Reich der Mitte als stetig sprudelnde Inspirationsquelle. Das Kunstmuseum Bern widmet diesem kreativen Tummelplatz das China-Fenster 2010 mit Werken aus der Sammlung des ehemaligen Botschafters in China, Uli Sigg. Es ist die
weltweit grösste Sammlung zeitgenössischer chinesischer Kunst. Entstanden ist – der nächste Superlativ folgt sogleich – die grösste Ausstellung in der Geschichte des Kunstmuseums Bern. Monika Schäfer und Matthias Frehner präsentieren eine Auswahl mit Fotografien, Videoarbeiten, Gemälden, Skulpturen und Installationen. Es sind Werke von fünfzehn Künstlerinnen und Künstlern, die in Shanghai wohnen oder mit ihrer Kunst explizit auf die Stadt Bezug nehmen. Lukas Tinguely \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Kunstmuseum Bern. Ausstellung bis 6.2. www.kunstmuseumbern.ch
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3 Kulturtipps von Nils Althaus
Nils Althaus ist Schauspieler, Liedermacher, Kabarettist und diplomierter Biochemiker. Im Naturhistorischen Museum lässt er seine Chansons auf die Wissenschaft los. (Do., 25.11., 19.30 Uhr) 1. Pflanzplätz & Trummer in der Mahogany Hall (Fr., 26.11., 21 Uhr) Trummer ist mehr als ein sicherer Wert. Und seit er Berndeutsch singt, finde ich ihn noch besser. 2. Koch-Schütz-Studer feat. Shelley Hirsch im Progr (So., 28.11., 20.30 Uhr) Hardcore Chambermusic ist für mich wegen des Films von Peter Liechti ein Begriff. Und die Bee-flat-Konzerte am Sonntagabend im Progr sind sowieso immer gut.
Courtesy of the Artist and Sigg Collection
Shanghai – Metropole der Superlative. Eine 18-Millionen-Stadt, ständig in Bewegung, mit rasanter Ausbreitung in der Vertikalen wie in der Horizontalen.
Die Zeit gibt den Takt an: In Don Lis 48-Stunden-Konzert trommeln ebensoviele Schlagzeuger mit der Weltzeit.
ZVG
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Martin Möll
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Für dieses Bild verwandelte Shi Guorui ein Hotelzimmer im 29. Stock in eine riesige Lochkamera.
3. «Tanze wie ne Schmätterling» mit Pedro Lenz und Patrik Neuhaus in der Buchhandlung Stauffacher (Di., 30.11., 20 Uhr) Ich mag die Geschichten von Pedro Lenz. Sein Humor ist subtil und seine Figuren sind zutiefst menschlich. Einen Freund, der nicht auf Lesungen steht, würde ich überreden hinzugehen … … indem ich ihm als Alternative eine Einführung in meine Briefmarkensammlung vorschlagen würde.