N°36 Donnerstag bis Mittwoch 8. bis 14.9.2011 www.kulturagenda.be
An der Saisoneröffnung der Berner Galerien dürfen Sie fragen, was die Kunst denn soll. Seite 3
Erik Noorlander
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Und das Theater Matte stellt mit seiner neuen Komödie die Gretchenfrage aller Paare: «Sag, wie hast dus mit der Treue?»
Auf dem Überseedampfer «Independent Trader» reisen die Passagiere in den verheissungsvollen Westen.
Das 3. Musikfestival Bern steht unter dem Motto «Flucht». Unter den über 50 Veranstaltungen zeigt etwa das Stadttheater die Uraufführung des experimentellen Musiktheaters «Der Wunsch, Indianer zu werden». Bern steht vom 8. bis am 18. September ganz im Zeichen der Musik. Von der Kammeroper über elektronische Musik bis hin zu musikwissenschaftlichen Vorträgen: Das 3. Musikfestival Bern präsentiert an 14 Standorten über 50 Veranstaltungen. 22 grosse und kleine Kulturveranstalter haben zusammen ein Programm unter dem Motto «Flucht» erarbeitet. Da ist etwa Khaled Arman, der aus Afghanistan flüchten musste. Mit dem Ensemble Kaboul spielt er traditionelle Musik aus seinem Heimatland. Oder das Ensemble Paul Klee. Es bringt eine Kammeroper von Grigori Fried zur Aufführung. Der russische Komponist vertonte «Das Tagebuch der Anne Frank» für Sopran und Ensemble. Den internationalen Wettbewerb hingegen, den
die Gesellschaft für neue Musik zum Thema «Flucht» ausgeschrieben hatte, gewann der Schweizer Klangkünstler Cyrill Lim. Seine elektronische Komposition «Weg» wird in der Dampfzentrale uraufgeführt. Mit Kafka und May nach Amerika Auch der Basler Regisseur und Komponist Leo Dick nahm «Flucht» als Ausgangsthema für sein Musiktheater, das am Stadttheater Bern uraufgeführt wird: den Versuch vieler Europäer, durch Auswanderung nach Amerika der Armut zu entkommen. «Mich fasziniert der mythische Name ‹Amerika›, die europäische Idee vom Land der unbegrenzten Möglichkeiten», sagt er. «Der Wunsch, Indianer zu werden» ist eine musiktheatralische Reise in
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die Fantasie Amerika, bei der die Zuschauer von Stewardessen durch die Katakomben des Theaters auf die Bühne geführt werden. Unterwegs begegnet man Figuren, die dem Kosmos von Franz Kafkas Roman «Der Verschollene» und den Abenteuerromanen von Karl May entlehnt sind. Da trifft man etwa Kafkas korpulente Sängerin Brunelda (Fabienne Jost) oder Hadschi Halef (Wael Sami Elkholy), den treuen Weggefährten in Mays Geschichten. «Kafka und May beschrieben zwei verschiedene Aspekte der Auswanderung», meint Dick. Der eine Held finde das Glück, der andere nicht. Oper mit Kuhglocken Die fiktiven Lebensgeschichten dienten als assoziatives Ausgangsmaterial zu Dicks Komposition. «Ich fragte mich: Wie klingt eine Reise nach Amerika?», erklärt er. Entstanden ist ein experimentelles Klangmosaik aus heterogenen Bausteinen. Dick verfremdet bei-
spielsweise Titelmelodien aus amerikanischen Filmen und arbeitet mit den klanglichen Möglichkeiten der bespielten Räume. Neben Ensemblemitgliedern werden auch Künstler aus der freien Szene mit Instrumenten wie Banjo, Oud, Kuhglocken oder Mundharmonika dabei sein. Er wolle die spezifischen Fähigkeiten der freien Künstler zu denjenigen der Spezialisten aus dem Opernbereich in ein Spannungsverhältnis setzen, erläutert Dick. Damit lässt er die Utopie ins Theater einfliessen, dass Menschen von verschiedensten Orten, über alle Schranken hinweg, etwas Neues aufbauen können. Ganz so, wie es einst der Mythos Amerika versprach. Regine Gerber \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Stadttheater, Bern Premiere: Sa, 10.9., 19.30 Uhr Programm Musikfestival: www.musikfestival.ch
Mit dem Shakespeare-Klassiker «Hamlet» eröffnet Schauspielchef Erich Sidler die neue Schauspielsaison des Stadttheaters. Seine Inszenierung zeigt, was geschieht, wenn sich ein Mensch seiner Macht bewusst wird.
Die Tänzerin und Choreografin Nicole Voyat führt das Tanzatelier «NiVo» in Bern. Nun zeigt ihre Hauscompagnie, Cie Encore 1X, das Tanzprojekt «Ego nos». (Pfrundschüür, Kulturhof Schloss Köniz. Do., 8., bis Sa., 10.9., 20.30 Uhr, und So., 11.9., 17.30 Uhr)
2. «Der Kontrabass» im Theater an der Effingerstrasse (Vorstellungen bis 27.9.) Das «Parfum» von Patrick Süskind hat mich überwältigt. Grund genug, mir seinen «Kontrabass» anzuschauen.
auf jener, geplagt von Zweifeln, in eine existenzielle Krise gerät. Auf der Bühne wird Hamlet oft als Zauderer dargestellt, nicht so in Sidlers Inszenierung. Vielmehr zeigt der Regisseur einen jungen Helden (gespielt von Andri Schenardi), der realisiert, dass er Macht und Einfluss hat und die Fäden fest in der Hand hält. Annette Boutellier
3. Ballettprobe zu «Ein Winternachtstraum» in den Vidmarhallen (Do., 8.9., 18 Uhr) Der Arbeitsprozess interessiert mich mehr als das Resultat. Die Proben erlauben einen Einblick und damit einen anderen Zugang zum Stück.
Michelle Schwarzenbach \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Vidmar 1, Liebefeld Di., 13.9., 19.30 Uhr Weitere Vorstellungen bis 10.3. www.stadttheaterbern.ch
von Nicole Voyat
1. Ernest Biéler im Kunstmuseum Bern (Ausstellung bis 13.11.) Malerei ist Nahrung für Auge und Seele, aber auch Inspirationsquelle. Mit Biéler kann ich einen mir noch unbekannten Schweizer Maler entdecken.
Hamlet hat die Macht «Hamlet» enthülle «desolate, marode Zustände», mache deutlich, dass ein Reich am Zerfallen sei, sagt Erich Sidler. Genau deshalb sei die mehr als 400-jährige Geschichte auch in der heutigen Zeit, in der politische Systeme der Reihe nach zusammenbrechen, noch aktuell. Shakespeares Tragödie spielt im Staat Dänemark, dessen Untergang mit dem Mord am alten König einsetzt. Während die Königin wieder heiratet, begegnet ihr Sohn Hamlet dem Geist des verstorbenen Vaters. Dieser erklärt ihm, sein eigener Bruder habe ihn umgebracht. Er verpflichtet Hamlet zur Rache, wor-
3 Kulturtipps
ZVG
Reise in die neue Welt
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Wild entschlossen statt zaudernd: Hamlet (Andri Schenardi) in Erich Sidlers Inszenierung.
Jedem Tanzneueinsteiger würde ich den Besuch einer Probe empfehlen, ... … weil der heutige zeitgenössische Tanz gewisse Vorkenntnisse verlangt. Ein Blick hinter die Kulissen verrät einiges, was im Theatersaal vorenthalten wird.