N°26 Donnerstag bis Mittwoch 28.6. bis 4.7.2012 www.kulturagenda.be
Die Kulturagenda fürs Smartphone!
Rock’n’Roll lieber im Wald oder mitten in der Stadt? Zwei Open Airs machen beides möglich. Seite 3
Lässt sich nicht in eine Ecke drängen: Der Luxemburger Pianist Francesco Tristano verbindet Johann Sebastian Bach und John Cage – und bewegt sich auch sonst abseits üblicher Pfade.
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Grenzen überschreiten mit John Cage Mit dem zweitägigen Festival «Cage@Klee» begeht das Zentrum Paul Klee das 100. Geburtsjahr des US-Komponisten John Cage. Mit von der Partie ist Ausnahmepianist Francesco Tristano mit seinem Projekt «bachCage». «Ein gutes Piano-Rezital ist wie ein DJ-Set», gab Francesco Tristano der deutschen Wochenzeitung «Die Zeit» zu Protokoll. Der Luxemburger ist eine Ausnahmeerscheinung: Als Pianist ist er im Klassikbetrieb genauso geschätzt wie auf den Dancefloors als TechnoMusiker. Auch mit seiner Formation Aufgang agiert er zwischen Jazz, Electro und Klassik, und als Solist mag er die Kooperationen, etwa mit der DetroitTechno-Legende Carl Craig. Originalität bewies Tristano auch, als er seine hochgelobte CD «bachCage» einspielte. Nahtlos reiht er darauf eine Auswahl von Werken von Johann Sebastian Bach (1685–1750) und dem AvantgardeKomponisten John Cage (1912–1992) aneinander. Diesen «Mix» führte Tristano so virtuos aus, dass «der Alte mo-
derner klingt und der Neutöner weniger rau», wie es ein Kritiker auf den Punkt brachte. «Es ist uns hochwillkommen, dass Tristano ein Grenzgänger ist und eine neue Generation vertritt, die sich auf verschiedenen Bühnen bewegt», sagt Peter Fischer. Der Direktor des Zentrum Paul Klee freut sich sichtlich: Mit Tristano konnte er einen Star verpflichten, der exakt zum Mix seines spartenübergreifenden «Cage@Klee»-Festivals passt. Die Sparten verbinden Darin steht auf der einen Seite Paul Klee: offen, neugierig, wenn auch in Sachen Musik eher an Bach und Beethoven orientiert. Auf der anderen Seite John Cage, der 1939 eine Ausstellung mit Klee-Bildern in den USA organi-
sierte. Fischer macht zudem auf eine Parallele aufmerksam: «Cage war auch als bildender Künstler tätig. In einer Projektion stellen wir unkommentiert Bilder der beiden gegenüber.» Man werde sehen, dass die Arbeiten auf einer verwandten künstlerischen Grundhaltung beruhten, obwohl sie voneinander unabhängig seien. Mit «Cage@Klee» verdeutlicht Fischer, was er meinte, als er bei seinem Stellenantritt letzten Herbst sagte, er wolle die verschiedenen Sparten seines Hauses bei einem Generalthema stärker verbunden sehen. Nun vereint er ein wissenschaftliches Symposium, Jazz, Klassik, bildende Kunst und Tanz zum Happening für Kenner und Laien gleichermassen – sogar für Fussballfans. Die Abende sind wegen des EM-Finals jeweils «spielfrei». Cage zum Selberspielen Wichtig ist Fischer zudem, dass er den grössten Teil des Programms mit
Künstlerinnen und Künstlern aus der Region Bern bestreitet. «Bern verkauft sich kulturell unter Wert», findet er und verweist darauf, dass der 100. Geburtstag von Cage in der Schweiz sonst relativ bescheiden begangen wird – während er etwa in Deutschland und natürlich den USA hohe Wellen werfe. Das Familienkonzert schliesslich gehört mit zum «Verschlaufen der Disziplinen», wie es Fischer nennt. Zusammen mit dem Publikum wird die Musikerin Gertrud Schneider in einer Stunde Cages «Living Room Music» einstudieren und aufführen. Während des Mitspielens am Stück mit Tönen von Alltagsgegenständen verdeutlicht sich die Arbeitsweise des Ausnahmekomponisten quasi von selbst. Silvano Cerutti \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Zentrum Paul Klee, Bern Sa., 30.6., ab 14 Uhr, So., 1.7., ab 11 Uhr Franceso Tristano: So., 1.7., 17 Uhr www.zpk.org
Unter dem Namen In Flagranti sorgen Alex Gloor und Sasa Crnobrnja mit Elektromusik und humorvollen Videoclips in Clubs für gute Stimmung. In der Dampfzentrale präsentieren die Basler die frischesten Früchte ihrer Arbeit.
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Dampfzentrale, Bern. Sa., 30.6., 23 Uhr www.dampfzentrale.ch, www.codek.com
3 Kulturtipps von Andreas Rupp
Andreas Rupp engagiert sich seit fünfzehn Jahren für die Mahogany Hall, seit drei Jahren präsidiert er den Vorstand des Berner Musikclubs am Klösterlistutz. Am Freitag feiert der hauptberufliche Banker mit der Rockband The Siffmachine den Saisonabschluss. (Fr., 29.6., 21.30 Uhr)
2. Red Hot Chili Peppers (Stade de Suisse, Bern. Di., 3.7., 19 Uhr) Nach fader Meisterschafts-Fussballkost nun rassig gewürzte musikalische Unterhaltung. 3. «Holzers Peepshow» (Gurten, Wabern. Premiere: Sa., 30.6., 20.30 Uhr, Vorstellungen bis 25.8.) Ein heiteres Stück um eine Bauernfamilie zum 10-Jahr-Jubiläum des Freilichttheaters Gurten.
ZVG
1996 haben sie ihr Elektro-Label Codek Records gegründet. Während Crnobrnja für die Produktion der Musik zuständig ist, übernimmt Grafiker Gloor die Gestaltung der Covers und der Videos. Für ihre eigenen Stücke lassen sie sich von gefundenen Klängen und Bildern inspirieren. «Wir schicken einander die Dateien hin und her und bearbeiten sie, bis wir beide zufrieden sind», beschreibt Gloor die Zusammenarbeit mit Crnobrnja über den Ärmelkanal hinweg. Nelly Jaggi
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1. Michael Zisman & 676 NuevoTango Orchestra (Kulturhof, Schloss Köniz. Mi., 4., und Do., 5.7., 20.30 Uhr) Eine besondere Hommage zum 20. Todestag von Astor Piazzolla mit selten gehörten Perlen des Tango-Innovators.
Recycler des Vergessenen Der Besuch des Duos In Flagranti in der Dampfzentrale verspricht einen bunten Abend. Alex Gloor und Sasa Crnobrnja beschallen ihr Publikum mit tanzbarer elektronischer Discomusik, die aus dem Popfundus der 70er- und 80er-Jahre schöpft. Die Stücke werden von trashigen Videoclips untermalt. «Wir sind wie Historiker für schlechten Geschmack, die längst Vergessenes wieder ausgraben, zerlegen und neu zusammenstellen», beschreibt Gloor den Stil. Gloor und Crnobrnja sind in den 1970erJahren in Basel aufgewachsen. Gloor ist immer noch am Rheinknie zu Hause, Crnobrnja lebt momentan in London.
Puppentheater zum Ohnmächtigwerden? Am Belluard-Festival berichten flauschige Tierchen von menschlichen Abgründen.
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A. Giraudel
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Zwei «Historiker für schlechten Geschmack»: Alex Gloor (l.) und Sasa Crnobrnja.
Ich würde meinen Freund aus Zürich, der über unseren Hausberg nur müde lächelt, auf den Gurten mitnehmen, … …um ihn von der herrlichen Aussicht vor dort oben zu überzeugen.