N°12 Donnerstag bis Mittwoch 24. bis 30.3.2011 www.kulturagenda.be
Die tunesische Sängerin Emel Mathlouthi war in ihrer Heimat, als die Revolution ausbrach. Sie hatte sie schon lange gefordert. Seite 12 \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Philipp Hennevogl
Waldbühne-Wettstreit im Bierhübeli
Eigentlich sind es bloss Überreste der Knallerei in der Neujahrsnacht, doch Philipp Hennevogls «Sylvesterschlachtfeld» (2010) erinnert auch an eine zerstörte Stadt.
Stand- und Ansichtspunkte «So sieht ein Sylvesterschlachtfeld in Berlin am 1. Januar aus», sagt Anna Wesle und deutet auf ein Bild von Philipp Hennevogl. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Museums Franz Gertsch betreut die aktuelle Ausstellung. «Der Müll sieht zunächst einmal wahnsinnig gut aus – aber auch wie eine zerstörte Stadt. Mit den Ereignissen in Japan hat das gerade eine tragische Aktualität.» Fragen des Standpunkts und der Sichtweise prägen die Holzschnitte von Christiane Baumgartner und die Linoldrucke von Philipp Hennevogl. Sie sind unter dem vermeintlich makaberen Titel «Schnitte ins Herz und in die Augen» bis im September in Burgdorf ausgestellt. Nähert man sich den oft grossformatigen Bildern, zerfallen sie in Linien, Punkte, Flächen, von denen
einem schwindlig werden kann. Betrachtet man sie aber aus einigen Metern Entfernung, wirken vor allem Hennevogls Werke gestochen scharf wie Fotos, während Baumgartners Bilder zu flimmern scheinen wie auf einer altersschwachen Fernsehröhre. Eingriffe in die Natur Auch dieser Eindruck täuscht. Zwar beschäftigte sich Baumgartner während ihres Studiums in London intensiv mit Videokunst. Zurück in Leipzig aber besann sie sich auf die lange BuchdruckTradition ihrer Heimatstadt und fertigt seither Holzschnitte auf Vorlage von Videostills. «Die Streifen auf ihren Bildern haben jedoch nichts mit Fernsehbildern zu tun», erklärt Wesle, «sie entstehen, weil Baumgartner ihre Bilder in Linien
Fräulein aus Basel
übersetzt, ähnlich wie Franz Gertsch, der mit Punkten arbeitet.» Doch auch wenn Baumgartner und Hennevogl mit ähnlichen Techniken arbeiten wie Gertsch und den Maler schätzen, haben beide ihre ganz eigene Handschrift entwickelt. Schutt als Beispiel Baumgartner etwa stellt Fragen nach der Wahrnehmung von Landschaften. Eine Baumgruppe mag auf den ersten Blick idyllisch erscheinen und an die Romantik im Werk Gertschs erinnern. Auf den zweiten Blick sieht man jedoch, dass die Bäume in Reih und Glied gepflanzt wurden. Und eine Gruppe von Windrädern zur Stromerzeugung, aufgenommen aus dem fahrenden Auto, «erhält seit den Ereignissen in Japan noch einmal ein ganz anderes Gewicht», sagt Wesle. Baumgartner ist im englischsprachigen Raum längst renommiert. Im grossen Saal in Burgdorf sind einige ihrer Arbeiten nun erstmals im deutschen
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Sprachraum zu sehen. Philipp Hennevogl hingegen bespielt das Kabinett des Museums. Seine aktuelle Bildsprache begann ab 2007 deutlich hervorzutreten. Auf den ersten Blick scheinen die Werke schnell zugänglich. Doch wie im anfangs erwähnten Beispiel: Die Eindeutigkeit trügt. Für das Museum Franz Gertsch schuf Hennevogl vier Bilder von Schutthaufen. «Er war fasziniert davon, dass der Schutt beim Abbruch eines Hauses getrennt wurde», erklärt Wesle, «damit man ihn rezyklieren kann.» Es ist also nicht die Katastrophe, nach der es zunächst aussieht. Aber eben, der eigenen Wahrnehmung soll man in dieser grossartigen Ausstellung nicht vorschnell trauen. Silvano Cerutti \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Museum Franz Gertsch, Burgdorf Vernissage: Fr., 25.3., 18.30 Uhr Ausstellung bis 4.9. www.museum-franzgertsch.ch
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Eine weitere Schweizer Singer-Songwriterin veröffentlicht ihr Debütalbum: Lena Fennell. In der Mahogany-Hall spielt sie mit ihrer Band die Songs aus «Nauticus». Der Vergleich mit Sophie Hunger drängt sich auf. verlieren. Ihre Songs tönen beim ersten Hinhören lieblich und etwas beliebig, doch das Album wird beim erneuten Abspielen immer besser, die Qualitäten Fennells kommen zum Vorschein: Mit einfachen Arrangements vermag auch sie zu bezaubern – besonders dann, wenn ihre gut groovende Band eingreift: Jan Krattiger (Gitarre), Antoine Kaufmann (Schlagzeug) und Pascal Ujak (Bass). Michael Feller \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Showcase im Musikhaus Krompholz, Bern. Do., 24.3., 18 Uhr Konzert in der Mahogany Hall, Bern Fr., 25.3., 21 Uhr. www.mahogany.ch
Die Berner Autorin und Regisseurin Livia Anne Richard inszeniert Produktionen für das Freilichttheater Gurten und ist künstlerische Leiterin des Theaters Matte. Dort ist zurzeit das Stück «Butterbrot» zu sehen (Do., 24., bis So., 27.3., Mi., 30.3., jeweils 20 Uhr)
2. Endo Anaconda im Theater am Käfigturm (Do., 24.3., 20 Uhr) Sollten seine neuen Texte nur halbwegs so inspirierend sein wie die «Sofareisen», na dann hopp Bestsellerliste. 3. «Ich lass die Türe offen» im Narrenpack Theater (Fr., 25., und Sa., 26.3., 20.30 Uhr, ausverkauft) Seit Jahren steht das Narrenpack für berührendes, nachdenklich-heiteres Vollblut-Theater. Just great!
Tabea Hüberli
Die Situation ist längst unübersichtlich. Seit vor ein paar Jahren die bezaubernde Sophie Hunger losgelegt hat, erklimmen in hoher Kadenz neue Schweizer Singer-Songwriterinnen die Bühnen. Sie müssen alle den Vergleich mit Sophie Hunger über sich ergehen lassen. Das nervt bestimmt, denn man will ja eigenständig sein. Im Falle der Basler Sängerin Lena Fennell ist der Vergleich aber nicht allzu abwegig: In ihren ruhigeren Stücken, die sie nur mit der Gitarre begleitet, erinnert ihre Stimme an die «frühe» Hunger: Sie behandelt die Töne mit grösster Sorgfalt, ohne deshalb an Ausdruckskraft zu
von Livia Anne Richard
1. Spielparkfest Gurten (So., 27.3., 10 bis 17 Uhr) Die Kids toben lassen und im Tapis Rouge die Fotokunst von Michael Meier und Thomas Bornhauser geniessen.
osu
l Ver
3 Kulturtipps
ZVG
In der Ausstellung «Schnitte ins Herz und in die Augen» zeigt das Museum Franz Gertsch Arbeiten von Christiane Baumgartner und Philipp Hennevogl. Sie sind Gertsch verwandt und trotzdem eigenständig.
Nach der bestandenen Internet-Vorausscheidung um einen der begehrten Auftritte am Gurtenfestival geht es nun um die Wurst: Wer darf die Waldbühne rocken? Die acht verbliebenen Bands müssen sich nun noch im Bierhübeli vor dem Publikum und einer Jury behaupten. An zwei Abenden entscheidet sich, welche vier Bands weiterkommen. Auf unserer Website stellen wir die Finalisten vor.
Ein bisschen Melancholie, ein wenig Zauber, aber auch ein wenig wie die andern: Lena Fennell.
Zum Besuch im Narrenpack Theater würde ich einen Kollegen meines Bruders überreden, … … weil er mir kürzlich an einem YBMatch gesagt hat, er hasse Theater aus Überzeugung. Ich bin sicher, der käme da geläutert raus.