N°24 Donnerstag bis Mittwoch 16. bis 22.6.2011 www.kulturagenda.be
Folk-Barde William White hat nach der Freiheit gesucht – und sie in Frutigen gefunden. Seite 6
Bo Lahola
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In ihrer verspielten Kostümierung (Adelaida Cue Bär) suchen Jenny Beyer, Anja Müller und Chris Leuenberger nach der Leichtigkeit des Seins.
Seine Geschichte erinnert an jene Billy Elliotts, seine Kunst verstört und verzaubert. Nun ist der Berner Tänzer und Choreograf Chris Leuenberger im avantgardistisch verspielten Triostück «I I I» in der Dampfzentrale zu sehen. Christoph Leuenberger war ein Waldund Wiesenkind und – man sieht es dem leicht verträumten jungen Mann sogleich an – er ist es im Innern bis heute geblieben. Auf einem Bauernhof im Oberaargau ist er aufgewachsen. In einem Dorf, wo Jungs nachmittags ihre Töffli reparieren und damit über die Landstrassen knattern. Der Sohn der Leuenbergers hatte andere Interessen. Er half im Gasthof seines Onkels aus, um sich Ballett- und Jazztanzstunden zu finanzieren. Während eines Besuchs des Musicals «Cats», zusammen mit seiner Mutter, hatte er die Faszination des Tanzes entdeckt. «Etwas geschämt habe ich mich damit schon in meinem kleinen Dorf», sagt der heute 32-jährige Leuenberger. Natürlich wurde gekichert, sobald er auftauchte, natürlich gab es
Hänseleien. «Auch mein Vater konnte mit meinen Interessen nicht viel anfangen, trotzdem unterstützte er mich.» Als Leuenberger dann im Gasthof seines Onkels ein amerikanisches Paar mit Kontakt zu einer renommierten Schauspielschule in Kalifornien kennenlernte, war sein Schicksal besiegelt. Er zog nach Kalifornien, um am Pacific Conservatory of the Performing Arts Schauspiel zu studieren. Später spezialisierte er sich auf zeitgenössischen Tanz und verbrachte weitere Jahre in Amsterdam an der School for New Dance Development, wo er choreografisch zu arbeiten begann. Tanz als Therapieform Heute ist Leuenberger als Mitbegründer verschiedener Performancegruppen und freier Choreograf international tätig
und gewann mehrere Auszeichnungen. Seine Soloperformance «Masculinity» (2008), eine persönliche künstlerische Verarbeitung von Männerbildern und seiner eigenen Maskulinität, schlug hohe Wellen. Das intime Thema und die zur Schau gestellten Gefühle irritierten oder begeisterten das Publikum. Leuenberger zeigt generell weniger, was er als Tänzer technisch kann, als vielmehr, was ihn als Mensch beschäftigt. «Je mehr der Künstler von sich preisgibt, desto unbequemer wird es für den Zuschauer.» Tanz sei eine Form von Therapie für Künstler und Publikum. Interessant sei, was mit dem Zuschauer während der Vorstellung passiere. Ein Solo zu dritt In letzter Zeit gelüstet es Leuenberger vermehrt nach leichteren Stücken. Ein solches ist «I I I», eine Zusammenarbeit mit den deutschen Choreografinnen und Tänzerinnen Jenny Beyer und Anja Müller. Das Stück, das 2010 in Ham-
burg uraufgeführt wurde, stammt in seiner Idee von Beyer. Drei Choreografen treffen aufeinander mit dem Interesse, in jeweils einem Körper drei choreografische Handschriften sichtbar zu machen. Augenfällig sind die Anspielungen auf Theaterbetrieb und Film. «Fast schon beliebig haben wir aus verschiedenen Quellen Elemente herausgeschnippelt und verarbeitet», sagt Leuenberger. Die Musik, gleichermassen ein Konstrukt aus Versatzstücken, steuert der deutsche Elektromusiker Jetzmann bei. Von vergleichbarer Leichtigkeit solle auch Leuenbergers Solostück «Gay» werden, das er demnächst in seinem Heimatdorf aufführen möchte. Denn vor Kurzem ist Leuenberger in seine Gegend der Wälder und Wiesen zurückgekehrt. Sarah Müller \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Dampfzentrale, Bern Fr., 17., bis Sa., 18.6., 20 Uhr www.dampfzentrale.ch
Im «Knopfkino» erfinden der Zeichner Mehrdad Zaeri und der Schauspieler Enno Kalisch Geschichten aus dem Stegreif. Ein Vergnügen zum Selbermitmachen im Geschichtenladen Tausendundzwei in der Länggasse.
von DJ Diferenz
Der Berner Ferenz Poor steht als DJ Diferenz an den Plattentellern. Er hat sich insbesondere an den Dubquest-Partys in der Dampfzentrale einen Namen gemacht. Am Freitag, 17.6., legt er ab 22.30 Uhr im Sous Soul seine Elektro-Platten auf.
2. Singles Night in der Dampfzentrale (Sa., 18.6, 22 Uhr) Bring deine Single-Sammlung mit und werde dein eigener Lieblings-DJ. Oder tanze einfach im schönen Foyer.
Das «Knopfkino» kommt mit wenigen Requisiten aus: mit Papier, Stift und einem Beamer, der die Zeichnungen an die Wand projiziert. Nach einem Stichwort aus dem Publikum beginnt Zaeri zu zeichnen und Kalisch erfindet dazu eine Geschichte. In der reagiert er dann aus dem Stegreif auf weitere Stichworte genauso wie auf Zaeris Zeichnungen. Grosse Kunst mit einfachen Mitteln. Silvano Cerutti
3. Jam Session im Sous Soul (Do., 16.6, 21.30 Uhr) Eine Jam Session mit JJ Flücks Hausband, mit wechselnden Gastsängern wie Greis oder Rich. Diesmal mit Paola Jean und Lenell Brown (USA).
ZVG
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• Geschichtenladen Tausendundzwei, Bern. Do., 16.6., 20 Uhr • AEK Caffè, Thun. Fr., 17.6., 20.30 Uhr www.geschichtenladenbern.ch
3 Kulturtipps
1. «Dislocación» im Kunstmuseum Bern (bis 19.6.) Wer die Ausstellung noch nicht gesehen hat, ab ins Kunstmuseum! Mit vielfältigen Mitteln zeigen diverse Künstler, dass Globalisierung mehr ist als SVPWahlkampfstoff. Nur noch bis Sonntag!
Kunst mit einfachen Mitteln «Es war Kollegenliebe auf den ersten Blick», sagt Roswitha Menke, Inhaberin des Geschichtenladens Tausendundzwei, über Enno Kalisch. Die Geschichtenerzählerin und den deutschen Tausendsassa verbindet die Improvisationsschauspielerei. Menke hat ihn zusammen mit seinem Partner Mehrdad Zaeri und ihrem Programm «Knopfkino» in die Schweiz eingeladen. «Kalisch hat die Gabe, Stimmungen und Dinge, die ihm zugeworfen werden, in seine Geschichten einzubauen. Ich habe laut gelacht, irgendwann hatte ich aber tatsächlich auch Tränen in den Augen», schwärmt Menke.
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ZVG
Der Tänzer auf dem Dorfe
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Der Belgier Hans Op de Beeck nimmt uns im Kunstmuseum Thun mit auf sein Kreuzfahrtschiff der unbegrenzten Möglichkeiten.
War im Jahr 2000 deutscher Vizemeister im Improvisationstheater: Enno Kalisch
Ich würde meine Freundin davon überzeugen, etwas länger zu bleiben, auch wenn sie am Freitag arbeiten muss, … … weil sich die Jam Session auf jeden Fall lohnt, yeah.