N°28 Donnerstag bis Mittwoch 14. bis 20.7.2011 www.kulturagenda.be
Testkind Selim prüft für Sie die Berner Spielplätze. Diese Woche: Daumen hoch in der Muesmatt. Seite 4
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Miraculous Mule: Die Band um Sänger und Songwriter Michael J. Sheehy (2.v.l.) bezieht sich in ihren düster rumpelnden Songs auf möglichst alten Blues.
Das Gartenfestival hinter dem Café Kairo bietet musikalische Leckerbissen abseits des Mainstreams. Zum Beispiel die Band Miraculous Mule von Michael J. Sheehy, der den Blues als schwarzhumorigen Gospel singt. Der in London lebende Ire Michael J. Sheehy hatte gerade noch Zeit, sich in der Indie-Szene einen Namen zu machen. Danach wurde seine Karriere von der Krise der Musikindustrie in die Mangel genommen. Eine Zeitlang musste er sich mit Gratiskonzerten in Londoner Pubs über Wasser halten, an denen der Hut herumgereicht wurde. Ganz so übel ist seine Lage nicht mehr, weil er sich inzwischen auch als Veranstalter betätigt. Daraus entstand immerhin seine neue Band, Miraculous Mule. «Wir hatten eine Rhythm’n’Blues-Nacht für einen Londoner Club organisiert. In der letzten Minute musste uns die Band absagen. Die einzige Chance war, selber einzuspringen», erklärt er am Telefon. Mit Miraculous Mule trieb Sheehy seine Wurzelsuche noch einen Schritt weiter.
Schon bei seiner Band Dream City Film Club hatte er alten Gospel verarbeitet. In seinem anschliessenden Solowerk kam der Blues immer deutlicher zum Tragen. «Ich habe, wie wahrscheinlich viele in meiner Generation, Blues zuerst von Weissen gehört, von Elvis oder den Rolling Stones. Irgendwann möchte man wissen, von wem sie beeinflusst wurden.» Gefängnis-Blues Während seiner Suche nach alten BluesAufnahmen stiess Sheehy auf die Arbeit von John Lomax. Der Musikwissenschaftler hatte in den 1930-ern unter anderem Aufnahmen in Gefängnissen von Mississippi und Louisiana gemacht. Auf der Suche nach möglichst altem Liedgut fand er dort Langzeitgefange-
ne, die noch kaum Jazz gehört hatten. «Es ist auch nicht der übliche Stimmeund-Gitarre-Blues», erklärt Sheehy. «Es klingt mehr, als hätten die Männer während der Arbeit gesungen.» Flehen nach Erlösung Zu der Zeit, als die Aufnahmen entstanden, lehnten Blues und Gospel noch enger aneinander. «Es war nicht ungewöhnlich, dass sich Gospelsänger ein Pseudonym zulegten, unter dem sie den teuflischen Blues sangen», sagt Sheehy. Das Material von Lomax nutzte er schliesslich als Inspirirationsquelle für die Songs von Miraculous Mule: «Wir sind aber keine Puristen, die alles möglichst originalgetreu spielen wollen.» Tatsächlich hört man den Mule-Songs die urtümlich rumpelnde Vorlage an. Doch mit verzerrten Gitarren, treibenden Drums, einem scharfen Timing und wimmernden Orgeln klingt der Sound dann eher nach Nick Cave mit weniger apokalyptischem Drama.
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Dafür pflegt Sheehy auch zu gerne den schwarzen Humor, für den seine Texte schon berühmt-berüchtigt sind. «Ich mag dieses Gejammer nicht, dass alles nur schlecht ist», sagt er, «da hilft Humor auf jeden Fall, auch wenn er nicht immer offensichtlich ist.» Geblieben ist auch die Faszination des Atheisten Sheehy für den Gospel. Bei vielen seiner Songs hat man das Gefühl, der Sänger barme nach Erlösung. «Ja, diese Sehnsucht gibt es in meiner Musik», bestätigt er, «besonders heute, wo man kaum mehr davon leben kann.» Und es schallt ein lautes Lachen aus London aus dem Telefonhörer. Silvano Cerutti \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Gartenfestival, Café Kairo, Bern Fr., 15.7., 18.30 Uhr, Miraculous Mule, Stahlberger, King Pepe & Band Sa., 16.7., 18.30 Uhr, School of Zuversicht, G. Rag Y Los Hermanos Patchekos, Grand Pianoramax www.cafe-kairo.ch
Strahlendes Kino denen Mitteln. Für den Transport, per Velo oder ÖV, findet die Ausrüstung in zwei Veloanhängern Platz: zwei Solarmodule, Batterie, Leinwand, Projektor, Tonverstärker und natürlich Filme. «Die Filmauswahl treffen wir zu zweit», sagt Seiler. Diese ist klein, aber fein. In Bern werden fünf Filme, darunter ein Best-of der Kurzfilmtage Winterthur gezeigt. Mitbringen muss man nur noch Sitzkissen und Picknick. Sarah Müller Campingplatz Eichholz, Wabern Di., 19.7. bis Sa., 23.7., 21.30 Uhr Programm unter www.cinema-solaire.ch
Am Samstag, 16.7., starten die Berner Young Boys im Stade de Suisse gegen den FC Basel in die Fussballsaison der Super League. Mit dem neuen Trainer Christian Gross soll es endlich wieder klappen mit dem Meistertitel. 1. Zirkus Monti beim Psychiatriezentrum Münsigen (Mo., 18. bis Mi., 20.7.) Ich gehe gerne in den Zirkus. Ich schätze die Ambiance und die Kreativität.
3. Hans Op de Beeck im Kunstmuseum Thun (bis 4.9.) Ich habe das Kunstmuseum Thun aus Verbundenheit zur Direktorin Helen Hirsch gewählt. Zum Dank für einen Vortrag in meiner Basler Zeit hat sie mir damals einen Haifischzahn geschenkt.
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von Christian Gross
2. «Midnight in Paris» im Orange Cinema Bern (So., 17.7., 21.50 Uhr) Ich habe fast alle Filme von Woody Allen gesehen. Er ist für mich seit Jahrzehnten ein Meister der Beziehungsproblematiken.
Es ist wohl das kleinste Open-Air-Kino der Welt und das erste, das seine Filme mithilfe von Sonnenenergie ausstrahlt. Auf seiner Sommertour macht das «Cinéma solaire» Halt auf dem Campingplatz Eichholz. Erklärt Christof Seiler das Prinzip von «Cinéma solaire», klingt es poetisch: «Tagsüber sammeln wir das Sonnenlicht, abends lassen wir es wieder frei.» Seit bereits fünf Jahren sind der Winterthurer und sein Berner Kollege Reto Schmid in ihrer Freizeit mit dem mobilen 250-Watt-Unternehmen unterwegs und machen mit Solarenergie Kino. Die innovative Idee entstand während eines gemeinsamen Zivildiensteinsatzes. Offensichtlich war sie zündend, denn die beiden Tüftler fanden bei verschiedenen Energiefirmen sofort die nötige Unterstützung für das Projekt. Dieses funktioniert mit erstaunlich beschei-
3 Kulturtipps
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Inspiration aus dem Knast
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Jamiroquai mit Lebemann Jay Kay ist auf dem Gurten einer der Headliner. Unsere Konzerttipps und Benimmregeln zum Festival.
Tagsüber ein kleines Kraftwerk: Das Sonnenkino speichert die Sonnenenergie in einer Batterie.
Einen Fussballfan würde ich zum Besuch im Kunstmuseum Thun überreden ... ... mit dem Hinweis, dass es nicht nur im Stadion Spannendes zu sehen gibt. Und vielleicht zeigt Helen Hirsch ja irgendwann eine Ausstellung mit Bezug zum Fussball!