N°5 Donnerstag bis Mittwoch 2. bis 8.2.2012 www.kulturagenda.be
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Gute Nacht? Die Serie zum Berner Nachtleben geht weiter – diese Woche mit Christian Pauli. Seite 3 \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
ZVG
Er hat in Biglen mit Aschi Rüegsegger eine Kultfigur geschaffen. Nun zeigt Peter Leu die Komödie «Aschis Stärnstund».
Die Knabenkantorei Basel verstärkt das Berner Symphonieorchester auf seiner ausgedehnten Reise durch die musikalischen Welten des Gustav Mahler.
Eine Symphonie wie ein Universum Für Gustav Mahler (1860–1911) muss man keine Lanze mehr brechen, schon gar nicht nach den beiden Jubiläumsjahren: Dem 150. Geburts- folgte sogleich der 100. Todestag. Lange verkannt, ist das Schaffen des polyglotten Komponisten und Dirigenten aus Mähren heute zentraler Bestandteil des Konzertbetriebs. Nun wagt sich das Berner Symphonieorchester (BSO) an Mahlers Dritte. Die Symphonie Nr. 3 in d-Moll ist ein monumentales Werk mit sechs Sätzen und einer Spieldauer von fast 100 Minuten. Aufgeboten wird dafür ein Riesenapparat von Orchester, Chören und einer Solistin. Schon der erste Satz ist mit einer halben Stunde länger als viele Sinfonien von Mozart oder Haydn insgesamt. Mahlers ganze Klangwelt ist in der Dritten vorhanden, die schwebende
Süsse wie das klagend Gebrochene, das Idyll der Natur wie die Kakophonie des Chaos. Ein Riesenaufwand Das Werk beginnt mit kräftigen Hornstössen, gefolgt von Pauken und Streichertutti, und gleitet dann gleich ab ins fast Unhörbare – die Zeit vor dem Urknall? Diese Symphonie ist eine ganze Schöpfungsgeschichte, ein Universum. Und trotz Überlänge keine Sekunde langweilig. Stets mischt sich nach Aufführungen ein leises Bedauern in den Schlussjubel, dass sie nun doch schon zu Ende ist. Angesichts des Aufwandes (und der nötigen Verstärkung) überlegt sich jedes Orchester gut, ob es sich das antun soll. Trotzdem erscheint das Werk regelmäs-
sig auch auf Schweizer Konzertpodien, so neulich in Genf und Lausanne oder 2007 mit Claudio Abbado in Luzern. Die Dimensionen der Partitur sind eine Grenzbelastung, auch physisch wird den Mitwirkenden alles abverlangt. Gefordert wird eine gros-se Streicherbesetzung, je 17 (!) Holz- und Blechbläser (allein 8 Hörner) und mehr. Trivial oder genial? Und dann ist da, im dritten Satz, dieses aus der Ferne erklingende Posthornsolo. Darüber ist viel geschrieben worden: ein Hornsignal der k.u.k. Post? Eine alte Volksweise? Auch E.T.A. Hoffmann äusserte sich dazu. Er – nicht nur Schriftsteller, sondern auch Komponist und Musikkritiker – erkannte darin eine «unnennbare, ahnungsvolle Sehnsucht». Wo käme diese besser zur Geltung als in diesem Solo, dessen Süsse direkt ins Herz geht? Doch das Hornidyll – es soll für das Auftauchen des Menschen in der Schöpfung stehen – ist nicht von Dauer:
Jähe Brüche folgen und dann im vierten Satz die Klage des Mezzosoprans auf einen Text aus Nietzsches Zarathustra. Diesen Part übernimmt Birgit Remmert. Das Repertoire der Sängerin ist so breit gefächert, dass man ihr Unrecht täte, sie bloss als Mahler-Spezialistin zu apostrophieren, und doch ist sie auch das. Die Knabenkantorei Basel und der Damenchor des Stadttheaters wirken ebenfalls mit. Die Gesamtverantwortung liegt in den Händen von Eliahu Inbal, in Bern ein alter Bekannter. In jedem anderen Beruf wäre er längst in Rente. Doch am Dirigentenpult erfreut sich der mittlerweile 75-Jährige immer noch ungebrochenen Tatendrangs. Der ist auch nötig, um die lange Reise auf Mahlers überdimensionierten Supertanker anzutreten. Peter König \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Kultur-Casino, Bern Do., 2., und Fr., 3.2., 19.30 Uhr www.bsorchester.ch
David Kohler alias Knackeboul – ein Rapper für mich und dich? Mit seiner niederschwelligen Improvisationsschau ist der Schweizer Rap für Gross und Klein salonfähig geworden. Wobei Knackeboul mit seiner Entertainerqualität in der Schweizer Hip-Hop-Szene eine Ausnahmeerscheinung bleibt. Im Spagat Dass er jeden Spagat zu schaffen scheint, ist bemerkenswert. So bleibt der schlagfertige Künstler als Moderator seiner TVSendung «Knack Attack» auf Joiz für Junge glaubwürdig, obwohl er in Kindersendungen die Herzen der Jüngsten erobert.
3. Landschafter mit Julian Sartorius in der Dampfzentrale (Do., 9.2., 21 Uhr) Im Februar eröffnet der «Landschafter» Balthasar Jucker mit seinem mechanischen Schattentheater und zusammen mit dem Schlagzeuger Julian Sartorius neue audiovisuelle Räume.
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Bierhübeli, Bern. Fr., 3.2., 21.45 Uhr www.bierhuebeli.ch
Gabriele Schärer ist Regisserin und Dozentin an der Schule für Gestaltung Bern-Biel. Für die letzte Vorstellung ihres Films «Moi, c’est moi Ich bin ich» kommt sie mit ihren Darstellern in die Reitschule. (Kino in der Reitschule, Bern. Fr., 3., und Sa., 4.2., 21 Uhr)
2. «Moi, c’est moi – Ich bin ich» im Kino in der Reitschule (Fr., 3., und Sa., 4.2., 21 Uhr) Ein Film über das Vertrauen in die Kraft der Freundschaft.
Pascal Landerst
Nur mit Gudrun ist Knackeboul durch die Lande gezogen und ist mit ihr an Orten aufgetreten, wo man die Rapmusik nicht erwarten würde. An der Museumsnacht im Kunstmuseum Bern etwa oder in «Zambo», der Kindersendung des Schweizer Radios und Fernsehens. Bei Giaccobo/Müller hat der Langenthaler mit seinem Freestyle-Rap mehrmals ein breites Publikum begeistert. Dabei wurde er von eben dieser Gudrun begleitet – so hat er sein Loopgerät für die Aufnahme und Wiedergabe von Rhythmen benannt. Er produziert diese in Mund und Rachen, also in der Beatbox, und schickt sie dann in Gudruns Endlosschlaufe.
Nun hat Knackeboul sein neues Album, «Moderator», herausgegeben. Darauf wendet er sich zeitweise von seiner ansonsten konstant guten Laune ab und lässt auch schwierigere Themen zu – etwa im ersten Song, «David und Knackeboul», wo er über seine Kindheit rappt. Seine Texte unterlegt er über weite Strecken mit Elektrobeats und liegt damit im Trend des Schweizer Hip-Hop. Doch er tut dies inkonsequent. Bei allem Talent, bei allem Sprachwitz, den Knackeboul (auch) auf der Platte zeigt: Dem Werk fehlt der rote Faden, der das Gefühl der Beliebigkeit verhindern könnte. Den Spagat schafft auch ein David Kohler halt nicht immer. Michael Feller
von Gabriele Schärer
1. Lichtspiel-Sonntag Nr. 598 (So., 5.2., 20 Uhr) Lasst euch einen der letzten kultigen Kurzfilmabende in den Hallen der ehemaligen Schokoladenfabrik Tobler nicht entgehen.
Der Rapper für mich und dich Knackeboul, Rapper auf allen Kanälen, hat seine Reime und die Beatbox allgemein zugänglich gemacht. Nun ist er mit seinem neuen Album im Bierhübeli zu Gast. Darauf zeigt er auch auch Ecken und Kanten.
3 Kulturtipps
ZVG
Mit Gustav Mahlers Dritter strandet ein «Supertanker» der Symphonik im Berner Kultur-Casino. Das überwältigende Werk fordert den Beteiligten alles ab und sprengt musikalische Grenzen. Eliahu Inbal dirigiert das Spektakel.
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Frisch, freundlich, erfolgreich: Knackeboul.
Einen Freund, der sich grundsätzlich nicht für Musik interessiert, würde ich überreden, ans Konzert in der Dampfzentrale zu gehen, … … indem ich ihm vor Augen führen würde, dass er wahrscheinlich der einzige Berner ist, der noch nie einen Landschafter gesehen hat.