Berner kulturagenda 2012 N° 13

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N°13 Donnerstag bis Mittwoch 29.3. bis 4.4.2012 www.kulturagenda.be

Mitmachen und Gewinnen: Leserumfrage auf www.kulturagenda.be

Das Alpine Museum legt seine Sammlung aus. Ein Interwiew mit Direktor Beat Hächler. Seite 3

Felix Broede

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Die Platte heisst «Nacht», trotzdem dämmert es zwischen Hip-Hop und Electro: Baze und seine Boys on Pills taufen ihr Album.

Die Devise lautet: «Auf möglichst hohem Niveau scheitern». Pianist Lars Vogt gibt sich bescheiden.

Lars Vogt spielt im Kultur-Casino das Schumann-Klavierkonzert. Zum Auftakt in den Konzertabend des Berner Symphonieorchesters erklingt eine Komposition des Berners Roland Moser. Mario Venzago dirigert. «Die Romantik war eine gefährliche Ära für Künstler», sagt der Pianist Lars Vogt. Der liederliche Lebenswandel und die sehnsüchtige Weltenflucht bekamen einigen Komponisten schlecht. Man ist fast versucht, den Vergleich zu den Popstars des 21. Jahrhunderts zu ziehen. Syphillis-Patient Robert Schumann starb jedenfalls mit 46 Jahren. Noch schlechter erging es Frédéric Chopin (er wurde 39-jährig) und Felix Mendelssohn (38). Das 19. Jahrhundert war die Ära der grossen Gefühlsausschläge. In diese Zeit passt Schumann nicht nur wegen seiner Musik, sondern auch mit seinem tragischen Leben. «Der äussere Überschwang in Schumanns Kompositionen steht im Widerspruch zur Persönlichkeit, die sich mehr und mehr nach innen kehrte», sagt Vogt. Der 41-jährige

Deutsche spielt mit dem Berner Symphonieorchester (BSO) Schumanns aMoll-Klavierkonzert. Er weiss um die Tücken des Stücks: «Ein Teufelswerk. Besonders der letzte Satz ist eine Gratwanderung. Da ist man dauernd in Absturzgefahr.» Bei so grossen Werken gehe es darum, «auf möglichst hohem Niveau zu scheitern», stapelt er tief. Clara Schumann mochte Brahms’ 4. nicht Insgesamt stehen drei Orchesterwerke auf dem Programm. Nach der Pause spielt das BSO die 4. Symphonie von Johannes Brahms, die 30 Jahre nach Schumanns Klavierkonzert uraufgeführt wurde. Brahms’ Zeitgenossen reagierten vorerst mit Ablehnung auf das Werk. Unter ihnen Schumanns Witwe Clara, die zu seinem Freundeskreis

zählte. Danach wurde das Werk auf der Tournee von Kapellmeister Hans von Bülow zu einem grossen Erfolg. Die Tücken der Orchesterbesetzung Den Auftakt in den BSO-Abend machen aber die Orchestervariationen des gebürtigen Berners Roland Moser, eine rund 10-jährige Komposition mit dem Titel «Bild-Brechung». Der emeritierte Professor für Komposition an der Musikhochschule setzt sich seit seiner eigenen Studienzeit mit den Tücken der Orchesterbesetzung auseinander: «Es ist ein Instrumentarium aus einer anderen Zeit.» Die vielen Streicher dominierten in der Normbesetzung, es gebe wenig Möglichkeiten, ein Orchester anders klingen zu lassen, etwa mit einer elektrischen Gitarre oder mit einem Saxofon. Nachdem er in vorgängigen Orchesterkompositionen jeweils aus der «klassischen» Besetzung ausgebrochen war, hielt sich Moser in «Bild-Brechung» an

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die Norm. Er beschreibt die 20-minütige Komposition aus dem Jahr 2000 als «narrativ», als Bildbetrachtung. Als würde man ins Grübeln geraten, näher hintreten, um in den Ausschnitten das Werk zu erkennen. Mosers Komposition ist genau so aufgebaut: Zu Beginn erklingt ein Tutti, danach dominieren die einzelnen Instrumentalgruppen. In den Bausteinen des Orchesters soll dann die Komposition zu leuchten beginnen. Mario Venzago zählt den gebürtigen Berner «zu den besten zeitgenössischen Komponisten der Schweiz». Mosers «Bild-Brechung» war ein Auftragswerk des Symphonieorchesters Basel – die Uraufführung leitete vor gut 10 Jahren der damalige Chefdirigent Mario Venzago. Michael Feller \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\

Kultur-Casino, Bern Do., 29., und Fr., 30.3., 19.30 Uhr www.bsorchester.ch

Der Fotograf und Filmemacher Robert Frank richtet in seinen Arbeiten den Blick auf das Alltägliche. Die Ausstellung «Ferne Nähe» im Robert WalserZentrum ist eine Hommage an den Schriftsteller Robert Walser.

Yvonn Scherrer ist Redaktorin bei Schweizer Radio DRS 1 und verfügt über eine spezielle Fähigkeit: Sie hat sich die Nase zum Auge gemacht. Die blinde Autorin liest aus ihrem literarischen Erstling «Nasbüechli», in dem sie Geruchs-Episoden aus ihrem Leben festgehalten hat. (Buchhandlung Haupt, Bern. Di., 3.4., 19 Uhr)

2. «Sonohr» Hörfestival im Theater am Käfigturm (Fr., 30.3., bis So., 1.4.) Augen schliessen, eintauchen, Kino im Kopf, der Fantasie freien Lauf lassen. Das Leben ist ein Hörspiel!

Frank wurde in den 60er-Jahren durch den Fotoband «The Americans» bekannt. Darin zeichnete er ein ganz eigenes Bild der US-amerikanischen Gesellschaft. Im Walser-Zentrum sind 21 Fotografien aus der Zeit der 50er- bis 70er-Jahre zu sehen: allesamt Originalabzüge, von denen die meisten zum ersten Mal gezeigt werden. Begleitend zur Ausstellung erscheint ein Katalog, und das Kino Kunstmuseum würdigt Frank im April mit einer Filmreihe. Nelly Jaggi

Robert Frank

3. Shirley Grimes im Bären Buchsi (Sa., 31.3., 21 Uhr) Ihre Stimme geht mitten ins Herz. Ihre Lieder sind wie das Leben selbst: traurig, tief und schön.

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Robert Walser-Zentrum, Bern. Bis 31.5.2013 www.robertwalser.ch

von Yvonn Scherrer

1. Szenische Lesung mit Walter Däpp im Kornhaus (Do., 29.3., 18.30 Uhr) Walter Däpp ist ein sorgfältiger Journalist und ein schöner Mensch. Ihm einen Abend lang zuzuhören, zaubert ein Lächeln auf die Lippen, das sich hält.

Faszination für den Blick Was haben der Schweizer Fotograf Robert Frank und der Schriftsteller Robert Walser gemeinsam? «Beide interessieren sich für die Ränder der grossen Themen», meint Reto Sorg, der Leiter des Walser-Zentrums. Ausserdem sei beiden eine Faszination für den Blick gemein und eine ähnliche Haltung den Dingen gegenüber. Der Ausstellungstitel «Ferne Nähe», ein Begriff von Walser, umschreibt dies: Der Künstler holt Dinge zu sich heran und wandelt sie in einen Text oder eine Fotografie um. Dadurch entrückt er sie der Wirklichkeit und entfernt sich wieder von ihnen.

3 Kulturtipps

Walter Imhof

«Der letzte Satz ist ein Teufelswerk»

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Robert Franks Fotografien richten den Blick auf das scheinbar Nebensächliche.

Ich würde meinen Freund O., der in Konzerten immer einschläft, bitten, mit mir nach Buchsi zu kommen, … … weil ich überzeugt bin, dass Shirley Grimes auch sein Herz mit ihrer treffsicheren Schlichtheit erobert.


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