Berner kulturagenda 2011 N° 4

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N°4 Donnerstag bis Mittwoch 27.1. bis 2.2.2011 www.kulturagenda.be

1837 gerät ein englischer Lord ins Emmentaler Unwetter – das Theater überLand spielt Gotthelf. Seite 5

Stiftung Moritzburg

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Franz Marc wollte die Natur mit den Augen der Tiere sehen. «Gazellen», 1913/14.

Der blaue Reiter und sein Freund Paul Klee in der Gegenüberstellung mit Franz Marc: Die aktuelle Ausstellung im Zentrum Paul Klee gibt Einblick in eine kurze Freundschaft zwischen zwei unterschiedlichen Künstlern. Franz Marc wurde nur 36 Jahre alt. Der deutsche Maler und Mitbegründer des Almanachs «Der Blaue Reiter» fiel 1916 im Ersten Weltkrieg. Dabei hatte er selbst diesen Konflikt als «positive Instanz» überhöht und glaubte an dessen reinigende Kraft, die er mit derjenigen eines Gewitters verglich. Ganz anders sah dies Paul Klee (1879–1940), der bereits Pazifist war, bevor die Expressionisten sich gegen den Krieg aussprachen. Dialog per Postkarte Der romantische Pathetiker Franz Marc und der stille Ironiker Paul Klee haben auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam. Die Ausstellung «Paul Klee – Franz Marc. Dialog in Bildern» zeigt nun, wie eng die beiden während der vier gemeinsamen Jahre verbunden waren und

wie unterschiedlich sich der Zeitgeist gleichzeitig auf ihr Schaffen auswirkte. Entstanden ist die Schau in Kooperation mit dem Franz Marc Museum in Kochel am See und der Stiftung Moritzburg in Halle. In Bern ist Kurator Michael Baumgartner eine plausible Gegenüberstellung gelungen. Nebst den fast schon zu Ikonen gewordenen «Gazellen» oder den verletzten Rehen Franz Marcs entdeckt man unter den rund 140 Arbeiten der beiden Avantgardisten viele Zeichnungen und Gemälde, die weniger bekannt sind. Gemalte Postkarten, die sich die beiden gegenseitig schickten, führen in die Ausstellung ein. Die dazu gelieferten Texttranskriptionen zeugen von der Nähe zwischen den Künstlern . «Ich bin schon lange dein guter Freund und es

ist mir eine seltene Freude zu wissen, dass diese Freundschaft von dir ganz erwidert wird», schrieb Klee an Marc. Oft waren es aber auch die Frauen, Lily Klee und Maria Marc, welche die Rückseiten der Karten mit Grussbotschaften versahen. Maria Marc nahm Klavierunterricht bei der Pianistin Lily Klee. Kristallin und spirituell Marcs Karten sind häufig Kompositionen mit Tieren in den für ihn typischen kräftigen Farben. Mit Bleistift, Tusche und Gouache hielt er zwei schnarchende Katzen oder einen gelben Löwen fest, der von blauen Füchsen attackiert wird. Klee antwortete mit fragilen, meist farblosen Skizzen. Im Gegensatz zu Marcs erschütterten Naturidyllen überzeugen sie eher mit Witz statt mit Erhabenheit. Oft kritzelte er die Motivbeschreibung gleich zu den kindlichen Strichfiguren dazu. «Der Polizeihund wird in Wut versetzt – damit er die Spur verfolgt» von 1913 zeigt einen überforderten feixen-

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den Polizisten mit seinem hechelnden Hund. Einfluss auf beide Künstler hatte der französischen Maler Robert Delaunay, Hauptvertreter des Orphismus. Klee und Marc besuchten ihn gemeinsam in seinem Atelier. Sie waren stark beeindruckt von Delaunays Farbtheorie und den Kreisgebilden, die den Kubismus zu überwinden versuchten. Trotz ihrer Unterschiedlichkeit findet man bei beiden Künstlern das Streben nach dem Spirituellen und Kristallinen. Der Kristall wurde mit seinen Struktureinheiten für die Avantgardisten geradezu zur Metapher für abstrakte Malerei. Denn die suchte zunehmend nach Ordnungssystemen, bestehend aus Linien und Kontrasten, statt nach naturgetreuer Abbildung. Helen Lagger \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\

Zentrum Paul Klee, Bern Ausstellung vom 27.1. bis 1.5. www.zpk.org

Die Sünde auf der Couch

Als Pate des Projekts «Startrampe» im Schlachthaus betreut der Berner Schauspieler und Performer Thomas U. «Hoschi» Hostettler die Produktionen junger Theaterleute. Derzeit präsentiert er das Stück «Cockroach» von Christoph Keller, Aaron Hitz und Till Hillbrecht (Do., 27. bis Sa., 29.1., 20.30 Uhr, und So., 30.1., 19 Uhr)

3. Herpes ö Deluxe im Bad Bonn in Düdingen (Fr., 28.1., 21.30 Uhr) Die vier Jungs kredenzen Klanggebilde, die berühren: Juhui!

ZVG

Kunstmuseum, Bern Di., 1.2., 20 Uhr www.kunstmuseumbern.ch

von Thomas U. «Hoschi» Hostettler

2. «Vlad Dracul» im Schlachthaus Theater (Sa., 29. und So., 30.1., 16 Uhr) Weil Gruseln gelernt sein will – auch schon in jungen Jahren. Ich zehre heute noch davon.

schreibt er bissige Einwürfe, im «Tagi» brilliert er mit oft überraschenden Antworten auf Fragen aus dem täglichen Chaos. Auch die Todsünden erhellt er von einem ungewöhnlichen Standpunkt her: «Das Konzept ist aus psychoanalytischer Sicht interessant, weil es die Vorstellung beinhaltet, dass die Sünde auch in der Übersteigerung einer Tugend bestehen kann.» Ein spannendes Gespräch über allzu Menschliches ist garantiert. Silvano Cerutti \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\

3 Kulturtipps

1. King Pepe tauft «Tierpark» in der Turnhalle im Progr (Fr., 28.1., 22 Uhr) Der ist doch sooo charmant und macht mich fröhlich!

Im Rahmen der Ausstellung «Lust und Laster» findet eine Diskussionsreihe statt. Gast zum Thema Geiz ist der bekannte Psychoanalytiker und Kolumnist Peter Schneider. Geht es ums Thema Sünde, wende man sich vertrauensvoll an die katholische Kirche, die sie katalogisiert und kategorisiert hat. Die Todsünden verbindet etwa, dass sie zu schweren Verstössen führen (meist gegen die zehn Gebote), die in vollem Bewusstsein und aus freiem Willen begangen werden. Man kann sich jedoch auch an Peter Schneider wenden, den das kanonische Recht nur am Rande interessiert. Man kennt den Psychoanalytiker in der Deutschschweiz von seinen scharfzüngigen Satiren auf DRS3 oder aus seinen Kolumnen im «Tages-Anzeiger» und der «SonntagsZeitung». In Letzterer

Hansdampf in allen Gassen: Resli Burri legt mit Les Trois Suisses das neue Programm, «Herzverbrecher», vor.

Bissiger Satiriker und überrraschender Ratgeber: der Psychoanalytiker Peter Schneider.

Jemandem, der nach Inspiration sucht, würde ich sagen, … … komm mit mir ins Bad Bonn, an diesen zauberhaften Ort, und lass dich nebst See, Sternen und Menschen vom Klang des Wahnsinns entführen.


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