Berner kulturagenda 2012 N° 17

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N°17 Donnerstag bis Mittwoch 26.4. bis 2.5.2012 www.kulturagenda.be

«Los Carpinteros» zeigen im Kunstmuseum Thun ihre verfremdeten Alltagsobjekte. Seite 3 \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\

ZVG

Der 20-jährige Teo Gheorghiu, der 2006 im Film «Vitus» das Wunderkind spielte, tritt mit dem Berner Symphonieorchester auf.

Greis setzte vor 10 Jahren die Messlatte hoch, danach suchte er lange nach dem entspannten Arbeiten. Auf seinem neuen Album ist er seinem Ziel näher gekommen.

Greis tauft im Dachstock sein viertes Album «Me Love». Der Berner Rapper scheut darauf weder die Popmusik noch die Hilfe der jüngeren Kollegen. Und schon gar nicht die neue Leichtigkeit. «Me Love» spielt feine Popmusik. Ungewöhnlich entspannt rappt Grégoire Vuilleumier alias Greis darauf. Im Langzeitvergleich mit dem ersten Album «Eis», das politisch, ausgetüftelt und auch etwas verbissen daherkam, wirkt das vierte Album «Me Love» wie eine Rückenmassage. Was ist passiert? Beginnen wir von vorn. 20 Jahre alt ist der Mundart-Rap kürzlich geworden. 1992 nahm der Basler Rapper Black Tiger als Erster einen Song auf Schweizerdeutsch auf. Bald zogen die Zürcher nach, und auch in Bern formierte sich eine Szene. Die Aufnahmen aus den 90er-Jahren wirken heute geradezu rührend, weil die Sprechsänger damals eher unbeholfen über die Rhythmen holperten. Das Niveau des Raps steigerte sich. Eine regelrechte Zäsur war es, als ein bilinguer Berner, der

sich «Greis» nannte, sein erstes Album «Eis» veröffentlichte. Dieser ehrgeizige junge Greis hatte die Messlatte hoch angesetzt. Nicht nur, weil er technisch besser war als die anderen, sondern weil er gute Geschichten erzählte, politisch etwas zu sagen hatte und sofort sein Publikum fand. «Global» wurde zu einer Hymne der Anti-WEF-Bewegung und dröhnte an Demonstrationen aus den Boxen. Es gibt ein Leben nach dem Rap Danach galt es, den Erfolg zu toppen. Es folgten «2» und «3», auf denen die Fortschritte des Rappers zu beobachten waren, die aber nicht mehr zu Meilensteinen wurden wie der Erstling. Als Greis das vierte Album in Angriff nahm, ging gar nichts mehr. Die grosse Erwartung an sich selber blockierte

ihn. «Ich wollte allen gefallen», sagt er, der sich selbst als «grundsätzlich unsicheren Menschen» bezeichnet. Um den Knoten zu lösen, musste er sich eingestehen, dass es ein Leben nach dem Rap gibt. «Ich habe mich viel zu sehr mit meiner Rolle als Musiker identifiziert.» Jetzt sei er nicht mehr so fixiert. Mit dem Rap aufzuhören, wurde plötzlich zur Option, und erst mit dieser Einsicht gewann er jene Lockerheit, die er schon so lange gesucht hatte. Greis tönt auf «Me Love» so poppig wie nie zuvor. Claud, sein Produzent des Vertrauens, hat ihm einen Musikteppich ausgebreitet, der zum neuen Greis passt: Statt nur cool sein zu wollen, lassen die 16 Songs auch emotionale Süsse zu. Textlich wie musikalisch herausragend ist «Lazerman», der von einem Superhelden handelt und eine Subtilität beinhaltet, die Greis bei Musikern wie Kuno Lauener oder Baze immer bewundert habe. In «I weiss i bi guet» hat er seine Selbstzweifel umgekehrt und einfach mal das Gegenteil behauptet. Greis

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bezieht aber nach wie vor auch Stellung. Etwa in «Mini Bitch». «Du must lächeln beim Aufnehmen!» In der Plattentaufe im Dachstock tritt der Solothurner Manillio im Vorprogramm auf. (Für diejenigen, die Hip-Hop auch mit dem Herzen hören: Sein «Stärne» ist grossartig.) Greis, gewohnt bescheiden bis zum Understatement, sagt, er habe viel gelernt von dem 10 Jahre jüngerenRapper. «Manillio hat die Leichtigkeit erfunden.» Dem vielbeschäftigten Talent dürfte das schmeicheln, hat er doch aus Bewunderung für Greis zu rappen begonnen. Seinem einstigen Vorbild hat er geraten: «Du must lächeln beim Aufnehmen!» Greis hat den Tipp fürs neue Album befolgt – und tönt nun tatsächlich relaxter als je zuvor. Michael Feller \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\

Dachstock in der Reitschule, Bern Sa., 28.4., 21.30 Uhr. www.dachstock.ch Verlosung : 2 × 2 Tickets tickets@kulturagenda.be

Bewegter A-capella-Kosmos

Der 1941 geborene Theo Umhang ist Historiker und selbstständiger Kulturveranstalter in der Stadt Bern. Seit 2003 führt er mit Susanne Schmid die Geschichts- und Kulturwerkstatt «raum» im Breitenrain, die Veranstaltungsort und Galerie in einem ist. Am 27. April feiert der Künstler Christoph Hauri mit der Ausstellung «Nurdadurchda» darin Vernissage (Ausstellung bis 11.5.).

2. «Filigrane» ab 27.4 im 9a am Stauffacherplatz (Ausstellung bis Sa., 12.5.) Die filigrane Kunst von Rosmarie Reber zu entdecken, ist ein Muss!

Bewegungen, akustische Leichtigkeit und Humor. Für sein Schaffen hat der 37-Jährige Anfangs Jahr den renommierten Deutschen Kleinkunstpreis erhalten. In seinem zweiten Soloprogramm «Cosmophon» kommen ein E-Piano sowie eine Projektionswand zum Einsatz, mit denen der Stimmtänzer seine Klanggeschichten um eine Dimension erweitert.

Thomas Buchwalder

3. ArtStadtBern in der Altstadt. Information: www.altstadtbern.ch (Fr., 27., und Sa., 28.4.) Kunstschaffende verwandeln verborgene Räume zu Kunsträumen. Wir dürfen Kultur für einmal suchen statt besuchen.

Christine A. Bloch \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\

Theater am Käfigturm, Bern Do., 26., und Sa., 28.4., 20 Uhr www.theater-am-kaefigturm.ch

von Theo Umhang

1. «L’éternité et un jour» im Kino Kunstmuseum (Mo., 30.4., 19 Uhr) Der erste Film einer feinen Hommage an Theo Angelópoulos.

Live-Sampling in Perfektion: Der St. Galler Stimmkünstler Martin O. hat im Februar den Deutschen Kleinkunstpreis erhalten. Im Theater am Käfigturm präsentiert er sein neues Programm «Cosmophon». Seine Instrumente sind die Stimmbänder und die Beatbox. Mit Mund, Nase und Rachen produziert Martin O. Rhythmen und Klänge, die er mit dem Loopgerät aufnimmt. Das Aufgezeichnete spielt er gleich wieder ab, um eine weitere Tonschicht darüberzulegen. So vervielfacht sich der Stimmakrobat gleich selber, und seine Kompositionen wachsen zu mehrstimmigen Klangwerken an. Das Live-Sampling hat er beim Kontrabassisten Mich Gerber entdeckt. Der gelernte Primarlehrer Martin Ulrich ist nicht nur ein begnadeter Stimmkünstler, sondern auch ein hervorragender Unterhalter. Er besticht durch flinke

3 Kulturtipps

ZVG

Die neue Lockerheit des Klassenprimus

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Ein bisschen Magie gehört zur Show: Martin O., der Stimmenakrobat.

Ich würde einen Freund zu den verborgenen Räumen in der Altstadt mitnehmen, ... ... weil es doch spannend ist, wie vielfältig sich die Kunstschaffenden mit ihren selbst gewählten Räumen auseinandersetzen.


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