N°23 Donnerstag bis Mittwoch 7. bis 13.6.2012 www.kulturagenda.be
Die Kulturagenda fürs Smartphone!
Mark O’Connor fiedelt mit der Camerata Bern – und das ist alles andere als abschätzig gemeint. Seite 3
2012, ProLitteris, zürich
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Zwei Plattentaufen im Rössli von Bands, die unterschiedlicher nicht sein könnten: The Shit (Bild) und Tim & Puma Mimi.
Ästhetisch ansprechend, aber mit schrecklichem Hintergrund sind die Bilder von Zarina Bhimji. Die Fotografie «Your Sadness is Drunk» zeigt heruntergekommene Häuser in Uganda.
Von der Kunst, in Kleider zu schlüpfen In einem Bilderrahmen hängen drei Landkarten. Sie sind zu Mädchenkleidern gefaltet. Eine Karte zeigt den indischen Subkontinent, eine andere Ostafrika und eine dritte Europa. Die Arbeit «Untitled (A Sketch)» steht am Anfang der Ausstellung von Zarina Bhimji im Kunstmuseum Bern. Sie ist sinnbildlich für das Leben der 49-jährigen Foto- und Videokünstlerin: Bhimji hat indische Wurzeln, verbrachte ihre Kindheit in Uganda und absolvierte ihre Kunstausbildung in England. Die Biografie ihrer Familie ist zentral in ihrer Kunst. Briten brachten Bhimjis Vorfahren um 1900 von Indien nach Uganda. Dort mussten sie mithelfen, die Eisenbahn aufzubauen. 1963, ein Jahr nach der Unabhängigkeit Ugandas, kam die Künstlerin zur Welt. 1972
wurde die gesamte indischstämmige Bevölkerung von Diktator Idi Amin vertrieben. 1974 fand Bhimjis Familie in Grossbritannien Zuflucht. Die Biografie der Künstlerin ist nicht in erster Linie wegen des historischen Dramas wichtig, sondern weil sich die kulturellen Identitäten der drei Regionen wie ein roter Faden durch ihr Werk ziehen. Bhimji schlüpft in verschiedene Kleider und richtet dabei den Blick auf das Machtgefüge der Kulturen. Sorgfältige Spurensuche 2002 realisierte sie für die Documenta 11 in Kassel ihre erste grosse Filminstallation «Out of Blue» («Aus heiterem Himmel»), für die sie mehrere Reisen nach Uganda unternahm. Die Arbeit, die auch in Bern zu sehen ist, besteht
aus einer Aneinanderreihung ästhetisch ansprechender Bilder, die einer assoziativen Dramaturgie folgt. Die Aufnahmen zeigen bedeutungsvolle historische Schauplätze in ihrer heutigen, unspektakulären Erscheinung. Einzig die Tonspur lässt erahnen, dass eine Verbindung zum traurigen Schicksal der Inder in Uganda besteht. Zu hören sind Radioansprachen aus der Zeit von Bhimjis Kindheit. «Out of Blue» wird durch die Fotoserie «Love» ergänzt. Sie zeigt 45 Aufnahmen, die während der Recherche in Uganda entstanden. Es sind verlassene Gebäude und Landschaften in der distanzierten Sicht, die für die Künstlerin typisch ist. Platz für die eigene Sicht Bhimji möchte mit ihren Arbeiten die Geschichte mit dem Blick derjenigen ergänzen, die keine Stimme haben. Der «weisse Blick» der Kunstgeschichte soll nicht der einzige bleiben.
Ihre Fotografien und Filmaufnahmen sind menschenleer. Sie lässt es dem Betrachter offen, seinen eigenen Platz in ihrer Geschichte zu finden. Zugleich verzichtet sie damit auf einseitige Anklagen. Und das macht eine grosse Qualität ihrer Arbeit aus. Erste Retrospektive der Künstlerin Die Ausstellung im Kunstmuseum Bern ist die erste Retrospektive der Künstlerin. Kuratorin Kathleen Bühler hat sie in Zusammenarbeit mit der Whitechapel Gallery in London organisiert, wo sie bereits im Frühling gezeigt wurde. Sie hat nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, sondern will vielmehr wichtige Stationen in Bhimjis Werk beleuchten. Nelly Jaggi \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Kunstmuseum Bern Ausstellung bis 2.9. www.kunstmuseumbern.ch
Plakative Streitereien Das Luzerner Komikerduo Ohne Rolf zankt sich zwar wortgewaltig, aber still: Es sprechen nur die Plakate. In der Cappella präsentieren die innovativen Sprachakrobaten ihr neues Stück «Unferti». Beziehung der beiden Protagonisten. Sie zeigen die lustigen und absurden Situationen, die entstehen, wenn zwei Freunde die Dinge aus sehr verschiedenen Warten wahrnehmen. Mit ihrer plakativen Unterhaltung im besten Wortsinn haben die beiden Luzerner eine neue Kunstform ins Leben gerufen. Dafür erhielten sie 2004 an der Künstlerbörse Thun den Innovationspreis «SurPriX». Christine A. Bloch \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
La Cappella, Bern. Fr., 8.6., bis Fr., 15.6., 20 Uhr (So. und Mo. keine Vorstellung) www.la-cappella.ch
von Nina Suter und Etienne Huss
Etienne Huss (18) und Nina Suter (17) spielen seit acht Jahren Theater bei der Jungen Bühne Bern. Als Nächstes zeigt ihre U18-Gruppe das Stück «Demotape» (Ab Do., 7.6., Probebühne Brückenpfeiler). 1. «Warnung: Kommunizieren gefährdet» im Museum für Kommunikation (Ausstellung bis 15.7.) Immer und überall mit dem Internet und mit sozialen Netzwerken verbunden sein kann auch Gefahren bergen. 2. «Ufo in her Eyes» im Kino Kunstmuseum (Do., 7.6., bis Mi., 13.6., 20.30 Uhr, Vorstellungen bis 20.6.) Es ist sicher spannend, einen Film zu sehen, der nicht in unserer Kultur spielt. Ausserdem scheint die Geschichte interessant. 3. «Livia 13» in den Vidmarhallen (Sa., 9.6., 19.30 Uhr) Eine Produktion vom Jugendclub des Stadttheaters Bern. Für uns ist es immer spannend, andere Jugendliche auf der Bühne zu sehen und uns hinterher mit ihnen auszutauschen.
ZVG
Christof Wolfisberg und Jonas Anderhub von Ohne Rolf haben sich viel zu sagen. Die Sätze und Wortspiele fliegen nur so hin und her, je nach Gefühlslage mal schneller, mal langsamer. Dabei sind keine Stimmen zu hören, höchstens das Rascheln von Papier. Die Darsteller kommunizieren nämlich über die Schrift. Sie sitzen auf einer Bocksleiter hinter einem schwarzen Kasten, aus dem sie auf Weltformatpapier vorgedruckte Sätze fischen, um sie in Richtung Publikum aufzuhängen. In ihrem dritten abendfüllenden Programm «Unferti» erzählt Ohne Rolf mit 1050 Plakaten von der langjährigen
3 Kulturtipps
Eva Kirchberg Hebing
Das Berner Kunstmuseum zeigt die erste Retrospektive von Zarina Bhimji. Die Foto- und Videoarbeiten der Engländerin mit indischen Wurzeln und ugandischer Kindheit zeigen Machtverhältnisse, ohne anklagend zu sein.
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Man glaubts kaum, aber die Plakate von Ohne Rolf fesseln einen tatsächlich einen Abend lang.
Wir würden einem Freund von uns empfehlen, ins (Jugend-)Theater zu gehen, … … damit er auch mal sehen kann, was uns daran so Spass macht.