N°37 Donnerstag bis Mittwoch 15. bis 21.9.2011 www.kulturagenda.be
Nach mehr als zwei Jahren Umbau öffnet die Abegg-Stiftung ihre Tore wieder. Seite 3
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Sie haben aus dem Äthiopien der Sixties einen sagenhaften Schatz populärer Musik gehoben: Die Musiker des Imperial Tiger Orchestra aus Genf mit Gastsängerin Hamelmal Abate.
Der afrikanische Tiger aus Genf musik der späten 60er-Jahre. Die Band legt nun ihre eigene Interpretation dieser Musik, angereichert mit treibenden Grooves, vor.
Während damals der Nigerianer Fela Kuti im Westen Afrikas den Afrobeat erfand und damit die Clubs der Welt eroberte, entstand gleichzeitig im ostafrikanischen Äthiopien eine ganz eigene Populärmusik: Musiker verknüpften traditionelle, auf pentatonischen Skalen basierende Melodien mit Jazz, Rhythm’n’Blues und Funk. Es waren die grossen Jahre von Mulatu Astake und Tilahun Gessesse. Das französische Plattenlabel Buda Musique hat diese goldenen Jahre mit der legendären CD-Reihe «Ethiopiques» dokumentiert. Das Imperial Tiger Orchestra aus Genf knüpft an jene Ära an. Die sechs Musiker um den Trompeter Raphaël Anker gruben in der afrikanischen Musikgeschichte und stiessen auf den vergessenen Schatz der äthiopischen Populär-
Des Kaisers Brassband Dabei erliegt sie nicht den Versuchungen des billigen Ethnokitschs. Beim Imperial Tiger Orchestra gibt es keine Anbiederung in Form von bunten Tüchern, kein falsch verstandenes «going native» und kaum «traditionelle» Instrumente. Dafür haben sich ein indisches Dholak und thailändische Zimbeln ins Instrumentarium eingeschlichen. Solche Freiheiten nehmen sich die Musiker – und setzen mit einem heulenden Vintage-Synthesizer gleich noch eins drauf. Ansonsten dominieren satte Bläsersätze, während die Rhythmussektion mit Vorliebe ungrad wankende Rhythmen einstreut. Für das Konzert bei Bee-flat wird die Truppe ergänzt mit der äthiopischen Sängerin Hamelmal Abate und mit Endris Has-
Bei Äthiopien denkt man in der Regel an ein bitterarmes Land. Man erinnert sich an die Bilder der katastrophalen Dürre in den 80er-Jahren, und im Human-Development-Index steht das Land auf einem der hintersten Ränge. Das war einmal ganz anders. Äthiopien blickt auf eine stolze und ganz besondere Geschichte zurück. Als einziges Land des afrikanischen Kontinents war es nie unter kolonialer Herrschaft. Äthiopiens goldene Jahre Dies schlug sich auch kulturell nieder. In den 60er-Jahren beherbergte Addis Abeba eine blühende Musikszene. Clubs und Konzertlokale säumten die Strassen der Hauptstadt. Vielen älteren Äthiopiern ist diese Zeit noch in lebhafter Erinnerung.
san an der Masenqo, einer einsaitigen Laute Ostafrikas. Der doppelbödige Name des «Orchestras» verweist übrigens augenzwinkernd darauf, dass von der Stammbesetzung kein einziger aus Äthiopien kommt. Einerseits ist der Name eine Anspielung an die Imperial Bodyguard Band. Die Brassband der Leibgarde des damaligen äthiopischen Kaisers Haile Selassie mischte – man glaubt es kaum – in den 60er-Jahren kräftig mit in der populären Musikszene Addis Abebas. Die ganze Stadt tanzte zu den Grooves von des Kaisers Band. Andererseits ist der Name ein selbstironischer Verweis auf die Genfer Herkunft der Bandmitglieder. Tiger in Afrika? Die sind dort sozusagen sehr, sehr selten … David Loher \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Turnhalle im Progr, Bern So., 18.9., 20.30 Uhr www.bee-flat.ch
was gesucht vielleicht, aber im Ergebnis ein Kontrastprogramm, das es in sich hat. Und das sein Publikum fordern wird: Will Mario Venzago den Traum der Musikfans verwirklichen, so legt er, sportlich gesprochen, die Latte hoch. Die Grenzen der Zwanziger Gewiss, Mozarts Meisterwerk erschliesst sich ohne Weiteres auch ungeübter Hörerschaft. Alfred Schnittkes 1. Violakonzert von 1985 ist da schon schwerere Kost, ein gleichermassen melancholisches wie hastig getriebenes Stück, geschrieben in der Vorahnung einer weiteren Lebenskrise. Den an-
spruchsvollen Solopart spielt der deutsche Bratschist Nils Mönkemeyer. Mindestens seinen Zeitgenossen noch schwerer gemacht haben dürfte es Béla Bartók mit der Tanzpantomime «Der wunderbare Mandarin». Konrad Adenauer (damaliger Kölner Oberbürgermeister und später erster deutscher Bundeskanzler) verbot das Stück nach der Uraufführung 1926 aufgrund der angeblich unmoralischen Handlung. Offenbar hatten selbst die sündigen 20er-Jahre ihre Grenzen.
von Oswald Sigg
Der ehemalige Bundesratssprecher Oswald Sigg plädiert in seinem neuen Buch «Die käufliche Schweiz» gemeinsam mit dem Journalisten Viktor Parma für Reformen in der Demokratie. (Thalia Bücher, Loeb, Bern. Mo., 19.9., 20 Uhr)
2. Cuno Amiet im Kunstmuseum Bern (Ausstellung bis 15.1.2012) Amiet gehört zu meinen Lieblingsmalern. Er ist einer, der Worte und Farben zu fantastischen Sinnbildern verbindet. 3. «La Salamandre» im Kino Cinématte (Do., 15., und Sa., 17.9., 21 Uhr) Den Film von Alain Tanner mit Bulle Ogier und Jean-Luc Bideau möchte ich seit Langem wiedersehen. Eine Blüte des Schweizer Films.
Peter König \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Kultur-Casino, Bern Do., 15., und Fr., 16.9, 19.30 Uhr Prolog um 18.30 Uhr im Burgerratssaal mit Ivana Rentsch www.bsorchester.ch
Felix Broede
Ein Festival hat heute ein Motto. «Nacht» ist es in Luzern, «Flucht» nun in Bern. Ein generell negativ besetzter Begriff, ausser in der Musiksprache. Was liegt näher, als das 1. Symphoniekonzert des BSO mit «Fugato» zu überschreiben (lat.: fuga = Flucht)? Flüchten musste Mozart höchstens vor seinen Gläubigern, Béla Bartók und Alfred Schnittke hingegen erlebten das Flüchtlingsschicksal am eigenen Leibe. So passt bei Mozarts «Jupiter»-Sinfonie der Fugencharakter des grandiosen Schlusssatzes zum Thema, während es bei den beiden anderen Stücken eher die Biografie der Komponisten ist. Et-
3 Kulturtipps
1. Hektor Leibundguts Fotografien im Kornhausforum Bern (Ausstellung bis 17.9.) Weil ich einmal Fotograf werden wollte und es nie wurde, weil ich es nicht konnte. Leibundgut kann es.
Musikalische Fluchten Unter dem Titel «Fugato» steuert das Berner Symphonieorchester (BSO) ein mutiges Programm zum Berner Musikfestival bei. Es verbindet Mozart, Schnittke und Bartók.
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Béatrice Dèvenes
Das Imperial Tiger Orchestra aus Genf eröffnet die neue Bee-flat-Saison. Es interpretiert äthiopische Populärmusik der 60er-Jahre – und erinnert stellenweise an den treibenden Afrobeat Nigerias.
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«Absolut Zentral» nimmt die osteuropäische Literatur ins Visier und stellt unbekannte Nachbarn vor.
Soliert beim BSO: der deutsche Bratschist Nils Mönkemeyer.
Meine Frau würde ich überzeugen, mit mir «La Salamandre» anzuschauen, … … weil sie den Film sicher auch mag und weil ich sie anschliessend in der Cinématte zu Tapas und einem Glas Wein einlade.