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N°1 Donnerstag bis Mittwoch 6. bis 12.1.2011 www.kulturagenda.be
Das neue Theater Matte zeigt ein Mundartstück über die moderne Geschlechterverwirrung. Seite 3
Kommissar Max (Peter Jecklin) lässt sich die Gesellschaft der Prostituierten Lily (Katja Rosin) etwas kosten. Doch auf ihre Liebesdienste hat er es nicht abgesehen.
Zwielichtiger Kommissar jagt kleine Fische Das Theater an der Effingerstrasse zeigt Simone Füredis Adaption von Claude Sautets Film «Max et les ferrailleurs». Ganz im Geiste des Film noir verwischen in «Kleine Fische» die Grenzen zwischen Recht und Unrecht. Es sind anstrengende Arbeitstage für den Kriminalkommissar Max: Bereits zum vierten Mal innerhalb eines Monats ist in Paris eine Bank überfallen worden. Beim letzten Raub wurde sogar jemand ermordet. Der Chef des Kommissariats drängt zum schnellen Fahndungserfolg. Kommissar Max will die Räuber auf frischer Tat ertappen und stellt ihnen eine Falle. Seine Methoden sind allerdings nicht über alle Zweifel erhaben: Er nimmt unter falscher Identität Kontakt zur Prostituierten Lily auf und bezahlt sie gut, auch wenn er nur mit ihr plaudern will. Sein Ziel: Lily soll ihren Freund Abel zu einem Banküberfall anstiften, damit endlich jemand verhaftet werden kann. Die Hausdramaturgin Simone Füredi hat für das Theater an der Effinger-
strasse eine Bühnenadaption des Films «Max et les ferrailleurs» von Claude Sautet geschrieben. Als Sautets Film in den 70er-Jahren in die Kinos kam, löste er eine Diskussion über die zweifelhaften Methoden der Polizei aus. Femme fatale in Mini und High Heels Auch bei Füredis «Kleine Fische» unter der Regie von Oliver Stein weiss man nicht so recht, was man von Kommissar Max und seinen Ermittlungsmethoden halten soll. Überzeugend lässt Peter Jecklin seine Figur wechselweise als kompetenten Polizisten mit klaren Zielen oder als zwielichtigen Sonderling erscheinen, der nicht weiss, was er will. Man fragt sich, ob sein merkwürdiges Verhalten gegenüber der Prosituierten zu seiner Ermittlungsstrategie gehört
oder ob er in Wirklichkeit ganz andere Ziele verfolgt. Ähnlich undurchsichtig ist die Figur der Lily (Katja Rosin). In knappem Mini und High Heels stöckelt sie über die spartanisch eingerichtete Bühne (Bühnenbild: Peter Aeschbacher). Ihr Charakter bleibt unbestimmt, irgendwo zwischen Abgebrühtheit und Naivität, und so lässt auch sie sich bald nicht mehr der einen oder der anderen Seite zuordnen. Für Max wird sie zur Femme fatale. Düstere Grundstimmung und Antihelden Die ambivalenten Protagonisten sind typisch für das Genre des Film noir, in dem Sautets Film verwurzelt ist. Der Film noir hatte seine Blütezeit in den 1940er- und 1950er-Jahren in den USA. Typisch für das Genre sind eine pessimistische, düstere Grundstimmung und Hauptfiguren, die man als Antihelden mit lasterhaften Charakterzügen bezeichnen kann. Sie geraten in moralische Zwickmühlen, in denen es kein
eindeutiges Recht oder Unrecht mehr gibt. Wer hat Schuld? So geschieht es auch mit Kommissar Max. Sein Plan gelingt ihm zwar, er kann Abel (Horst Krebs) auf frischer Tat ertappen. Doch Abel, der seine Lily unbeholfen fragt, wie denn ein Banküberfall überhaupt abzulaufen habe, ist eben nur ein kleiner Fisch. Und darum ist ganz im Sinne des Film noir das Stück mit Abels Verhaftung noch nicht zu Ende, sondern nimmt eine überraschende Wende. Am Schluss bleibt die Frage, die Max bereits zu Beginn des Abends gestellt hat: «Wie lange muss man graben, bis man den Schuldigen findet?» Regine Gerber \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Theater an der Effingerstrasse, Bern Mo. bis Sa., 20 Uhr, So., 17 Uhr Vorstellungen bis 17.1. www.dastheater-effingerstr.ch
Der Berner Drummer Julian Sartorius hat seinen Luxusjob in der Band von Sophie Hunger aufgegeben, weil er sich auf seine eigene Musik konzentrieren möchte. Bei BeJazz ist er in der Band Limber Lumber zu hören.
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BeJazz-Club, Liebefeld. Fr., 7.1., 20 Uhr www.bejazz.ch
3 Kulturtipps von Crazy David
Der Karikaturist und Illustrator David Levine alias Crazy David entführt auf dem Gurten jeden Mittwochnachmittag Kinder in abenteuerliche Welten. Diesmal (12.1., 14 Uhr) ins kalte Skandinavien zu den Wikingern.
2. Gilbert & Oleg: «Cirque», La Cappella, Bern (Fr., 7., und Sa., 8.1., 20 Uhr) Ich kenne Gilbert und Oleg zwar nicht, aber selbst wenn mir das Programm nicht gefallen sollte, ist die Cappella ein sympathischer Ort, um einen Abend zu verbringen. 3. 676 Nuevotango Quintett, BeJazzClub, Liebefeld (Do., 6.1., 19.45 Uhr) In Argentinien ist jetzt Hochsommer, wo die Nächte locken. Matthias Günter
Soloalbum erscheinen. Eine der Bands heisst Limber Lumber. Das Trio mit Christian Rösli (Klavier), Patrick Sommer (Kontrabass) und Sartorius spielt Rösli-Kompositionen und aufgepeppte 30er-Jahre-Nummern. Als Hausband in der Winterthurer Fahrenheit-Bar hat sich die Gruppe ein Repertoire von achtzig Instrumentalnummern erarbeitet. Daraus entstand Ende 2010 das Album «Diapassion». Mit leichtfüssiger Musik, bei der nicht nur der Drummer beeindruckt. Michael Feller
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1. «Dr chly Wasserma», Theater am Käfigturm, Bern (Sa., 8.1., 14.30 Uhr, weitere Vorstellungen bis 30.1.) Ich bin selber Vater von zwei Kindern, die diesen Klassiker absolut lieben.
Hunger oder eigene Ideen? Bleiben oder gehen? Schlagzeuger Julian Sartorius hatte mit seinem feinen, ideenreichen Spiel Sophie Hungers Musik geprägt. Weil in ihm nicht nur ein grosser Groover, sondern in erster Linie ein Improvisationsmusiker steckt, musste eine Entscheidung zwischen dem sicheren und dem freien Weg her: Vollzeitjob in einer gefeierten Band oder die eigenen Projekte? Sartorius entschied sich für die zweite Variante. Das brauchte Mut. «Ich spürte ein starkes Verlangen, meine eigenen Ideen zu verfolgen», begründet er seinen Entscheid. Jetzt kann er sich in seinen diversen Bands engagieren. Im Herbst soll sein
Kein Geld mehr übrig für Kultur? Die Kulturagenda verrät Ihnen, wie Sie das Januarloch günstig überbrücken können.
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Severin Nowacki
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In Julian Sartorius’ Universum wird alles zu Perkussion.
Ich würde einen Freund, der mit Tango nichts anfangen kann, überreden mitzukommen, … ... indem ich ihm sage, es seien musikalische Ferien, während deren er sein Fernweh geniessen könne.