N°44 Donnerstag bis Mittwoch 3. bis 9.11.2011 www.kulturagenda.be
Alles Walzer: Das Familienkonzert des Berner Symphonieorchesters geht auf Bildungsreise im 3/4-Takt. Seite 3 \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
ZVG
Das Ballett des Stadttheaters tanzt mit Shakespeare, Mendelsohn und dem jungen Prokofiev in die neue Saison.
Unterseebootkapitäne oder segelnde Landratten? Deep Submarine lotet die Tiefe der Jazz-Nautik aus.
Beharrliches Schaffen Wer tief tauchen will, braucht einen langen Atem. Während viele Jazzmusiker nur noch in kurzfristigen Projekten denken und Bands eine Halbwertszeit von vielleicht noch zwei, drei Jahren haben, ist die Band Deep Submarine eine wohltuende Ausnahme. «Wir verstehen uns explizit als Working Band», meint denn auch Peter Friedli, ihr Pianist und Hauskomponist. Mit dem Album «deep submarine blue» liegt nun ein Querschnitt durch das Schaffen des Quintetts vor. Beständiger Kern Die Anfänge von Deep Submarine – damals noch unter anderem Namen unterwegs – verlieren sich irgendwo im Nebel der späten 80er-Jahre. So ganz genau weiss das keiner mehr. Es ist der Be-
ginn einer anhaltenden musikalischen Freundschaft zwischen dem Pianisten Peter Friedli und dem Kontrabassisten Edi Kaeser. Wenig später stiess mit Rolf Huwyler der Schlagzeuger zur Band. Es dauerte eine Weile, bis das Trio Ende der 90er-Jahre mit Ivo Prato (Saxofon) zum Quartett anwuchs. Um diesen beständigen Kern herum gab es stets weitere Musiker, welche die Band komplettierten: Friedli erinnert etwa an die Perioden mit dem Gitarristen Philipp Schaufelberger oder dem Saxofonisten Tony Wilson. Kollektive Ästhetik Bis der Trompeter Daniel Woodtli zur Band stiess, vergingen abermals ein paar Jahre: In der jetzigen Formation existiert Deep Submarine seit 2004.
«Durch diese lange Zusammenarbeit hat sich mit der Zeit eine sehr starke kollektive Ästhetik entwickelt», sagt Friedli. Auch das nun vorliegende Album «deep submarine blue» hat eine längere Entstehungsgeschichte: Aufgenommen wurde es nämlich bereits 2008 – und zwar als eine der letzten Produktionen im legendären Studio 2 von Radio DRS, bevor dieses für das Kinderfernsehen umgebaut wurde. Vielfalt oder Beliebigkeit? «deep submarine blue» ist kein homogenes Album geworden – und die Musik lässt sich in ihrer Vielfalt nur schwer auf einen Nenner bringen: Von einem Blues (etwa dem melancholischen «Trocadéro Blues») geht es über einen reizvoll unbekümmerten Calypso («Morning Dance at Cecily’s») weiter bis zur Nummer mit den Funk-Anleihen («Fonky Ground» im Retro-Gewand der 80er). Unbekümmert wechselt Deep Submarine von ei-
nem Genre zum nächsten. Doch man hört der Band an, dass sie nur spielt, was ihr Freude macht. Ausserdem verlässt sie den Rahmen eines eingängigen Mainstream-Jazz nicht. Man könnte der Band nun Beliebigkeit vorwerfen. Andererseits will die Formation ihre Platte als eine Art Werkschau verstanden wissen, als einen Katalog, der einen Überblick über das bisherige Schaffen und die stilistische Breite gibt, und nicht als Konzeptalbum. «Wir wollten mit dem Album das Feld öffnen und möglichst viele Facetten unseres Schaffens zeigen», betont denn auch Friedli, von dem alle Kompositionen stammen. Diesen Anspruch erfüllt das Album denn auch ausgezeichnet.
David Loher \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
BeJazz-Club in den Vidmarhallen, Liebefeld Fr., 4.11., 20.30 Uhr www.bejazz.ch
Modern seit 1925 Das Robert Walser Zentrum präsentiert den «Räuber»-Roman im Forum Altenberg. Mit seiner Thematisierung des Schreibprozesses in der Geschichte ist der Text von 1925 heute noch hochmodern. konstruiert. Das ist spektakulär!» So verschwimmen die Grenzen zwischen dem Autor, dem Erzähler und dem Räuber bewusst. Walser hielt sogar Überlegungen zum Schreiben im Text fest – und spickte das Ganze mit einer grossen Portion (Selbst-)Ironie. Am Abend mit offener Fragerunde im Forum Altenberg lesen Reto Sorg, seine Mitarbeiter Lucas Marco Gisi und Peter Stocker sowie Bernhard Echte. Er hat Walsers Mikrogramme entziffert und ediert. Silvano Cerutti \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Forum Altenberg, Bern. Sa., 5.11., 19 Uhr www.forumaltenberg.ch
von Sue Weber
Die Bernerin Sue Weber ist Gründerin der «Talkfactory». Im Theater Katakömbli moderiert sie die Lesung mit Lukas Hartmann, die vom Cellisten Jonas Iten musikalisch umrahmt wird (Do., 3.11., 19.30 Uhr).
1. ABBA Gold im Hotel National in Bern (Sa., 5.11., 20 Uhr) Alle ABBA-Hits, verpackt in einer spektakulären Live-Show, sorgen mit Sicherheit für einen glamourösen und stimmgewaltigen Abend voller Nostalgie. 2. Andreas Thiel im La Cappella in Bern (Di., 8.11., 20 Uhr) Thiels neues Polit-Satire-Programm wird das Publikum mit Wortwitz zum Lachen und Nachdenken bringen. 3. Matinée im Forum Altenberg in Bern (So., 6.11., 11 Uhr) «Bühne frei für junge Talente» mit Elena Zhunke (Violine) und Raissa Zhunke (Klavier) zum Geniessen am Sonntagmorgen.
ZVG
Das Thema der Autofiktion wird im deutschen Sprachraum erst seit einigen Jahren breit verhandelt. Es dreht sich, salopp gesagt, um die Frage, wie und wo sich ein Autor von seinen Figuren unterscheidet und wie die Biografie das Erzählen beeinflusst. Der Schweizer Schriftsteller Robert Walser benutzte das eigene Leben konsequent als Steinbruch für seine Texte. Im Roman «Der Räuber» tat er das gar «mustergültig», wie Reto Sorg sagt, der das Walser Zentrum leitet. Mehr als das: «‹Der Räuber› ist bis heute etwas vom Modernsten, was man überhaupt lesen kann. Walser hat darin die klassische literarische Komposition de-
3 Kulturtipps
ZVG
Der Sound von Deep Submarine lässt sich kaum auf einen Nenner bringen. Auf eine CD hingegen schon: Am Freitag tauft die Band das neue Album «deep submarine blue» im BeJazz-Club.
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Bernhard Echte liest im Forum Altenberg mit. Er machte viele Walser-Manuskripte zugänglich.
Freunde, die noch nie ein klassisches Konzert besucht haben, würde ich von der Matinee überzeugen, ... ... weil die Begeisterung und Leidenschaft der jungen Künstler für diese Musik sicher auch meine Freunde faszinieren wird.