Berner kulturagenda 2011 N° 25

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N°25 Donnerstag bis Mittwoch 23. bis 29.6.2011 www.kulturagenda.be

Frischer Schliff für die Orgel in der Kirche St. Peter und Paul Seite 3 \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\

In eigener Sache André Corneillier

Simone Tanner verlässt die Berner Kulturagenda

Ab wann ist der Mensch ein Individuum? Diese Frage stellt das Stück «Is You Me», wenn die Tanzenden mit projizierten Strichzeichnungen verschmelzen.

Du und ich und die anderen Eine Frau mit platinblonden Dreadlocks sorgte in den Achtzigerjahren mit barbusigen Auftritten in Tutus und kraftvollen, beinahe agressiven Bewegungen für Furore. Die Rede ist von Louise Lecavalier, der 1958 in Montreal geborenen Tänzerin und Choreografin, die während vieler Jahre so etwas wie die Muse und das Aushängeschild der legendären Tanzkompagnie La La La Human Steps war. Heute konzipiert und tanzt die Kanadierin Stücke in Zusammenarbeit mit diversen Künstlern und Kompagnien. Zusammenarbeit ist auch ein Anliegen des Tänzers und Choreografen Benoît Lachambre. Schon der Name seiner 1990 gegründeten Kompagnie, Par B.L.eux, verweist auf diesen Umstand. Die Abkürzung steht für Benoìt Lachambre und «eux» – zu Deutsch «sie». Ge-

meint sind die Tänzer, Musiker und bildenden Künstler, die Lachambre für seine experimentellen Projekte jeweils ad hoc beizieht. Mit Louise Lecavalier arbeitete Lachambre bereits 2006 für das Stück «I Is Memory» zusammen. Gezeichnet und ausradiert Nun haben die beiden «Is You Me» kreiert, ein Stück, in dem sie das Individuum thematisieren und schliesslich sogar dekonstruieren. Thema ist die menschliche Identität und die Frage, was uns als Menschen eigentlich ausmacht und von der anonymen Masse abhebt. Die beiden Performer bewegen sich auf einer weissen Rampe vor einer riesigen Leinwand, auf die laufend abstrakte Zeichnungen projiziert und wieder aus-

radiert werden. Bald weiss der Zuschauer in diesem dreidimensionalen Bühnenraum des Pariser Künstlers Laurent Goldring nicht mehr, wo der Mensch aufhört und wo die Zeichnung anfängt. Die Silhouetten der Tänzer verschwinden hinter den illustrierten Figuren, die sich allmählich selbstständig machen, während die Körper zunehmend wie lebendig gewordene Zeichnungen im Raum wirken. Wir erkennen die Identität der Kapuzenpullis tragenden Tanzenden nicht, können weder ihr Alter noch ihr Geschlecht bestimmen. Das Ich und das Du werden zeitweise in gänzlich abstrakte Bilder aufgelöst. Minimalistische Beats Ebenso eindringlich wie die Bilder ist der Sound des 1961 in den USA geborenen Experimentalmusikers Hahn Rowe, von dem das Stück untermalt wird. Der international bekannte Produzent, Komponist, Violinist und DJ hat auch schon mit R.E.M und Moby zusammen-

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gearbeitet. Bei der Performance von Par B.L.eux spürt man vor allem seine Affinität zu Drum’n’Bass. Minimalistische Beats illustrieren die Bewegungen und Visuals oder erinnern auch mal an ein Meeresrauschen. Doch Hahn Rowes Repertoire reicht noch viel weiter, von Black Metal über Disco House bis hin zu Glam Rock. Wer den New Yorker Musiker schätzt, sollte nach der Performance noch nicht nach Hause gehen, denn Rowe gibt im Anschluss exklusiv ein Konzert. Par B.L.eux hat übrigens noch eine zweite Bedeutung. Schnell ausgesprochen, hört es sich an wie «par bleu!», der französische Ausdruck für ein meist genervt gestöhntes oder freudig überraschtes «Meine Güte!» Zum Beispiel: Par bleu, auf diesen Auftritt darf man sich freuen. Helen Lagger \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\

Dampfzentrale, Bern. Fr., 24.6., und Sa., 25.6., 20 Uhr. www.dampfzentrale.ch

Seit dreissig Jahren macht Vera Kaa Musik. In der Mahogany Hall präsentiert die temperamentvolle Luzernerin zusammen mit ihrer Band das aktuelle Album, «50 Ways».

Am Theaterfrühling im Kulturhof Schloss Köniz (27.6. bis 1.7.) zeigen 15 Schulklassen und Freizeitgruppen des Kantons Bern unter der Leitung von Theaterpädagogin Davina Siegenthaler Hugi ihre Theater- und Tanzproduktionen zum Thema «verdreht».

2. Ochsentour. Hoftheater von zapzarap in Gurzelen BE bei Familie Bühler (Sa., 25.6., ab 18.30 Uhr) Traditionelles Kulturgut neu und frech in Lied und Spiel zu gestalten und bei wechselnden Bauernfamilien zu gastieren, finde ich ein witziges Konzept.

Die Texte sind in Zusammenarbeit mit Vera Kaas Partner David Eldred entstanden, produziert und mitkomponiert hat das Album ihr Exmann Greg Galli. Obwohl der Blues auf «50 Ways» ganz klar den Ton angibt, flirtet Kaa auch mit anderen Stilrichtungen wie Pop oder Jazz. In «Einisch zviel» hat ihr Sohn Nicola Galli sogar einen Auftritt als Rapper.

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3. «Kleist-Retraite» von Schauplatz International im Tertianum in Thun (Do., 23., bis So., 26.6., 19.30 Uhr) Mir gefällt die eigenwillige und fundierte Auseinandersetzung der Gruppe mit verschiedensten Stoffen. Reto Camenisch

Simone Tanner

Mahogany Hall, Bern Fr., 24.6., 21 Uhr www.mahogany.ch

von Davina Siegenthaler Hugi

1. Hans Op de Beeck – Sea of Tranquillity im Kunstmuseum Thun (bis 4.9.) Die Bilder dieses vielseitigen Künstlers sind packend inszenierte Momentaufnahmen menschlicher Geschichten.

Verliebt in den Blues Vera Kaa ist musikalisch schon viele Wege gegangen, von Punk über JazzRock, Pop und Brecht bis zum Chanson. Ihr elftes Album, «50 Ways», gehört ihrer alten Liebe, dem Blues. Mal singt sie Englisch, mal Mundart. Und die Sängerin nimmt auch in ihren neuen Songs kein Blatt vor den Mund. In «Blues ain’t for Sissies» («Blues ist nichts für Sissies») feuert sie ihre charmanten Giftpfeile gegen jene Frauen ab, die sich um nichts anderes als ihr Aussehen kümmern. «10 Minuten» dagegen ist ein sehr persönlicher Song, in dem Kaa den Verlust eines Freundes verarbeitet.

3 Kulturtipps

ZVG

Die kanadischen Choreografen und Tänzer Benoît Lachambre und Louise Lecavalier präsentieren in der Dampfzentrale das Stück «Is You Me». Darin verwischen die Grenzen zwischen dem Einzelnen und der Masse.

Mit dem Artikel über Vera Kaa (siehe unten) verlässt Simone Tanner die Berner Kulturagenda. Seit 2009 arbeitete sie in unserer Redaktion. Nun wechselt sie zum «Bieler Tagblatt», wo sie das Kulturressort leiten wird. Redaktion und Verlag wünschen ihr viel Erfolg.

Vera Kaa singt über die kleinen und grossen Geschichten dieser Welt.

Einen Theatermuffel würde ich zur «Kleist-Retraite» überreden, … … indem ich ihn zum «Überraschungsausflug» einladen würde. Kann man an der Abendkasse vom 25.6. buchen.


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