Berner kulturagenda 2011 N° 39

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N°39 Donnerstag bis Mittwoch 29.9. bis 5.10.2011 www.kulturagenda.be

Multitalent Gilles Tschudi bringt den Max-Frisch-Klassiker «Homo faber» an die Effingerstrasse. Seite 3

Schauspieler Jeannot Hunziker (rechts im Bild) tritt in «Der kleine Prinz» nicht nur als Erzähler auf, sondern übernimmt unter anderem auch die Rolle des grimmigen Geschäftsmanns.

Die Auferstehung des kleinen Prinzen Mit seiner Puppenfassung von Saint-Exupérys Klassiker war das Ehepaar Loosli über 40 Jahre auf Tour. Nach einer 10-jährigen Pause hat Tobias Loosli das Vorzeigestück seiner Eltern neu aufgegriffen. Angefangen hat die Geschichte des Loosli’schen kleinen Prinzen im Jahre 1954: Peter Loosli war damals Schauspieler am Luzerner Theater, wo nur neun Monate pro Jahr gespielt wurde. Der junge Theatermann wollte sich aber auch im restlichen Vierteljahr künstlerisch verdingen. Als ihm ein Puppenspieler sein Handwerk vorführte, war er so begeistert, dass er sich kurzerhand entschied, selber Marionettist zu werden. Neben der Schauspielerei fing er an, verschiedene Puppenstücke zu inszenieren; schnell fand seine Adaption von Antoine de SaintExupérys «Der kleine Prinz» grossen Anklang beim Publikum. Zusammen mit seiner Frau Trudi, die später als Puppenspielerin dazukam, bezauberte er als Erzähler jahrzehntelang Kinder

und Erwachsene mit seinem poetischen Spiel. Für die Neuinszenierung hat er nun das Zepter an Sohn Tobias weitergegeben. Die Rolle des Erzählers übernimmt Schauspieler Jeannot Hunziker. Tobias Frau, Lois Loosli, führt die Puppen. Auf Initiationsreise im Weltall Die Geschichte des «Petit Prince» ist wohl den meisten bekannt: Mitten in der Wüste trifft ein notgelandeter Pilot auf eben diesen kleinen Prinzen, der ihm nach und nach seine Geschichte erzählt. Weil er die launenhafte Rose auf seinem Heimat-Asteroiden nicht mehr ertragen konnte, fing er an, von Planet zu Planet zu reisen, in der Hoffnung, einen Freund zu finden. Dabei trifft er auf verschiedene Personen, die alle so sehr

mit sich selber beschäftigt sind, dass sie gar nicht merken, wie einsam sie eigentlich sind. Dies erschreckt den Jungen und er zieht weiter, bis er schliesslich auf der Erde landet. Hier beeindruckt ihn die Begegnung mit dem Fuchs, der den wohl berühmtesten Satz der Erzählung ausspricht: «Wirklich sehen kann man nur mit dem Herzen. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.» Tobias Loosli vermutet, dass es die Weisheit und die Symbolkraft des «Petit Prince» seien, welche die Menschen so berühren. Der wunderbare Text von Antoine de Saint-Exupéry sei das wichtigste Element für das Stück. Loosli fügt an, dass durch die Figur des notgelandeten Piloten, welcher als Erzähler durch die Geschichte führt und diese einrahmt, das Märchen szenisch gut umsetzbar sei. Die Poesie der Reduktion Die neue Inszenierung des legendären Stücks unterscheidet sich in nur wenigen Punkten vom Marionetten-Ori-

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ginal: Ersetzt oder gestrichen wurden nicht mehr zeitgemässe Formulierungen, umgebaut auch Masken, damit mit freier Hand gespielt werden kann. Zudem wurden alle Stimmen der Nebendarsteller auf Band gesprochen und damit die Figuren auf der Bühne reduziert. Der rumänische Bratschist Marius Ungureanu hat zudem ein passendes musikalisches Universum für Looslis auferstandene Majestät geschaffen. Der kleine Prinz mit dem blonden Haarschopf, den grossen Knopfaugen und dem feinen Näschen ist ein Wesen, das nicht von dieser Welt ist. Umso berührender ist es, ihn in seiner Sinnsuche zu begleiten, welche durch das Loosli’sche Marionettenspiel in einen besonders faszinierenden Kosmos führt. Christine A. Bloch \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\

La Cappella, Bern So., 2.10., 15 Uhr Weitere Vorstellungen bis 15.1. www.la-cappella.ch

Mikroskopierte Musik

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Tonus-Music Labor, Bern Fr., 30.9., 21 Uhr www.tonus-music.ch

3 Kulturtipps von Simon Fankhauser

Ex-Bagatello-Sänger Simon «Simu» Fankhauser spielt seinen Mundartpop in einem Akustik-Doppelkonzert mit Gianni Spano (Bistrot Morillon, Bern. Fr., 30.9., 20.30 Uhr). 1. «Die Wahrheit» im Theater Matte (Do., 29.9., bis So., 2.10., und Mi., 5.10., 20 Uhr) Eine Komödie über Untreue und viele Fragen, die dabei aufkommen … Sehenswert wie alles aus der Feder von Livia Anne Richard.

3. Kurzfilmfestival shnit (ab Mi., 5.10.) Schon allein wegen der auffälligsten Werbung mit den pinken Velos und weil es einfach das innovativste OK hat.

Erik Schimschar

Minimalismus trifft sich mit unserem Ansatz, Musikstücke gleichsam zu mikroskopieren», so Heinke. Der Reduktion durch das Stahlcello unterliegen Werke von Bach oder Beethoven. Zusätzlich spielt das Quartett Eigenkompositionen. «Der grosse Unterschied zu allem Vertrauten liegt in der Langsamkeit», sagt Heinke, «Klang und Zeit liegen unter der Lupe.» Wer da durchblickt, entdeckt vielleicht eine neue Klangwelt. Annatina Foppa

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2. Rom-Schaerer-Eberle im Bee-flat (So., 2.10., 20.30 Uhr) Sie werde ich bestaunen, obwohl ich dem Jazz nicht viel abgewinnen kann. Ihre Mischung diverser Musikstile, beschmückt mit der eindrücklichen Stimme von Schärer, lassen mich freudig auf diese Klangmalereien warten.

Ein Stahlcello klingt so, wie es aussieht: reduziert, rein und atemberaubend schön. Sein Erfinder, Jan Heinke, gastiert mit seinem Stahlquartett im Tonus-Music Labor. Vielleicht braucht es für neue Klangwelten, die so viele Musiker erschaffen wollen, schlicht neue Instrumente. In den 90er-Jahren konzipierte der Dresdner Jan Heinke das erste Stahlcello, nachempfunden einer Metallskulptur von Bob Rutnam. Zwei massive Träger verbinden verschieden lange Stäbe, die «Saiten», mit einer resonierenden Edelstahlfläche. Der metallene Glanz und der reduzierte Aufbau des Instruments sind das visuelle Pendant zur musikalischen Ästhetik von Heinkes Stahlquartett. Schon letztes Jahr gastierte das Quartett in Don Lis Tonus-Music Labor. «Der von Don Li mitbegründete Schweizer

Nur auf den ersten Blick ein süsses Eiapopeia: Die neue Ausstellung im Zentrum Paul Klee zeigt auch unheimliche Kinderseiten.

ZVG

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Das deutsche Stahlquartett schafft mit ihren Stahlcelli die musikalische Entschleunigung.

Meinen lieben Bagatello-Freund Pädi, der nicht gern ins Kino geht, würde ich zum Shnit-Besuch überreden ... ... mit: «Chunnsch hüt as Shnit? Dashnit-e-Seich.» Und schon sitzen wir beide vor der Leinwand und geniessen richtige Unterhaltung.


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