N°21 Donnerstag bis Mittwoch 26.5. bis 1.6.2011 www.kulturagenda.be
Im Schlachthaus Theater feiert Matto Kämps «Bluetsuuger. Ein Vampirschwank» Premiere. Seite 3
ZVG
\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
«Der Zirkus ist immer im Ausland. Aber im Wohnwagen ist das Zuhause», sagt Nadine Schwitter als Mädchen in «Warum das Kind in der Polenta kocht».
Von der Erfahrung, fremd zu sein «Das Glück hatte ich mir anders vorgestellt», sagt die junge Ich-Erzählerin des Romans «Warum das Kind in der Polenta kocht». Das Mädchen ist mit seiner Zirkusfamilie aus dem diktatorischen Rumänien in den Westen geflohen. Doch der Traum von einem besseren Leben stellt sich bald als Illusion heraus. Wenn die Mutter an den Haaren in der Zirkuskuppel hängt, erzählt die ältere Schwester zur Ablenkung die Geschichte vom Kind, das in der Polenta kocht. Je schlimmer die Ängste der Kinder werden, die Mutter könnte abstürzen und sterben, desto schauderhafter muss das Erzählte sein, um die Realität zu verdrängen. Durch die Augen eines jungen Mädchens schilderte Aglaja Veteranyi in ihrem Roman das Leben im Zirkuswa-
gen, in Heimen und billigen Varietés, sie erzählte aber auch und vor allem von einer Hartherzigkeit und Lieblosigkeit, die als normal empfunden wurden. Das 1999 erschienene Buch, das Veteranyi schlagartig bekannt machte, fächert eine Geschichte über Heimatlosigkeit, Einsamkeit und die verzweifelte Suche nach einem Platz in dieser Welt auf. Fremdsein in der Schweiz Die Erfahrung der Fremde und die Konfrontation mit anderen Traditionen waren auch die Themen, welche Nadine Schwitter an Veteranyis Roman interessierten. Das hängt unmittelbar mit der Biografie der Regisseurin und Schauspielerin zusammen. Als Tochter einer Ungarin in der Schweiz aufgewachsen, haben sich auch für sie diese Fragen
gestellt, sagt Schwitter: «Nach welchen Traditionen soll ich mich orientieren? Was ist richtig und was falsch in dieser Gesellschaft?» So erarbeitete Schwitter, Ensemblemitglied des Jungen Schauspielhauses Hamburg, mit Philipp Ludwig Stangl, Schauspielmusiker des Stadttheaters Bern, eine Theateradaption des Romans. Sie feierte im November letzten Jahres in Hamburg ihre Premiere. Nun wird eine überarbeitete Inszenierung in den Vidmarhallen zu sehen sein, worauf sich Schwitter sehr freut: «Der Text gehört in die Schweiz, da er sich stark auf das Fremdsein hier bezieht.» Autobiografische Fragmente Schwitter und Stangl inszenieren den Roman als verdichteten Monolog der kindlichen Ich-Erzählerin, die Schwitter selbst verkörpert. Die anderen Figu ren werden für die Zuschauer über Erinnerungen des Mädchens greifbar. Ergänzt werden diese mit Videos und
Seite 12 \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Musik, für die Stangl verantwortlich zeichnet. Es sind Fotografien, Videoausschnitte und Musik aus Ungarn eingeflossen, die das künstlerische Ergebnis ihrer Suche nach den eigenen Wurzeln seien, verrät Schwitter. Damit verleiht sie der Inszenierung eine ganz persönliche Handschrift. Eine persönliche Geschichte ist auch Aglaja Veteranyis Roman, zumindest baut er auf autobiografischen Fragmenten auf: Als Tochter einer rumänischen Artistenfamilie war sie mit dem Zirkus um die ganze Welt gereist, bevor sie 1977 als Flüchtling in die Schweiz kam. Später arbeitete sie als freie Autorin und Schauspielerin. Im Jahr 2002 nahm sich Aglaja Veteranyi das Leben. Regine Gerber \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Vidmar 2, Liebefeld. Sa., 28.5., 19.30 Uhr, und So., 29.5., 18 Uhr (ausverkauft) Weitere Vorstellungen im Juni www.stadttheaterbern.ch
Die Berner Formation Emma & Co tauft in der Cappella ihr Album, «so oder so». Es ist eine betörende Mischung aus Pop, Jazz, Soul und Cabaret, die der Traurigkeit trotzt.
ng
osu
l Ver
3. HKB Big Band & SJO feat. Alexia Gardner (Mo., 30.5., 20 Uhr) Die tolle Arbeit von Bert Joris mit der HKB Big Band sowie die Konzerte des Swiss Jazz Orchestra verfolge ich seit Jahren mit Begeisterung.
ZVG
La Cappella, Bern Mi., 1.6., 20 Uhr www.la-cappella.ch
Ben Vatter ist Musiklehrer und Leiter mehrerer Berner Chöre. Der Chor-Coach der SF-Sendung «Kampf der Chöre» präsentiert nun mit dem Hebammenchor «Midwife Crisis» ein neues Programm (Reberhaus, Bolligen. Do., 26.5., 20 Uhr).
2. Bliss in der Eventhalle Benhur, Thun (Sa., 28.5., 20 Uhr) Bliss bietet A-Cappella-Gesang auf hohem Niveau.
Absolventin der Berner Jazzschule ihr Projekt als Duo, mittlerweile verstecken sich hinter dem «& Co» bis zu neun Musiker. Diese teilen die augenzwinkernde Vorliebe der Bandleaderin für Nostalgisches. «In einer Zeit, in der alles so modern ist, entschärft das Verstaubte die Ernsthaftigkeit», sagt Rutz, die auch ein Toy-Piano aus dem Brocki spielt. Mit Exbagatello «Grosi» hat sie bereits einen prominenten Fan und Plattengötti. Silvano Cerutti \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
von Ben Vatter
1. 50 Jahre Amnesty International mit Stiller Has, den Young Gods und La Patronne bei Bee-flat (Sa., 28.5., 21 Uhr) Gute Location, gute Musiker, guter Zweck.
Zur Leichtigkeit verstaubt Alter Jazz hat mehr Fans, als man glaubt. Der Italiener Raphael Gualazzi etwa landete trotz Erkältung auf dem zweiten Platz des European Song Contest. Es ist also nicht abwegig, dass sich die junge Bernerin Sara Rutz ebenfalls am Jazz der 30er-Jahre orientiert und dazu ihre soulige Stimme einsetzt. Dass sie noch verspielte Cabaretelemente hinzufügt, überrascht. Und dass sie aus der Poptradition des Berner Rock heraus komponiert, macht sie einzigartig. «Cabaret hat eine Leichtigkeit, dank der die Texte nicht zu schwer wiegen, selbst wenn ich etwas Trauriges singe», sagt Rutz alias Emma. 2008 startete die
3 Kulturtipps
ZVG
«Warum das Kind in der Polenta kocht» ist eine Geschichte über Einsamkeit und die Suche nach einem Zuhause. Nadine Schwitter und Philipp Ludwig Stangl inszenieren Aglaja Veteranyis Roman in den Vidmarhallen als Solo.
Thun und Bern gedenken des deutschen Dichters Heinrich von Kleist mit vielen Veranstaltungen. Eine führt auf den Friedhof.
Ihre Nostalgie hat Swing, ihre Melancholie den Schalk im Nacken: Emma hier ohne Co.
Einen Jazz-Muffel würde ich ins Bierhübeli mitnehmen, um ihm zu zeigen, wie frisch, innovativ und spannend Big-Band-Jazz sein kann. Der Energie und der Spielfreude dieser beiden Top-Big-Bands wird sich kaum jemand entziehen können!