N°23 Donnerstag bis Mittwoch 9. bis 15.6.2011 www.kulturagenda.be
Während zehn Tagen stellt das Schlachthaus Theater die Frage: «Wem gehört die Stadt?» Seite 3
Nach mehreren Jahren in Bern zieht es die Walliser Sopranistin Rachel Harnisch nach Zürich, wo grosse Rollen wie jene der Contessa in «Le nozze di Figaro» von W. A. Mozart auf sie warten.
«Das Lied ist anspruchsvoller als die Oper» Sie wohnt in Bern, aber ihre Auftritte hier sind selten geworden – jetzt singt die Sopranistin Rachel Harnisch gleich mehrere Konzerte: im Kultur-Casino und im Konservatorium. Sie gilt als eine der besten lyrischen Sopranistinnen ihrer Generation. Liegt es an ihrer bescheidenen und zurückhaltenden Art, dass sie nicht von den Titelseiten lächelt und in den FernsehTalkshows auftritt? «Ich habe schon meine Mühe damit, dass man heute nicht mehr nur aufgrund der Stimme und allenfalls des Spiels auf der Bühne beurteilt wird, sondern dass die öffentliche Vermarktung so wichtig geworden ist», sagt Rachel Harnisch im Gespräch. Die Walliser Sopranistin, die schon in allen grossen europäischen Häusern aufgetreten ist, lebt seit zehn Jahren in Bern. Es sind nicht gerade ihre Abschiedskonzerte, die sie in den kommenden Tagen gibt, aber der Umzug nach Zürich ist entschieden. «Ab 2012 habe ich einen Vertrag am Opernhaus,
der mir viel Freiheit lässt», freut sich Harnisch. «Zudem werde ich in Zürich einige meiner Lieblingsrollen singen können, etwa die Contessa in ‹Le nozze di Figaro›, die Micaëla in ‹Carmen› oder die Sophie im ‹Rosenkavalier›». Claudio Abbado Begonnen hatte alles 1998 bei einem Vorsingen für Claudio Abbado. Der Stardirigent wurde ihr «musikalischer Vater», und die Zusammenarbeit mit ihm zieht sich wie ein roter Faden durch ihre Karriere – etwa mit einer gemeinsamen CD mit Mozart-Arien. 2000 gab Harnisch ihr Debüt als Pamina in der «Zauberflöte» am Stadttheater Bern. Ebenso lieb wie das Opernhaus ist Harnisch die Konzertbühne, und dort vor allem das Lied. «Da kann ich am besten
mich selber sein», sagt sie. «Das Lied ist anspruchsvoller als die Oper, weil man ein Programm allein bestreitet. Aber man kann auch viel mehr von sich selber geben, da einem kein Regisseur vorschreibt, was man zu tun hat.» Das Kammermusik-Programm, das sie am Montag im Konservatorium Bern singt, hat sie gemeinsam mit ihrem Pianisten Jan Philip Schulze erarbeitet. Der Abend unter dem Titel «Liebesglück, Lust und Rausch, Trennungswahnsinn – und ein Mord aus Eifersucht» beleuchtet eine dramatische Palette zwischenmenschlichen Verhaltens. Das Programm zeige «verschiedene Aspekte der Frauenseele», präzisiert Harnisch. Einen Schwerpunkt bilden Schumann («Frauenliebe und Leben») und Schubert («Der Zwerg»). Enorme Sinnlichkeit Mit dem Berner Symphonieorchester verbindet Rachel Harnisch eine «langjährige und schöne Zusammenarbeit»,
Elektronik ohne Grenzen Michael Meienberg ist zugleich Labelchef, Musiker und Produzent. Auf seiner neuen EP, «Blurring the Boundary», lotet er die Grenzen der Elektromusik aus. Die Scheibe tauft der umtriebige Berner im Rössli in der Reitschule. ren begann. Seit 1999 macht er mit Matu unter dem Namen Everest Ambient-Musik. Gleichzeitig gründete er mit Kollegen die auf Elektro spezialisierte Plattenfirma Everest Records, die er heute betreut. Auch wenn Michael Meienberg seine Musik selber auflegt, reicht also die Bezeichnung DJ bei Weitem nicht, den umtriebigen Berner zu beschreiben. «Ich sehe mich vor allem als Produzenten und Musiker», meint er. Katharina Bornhauser \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Rössli Bar in der Reitschule, Bern Do., 9.6., 24 Uhr. www.roessli.be
\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
• Kultur-Casino, Bern. Do., 9., und Fr., 10.6., 19.30 Uhr (Mario Venzago, Dirigent, Rachel Harnisch, Sopran) • Konservatorium, Bern. Mo., 13.6., 19.30 Uhr (Rachel Harnisch, Sopran, Jan Philip Schulze, Klavier) g un los www.bsorchester.ch Ver
Seite 12 \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
3 Kulturtipps von Raphael T. Rigassi
Raphael T. Rigassi leitet die gleichnamige Kunstgalerie an der Münstergasse 62. Zurzeit ist eine künstlerische Gegenüberstellung der Werke des englischen Malers Ben Young und des deutschen Bildhauers Oliver Czarnetta zu sehen. (Galerie Rigassi, Bern. Bis 30.7.) 1. «Julia Steiner – Kaleidoskop» im Centre PasquArt (bis 12.6.) Eine Ausstellung, die den Besucher packt. Eindrucksvoll und nachhaltig – ein Must. Grosses Kompliment. 2. Harfenkonzert «Zeitreise» mit Severine Schmid in der Scherzligkirche Thun (Do., 9.6., 19.30 Uhr) Selten steht dieses Instrument im Mittelpunkt. Umso erfrischender ist es, in dieser vorsommerlichen Wärme seiner Musik zu lauschen. 3. Buchpräsentation «Hunger nach Gerechtigkeit» im Calvinhaus Bern (Mi., 15.6., 19.30 Uhr) Die Präsentation regt an und macht uns wichtige Zusammenhänge bewusst.
ZVG
«Blurring the Boundary» (etwa: verwischte Grenzen) heisst Michael Meienbergs neue EP – und der Name ist Programm: Die rhythmisch komplexen Tracks loten die Genregrenzen aus. Dub, Dub-step, Breakbeat und andere Spielarten der Electronica sind herauszuhören. «Im Vergleich zu meiner ersten EP ist die neue schwerer und auch etwas gemächlicher», sagt Meienberg. Er schafft fliessende Übergänge, vermeidet scharfe Kanten und jähe Tempowechsel. Meienberg hatte in diversen Rock- und Funkbands gespielt, bevor er sich für die elektronische Musik zu interessie-
wie die Sängerin betont. Im Symphoniekonzert vom Donnerstag und Freitag arbeitet sie erstmals mit dem neuen Chefdirigenten Mario Venzago zusammen. Maurice Ravels Liederzyklus «Shéhérazade» ist eine Art Kurzoper, in der die alte Geschichte der Prinzessin erzählt wird, die mit ihren Geschichten den rasenden König besänftigt. Harnisch liebt die «enorme Sinnlichkeit» der mysteriösen Komposition. Umrahmt wird das Liedprogramm mit dem BSO durch die Orchesterfassung von Alban Bergs erster Klaviersonate und Robert Schumanns dritter Symphonie, bekannt als die «Rheinische». Beat Glur
Bei «Tanz Made in Bern» präsentieren die Balletttänzerinnen und -tänzer des Stadttheaters ihre eigenen Choreografien.
ZVG
Priska Ketterer
\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Sprengt die Genregrenzen: Meienberg.
Zur Buchpräsentation «Hunger nach Gerechtigkeit» würde ich niemanden überreden … … sondern einfach alle Menschen im reichen und aufgeklärten Westen hinschicken.