Berner kulturagenda 2011 N° 46

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N°46 Donnerstag bis Mittwoch 17. bis 23.11.2011 www.kulturagenda.be

Der Wettbewerb Swiss Press Photo prämiert jene Bilder, die unsere Sichtweise prägen können. Seite 3

Süss- statt Sperrholz Ungewohnt poppig mutet das Programm des Festivals Saint Ghetto dieses Jahr an. In der Dampfzentrale gastieren ein Idol des Grenzverkehrs und neue, eigenständige Stimmen.

Tanzpop mit Brüchen Da liegt er bestimmt nicht falsch. Vielversprechendes ist alleweil zu hören.

Da wäre die georgische Sängerin Natalie Beridze. Vordergründig animierender Tanzpop, trägt ihre Elektromusik schwerfällige Züge und eigenwillige Brüche. «So muss doch Popmusik aus dieser politisch und klimatisch unsicheren Gegend klingen», sagt Ziegler. Beridze hat bereits unter den Namen TBA und Tusia Beridze Alben herausgegeben und ist Mitglied des georgischen Elektro-Projekts Post Industrial Boys. Eine weitere junge Musikerin wird eher mit verschrobenen Songs aufwarten: Anika, die irgendwo im Niemandsland zwischen Krautrock, Post-Punk und Dub zu verorten ist. Am Paléo-Festival sah Ziegler einen etwas unglücklichen Auftritt. «Bei uns findet sie den richtigen Rahmen.» Dass sie von PortisheadSchlagzeuger Geoff Barrow gefördert

Mit einem Best-of in der Dampfzentrale: 80er-Popstar Marc Almond. ng

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wird, ist kaum zu hören. Dafür eine Reminiszenz Der zugleich selbstbewusste und zerbrechliche Gesangsstil der jungen Britin erinnert an Nico, die 1988 verstorbene Velvet-UndergroundSängerin. 80er-Ikone als Hauptattraktion Dieses Jahr gibt es auch einen echten Headliner zu sehen: Marc Almond. Wem der Name nichts sagt: Bei seinem ersten Hit als Sänger von Soft Cell, «Tainted Love» (1981), machts vielleicht Klick. Als typische 80er-Popnummer hat es der Song ins kollektive Musikgedächtnis geschafft. «Almond ist ein zweischneidiges Schwert», sagt Roger Ziegler, «und er ist eine Ikone des Grenzgängertums.» Denn Almond war nicht nur über Jahre für Hitparadenfutter zuständig, sondern mischte zugleich auch im Untergrund mit, «bei obskuren Bands» (Ziegler) wie Coil, Psychic TV und Current 93. Einer seiner grossen Songs war «Your Kisses Burn», ein Du-

ett mit – Nico, aufgenommen kurz vor deren Tod 1988. Der Glam-Pop-Sänger und seine vierköpfige Begleitband sind mit einem Best-of-Programm zu Gast in der Dampfzentrale. Eine Popmusik-Ikone also als Höhepunkt von Saint Ghetto. Ist das eine Trendwende? Roger Ziegler winkt ab: «Nächstes Jahr soll es wieder sperriger werden.» Michael Feller Dampfzentrale, Bern • Fr., 18.11., 20 Uhr: Esben and the Witch, Evangelista/ Carla Bozulich, Natalie Beridze, Dave Phillips • Sa., 19.11., 20.30 Uhr: Anika, Hauschka, Bit-Tuner, Syg Baas • So., 20.11., 19 Uhr: Marc Almond, «Ja, Panik», Kraut www.dampfzentrale.ch Am Freitag, 18.11., findet zudem eine Buchvernissage von Peter Kraut statt. Rezension: www.kulturagenda.be.

Die Berner Sängerin Simone Abplanalp spielt als Sans Claire feinfühligen Folk und Pop. Im Lokal in Bern gibt sie eine exklusive Kostprobe ihres neuen Albums (Sa., 19.11., 21 Uhr).

1. «Gut gegen Nordwind» im Theater an der Effingerstrasse in Bern (Vorstellungen bis 1.12.) Auf einer Zugreise habe ich den ganzen Roman ohne Pause durchgelesen. Die szenische Umsetzung interessiert mich. 2. Shirley Grimes in der Cappella in Bern (So., 20.11., 19.30 Uhr) Ich bin gespannt auf die neuen Songs der natürlichen Sängerin mit der kraftvollen und berührenden Stimme.

Bis Ende Januar beherbergt das Naturhistorische Museum das skurril-absurde Mäusemuseum der Objektkünstlerin Margaretha Dubach. Protagonisten sind in Puppenhausmanier inszenierte ausgestopfte Mäuse. aber auch das makaber und absurd Anmutende der Ausstellung. Die Zürcherin ist bekannt für ihre surreale Objektkunst. Ihr Mäusemuseum war ursprünglich Teil des «Musée Bizarre», welches Dubach zusammen mit ihrem Mann, dem Psychiater Jürg Willi, entworfen hatte. 2010 musste das Museum in Rieden bei Baden seine Tore schliessen. Nun bietet sich die Gelegenheit, das bezaubernde Kuriosum in Bern zu betrachten. Christine A. Bloch

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3. «Schund und Trallala» und Tuba & der Klangtisch in der Dampfzentrale Bern (Do., 17.11., 20.30 Uhr) Manuelle Elektronik mit dem umtriebigen Tubisten Marc Unternährer, danach eine musikalische Kioskromanlesung von Kate Leidehirn: Das verspricht einen vielseitigen Abend.

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Naturhistorisches Museum, Bern Ausstellung bis 29.1. www.nmbe.ch

von Simone Abplanalp

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Mausetot und doch lebendig Aus dem Dunkel des Raumes leuchten dem Besucher merkwürdige Szenerien aus kleinen Kästen entgegen. Im «Augental» etwa wachsen Augen aus den Blasen eines vulkanischen Bodens, welche eine als Bergwerksarbeiter kostümierte Maus abträgt, um sie der Seherin der Welt zu bringen. In ihrem «Mäusemuseum» hat die Künstlerin Margaretha Dubach die Abenteuer des Otto Maus in zweiundzwanzig Szenen nachgestellt. Die Protagonisten der liebevoll ausgestatteten Traumwelten sind ausgestopfte, verkleidete Mäuse. Gerade in dieser Vermenschlichung liegt das Faszinierende,

3 Kulturtipps

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Die Georgierin Natalie Beridze macht tanzbare Elektromusik mit Tiefe.

Das war nicht volle Absicht. Das musikalische Experiment steht ja ganz oben auf der Wunschliste der Dampfzentrale und der Mainstream ganz unten. Das ist beim Festival Saint Ghetto nicht anders, das den Randgebieten der Popmusik gewidmet ist. Weil aber die Dynamik des Festival-Programmierens nicht immer ganz berechenbar ist – die Sperrigen sperren, die Experimentellen experimentieren woanders, der Underground taucht nicht auf –, ist die Musik dieses Mal viel zugänglicher. Das sieht auch Roger Ziegler von der Dampfzentrale so. «Und doch: Für mich ist das Programm schlüssig.»

Kultur- und Freizeitangebote für Kinder gibt es viele in Bern. Unser Testkind Selim prüft sie in einer neuen Serie auf ihre Tauglichkeit.

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Im Land ohne Farben gefällt es Otto Maus und seiner Freundin Rosalinde gar nicht.

Jemanden, der nichts mit experimenteller Musik am Hut hat, würde ich in die Dampfzentrale mitnehmen, ... ... weil er durch den Klangtisch zuerst einen visuellen oder technischen Zugang finden könnte.


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