Berner kulturagenda 2011 N° 8

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N°8 Donnerstag bis Mittwoch 24.2. bis 2.3.2011 www.kulturagenda.be

Radio RaBe lädt am sonOhr-Festival zum Eintauchen in die Welt des Hörspiels. Seite 3

Philipp Zinniker

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Im Palast von Don Giovanni (Robin Adams, ganz in Schwarz) wird die Bühne mit der Zeit zu einem Irrgarten, in dem sich der Antiheld zusehends selbst verliert.

Don Giovanni spart noch mit Sterben Robin Adams greift sich an die Brust und sinkt singend zu Boden. Nach der Probe erzählt der Bariton im Zuschauerraum des Berner Stadttheaters ausser Atem: «Ich bin heute vorsichtig gestorben. Ich werde mehr geben, aber ich muss noch ein wenig sparen.» Die Premiere von «Don Giovanni» steht kurz bevor. Der Engländer Robin Adams schlüpft dabei in die Rolle des grössten Frauenverführers aller Zeiten. Lustig und leicht – traurig und ernst Wolfgang Amadeus Mozarts Oper, die 1787 uraufgeführt wurde, ist irgendwo zwischen Opera buffa und Opera seria angelegt. Lustig und leicht ist manche Verführungsszene, ernst wird es, wenn der nimmersatte Liebhaber nicht ein-

mal vor Mord zurückschreckt und seinen Freund, den Komtur (Luciano Batinic) umbringt. Schliesslich geht Don Giovanni an einer inneren Wunde zugrunde, selbst die ihn liebenden Frauen können ihm nicht mehr helfen. Don Giovanni entgleitet der Boden Auf der Bühne des Stadttheaters hängen satinierte und transparente Tücher. Am Boden liegt ein cremefarbiger Glanzstoff, kunstvoll drapiert. Die Bühnen- und Kostümbildnerin Julia Hansen erklärt: «Es ist nicht einfach für die Akteure und Akteurinnen, sich auf diesem unebenen Grund zu bewegen.» Das sich wölbende Tuch symbolisiert den dem Antihelden zunehmend entgleitende Boden. Im Verlauf des Stücks

erscheint darauf ein grosser Blutfleck, der für Don Giovannis Mordtat steht. Die Inszenierung ist düster, und Tiefenpsychologie spielt eine wichtige Rolle. Regisseurin Elisabeth Linton interessiert sich vor allem für die inneren Beweggründe der Figuren. Sie zeigt den Frauenhelden als zwiespältige Gestalt in einem zeitlosen Kontext. Sie selbst empfinde für alle Figuren Sympathie, insbesondere aber für Donna Elvira (Fabienne Jost), die Don Giovanni bis zum Schluss liebt und retten möchte. Die Figur des Komturs hat sie als eine Art Zwilling der Titelrolle angelegt. Er ist ständig auf der Bühne, wie ein Geist, den nur Don Giovanni sehen kann.

bricht der musikalische Leiter Dorian Keilhack aus dem Off. «Die Posaunen sind viel zu weit weg! Ich habe sie nicht gehört. Ist einer dort, kann jemand dirigieren?», ruft er in unbestimmte Richtung. «Moment, die brauchen ein Notenbuch», meldet sich ein Gehilfe und joggt über die Bühne. Der Komtur respektive Luciano Batinic gähnt. Und dann erklingen endlich die Posaunen in voller Lautstärke. Donna Elvira tritt im weissen Tüllrock auf. Sie klagt den Schürzenjäger Don Giovanni lautstark an, doch ändern wird sie ihn niemals können. Was als Komödie beginnt, endet schliesslich in der Hölle. Helen Lagger

3 Kulturtipps

Posaunen auf Position Jetzt wird am Stadttheater eine Szene im Palast geprobt. Robin Adams springt erneut auf die Bühne und singt mit seinem beeindruckenden Bariton ein dramatisches «ha, ha, ha!». «Stopp», unter-

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Die Österreicherin Martina Langmann tanzt seit August 2007 im Ensemble des Stadt­ theaters Bern. Am Balletthäppchen-Abend «Carte Blanche» (Do., 3.3., 19.30 Uhr, Vidmarhallen) wirkt sie in drei von vier Stücken mit: In «Entering», in «Medea» und in «wipeDouBt».

Stadttheater, Bern Premiere: Do., 24.2., 19.30 Uhr Weitere Vorstellung: Di., 1.3., 19.30 Uhr Aufführungen bis 17.6. www.stadttheaterbern.ch

Pendeln mit Zweitaktmotor

von Martina Langmann

1. Colin Vallon Trio in der Turnhalle im Progr (So., 27.2., 20.30 Uhr) Ich freue mich schon, Sonntagabend mit einem Whiskey in der Hand in eine träumerische Welt einzutauchen: «Soul-warming Jazz», der unter die Haut geht.

«Provinzdiva» ist Frölein Da Capos Selbstdeklaration. Die Liedermacherin pendelt zwischen glamouröser Fernsehshow und ländlicher Idylle in Willisau. Mit Geschichten und Blues. Willisau. Dort ist Da Capo als Irène Brügger aufgewachsen, dort wohnt sie mit ihrer Familie noch immer. Und dort kurvt sie auch mit ihrem Töffli vom Städtchen zum abgelegenen Bauernhof hoch, wo schon ihr Ururururgrossvater gewohnt hat. Brügger ist eine Pendlerin zwischen zwei Welten: eine Frau vom Land, die sich sonntags gerne ins Stadtkostüm stürzt, eine Frohnatur mit einem Hauch von Blues, der in jedem Ton mitschwingt, der ihre Lippen verlässt.

2. Boban i Marko Markovic Orkestar in der Mühle Hunziken (Fr., 25.2., 21 Uhr) Wird sicher lustig, Gypsy-Extravaganza in der einzigartigen Mühle Hunziken. Schnell Karten kaufen.

Michael Feller

Zu «Murder Ballads» würde ich einen Filmfan überreden, … … da exzellente Schauspieler verführen und wirklich etwas abgeht auf der Bühne.

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Mahogany Hall, Bern Fr., 25.2., 21 Uhr. www.mahogany.ch

3. «Murder Ballads» in der Vidmar 1, (So., 27.2., 18 Uhr) Ein absolutes Muss für jeden Theaterund Nick-Cave-Fan, geniales Bühnenbild! Zum Totlachen – hat man mir gesagt.

ZVG

Auf der Bühne des Kaufleuten-Saals hat sie definitiv das Eleganzmonopol gepachtet, adrett gekleidet und aufwendig frisiert, wie sie ist. Sonntag für Sonntag unterbricht Frölein Da Capo dort die Sendung «Giacobbo/Müller» mit ihren Einfrauband-Songs. Die 31-Jährige singt über ihr Mofa «Pony» und übers Altern: kleine Geschichten, wie sie halt das Leben schreibt. Mit ihrem Loopgerät schichtet sie die einzelnen Stimmen zum Song zusammen. Nebst einem Euphonium, einer Trompete und einer Gitarre verfügt die Autodidaktin aus Willisau über eine Hühnerhautstimme – und die ist kräftig und gerade wie eine Tanne.

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Anja Tanner/ancatan.com

Die schwedische Regisseurin Elisabeth Linton inszeniert bereits zum dritten Mal Mozarts Oper «Don Giovanni». Für das Stadttheater Bern präsentiert sie den Antihelden als zwiespältig-düstere Figur in einem zeitlosen Kontext.

Anhand eines Familienskandals berichtet der Schriftsteller Alex Capus vom stillen Heldentum einfacher Menschen.

Frölein Da Capo, Autodidaktin, Töffli-Närrin, Willisauerin.


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