N°28 Donnerstag bis Mittwoch 12. bis 18.7.2012 www.kulturagenda.be
Die Kulturagenda fürs Smartphone!
Bedeutend, aber ziemlich unbekannt: Im Kunstmuseum Bern kann man Antonio Saura entdecken. Seite 3
Hans Wüthrich
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Snowpatrol und andere Musikhelden sind auf dem Gurten zu bestaunen. Wer es kleiner mag, geht ans Gartenfestival.
Zuchthüsler René Tanner (Roland Zwygart) ist im Dorf gefürchtet – die überkandidelte Frau Dr. Binz (Esther Beutler) ergreift die Flucht.
Ein Dorf scheut die Wahrheit Am Ende ist die Welt hüben wie drüben in Ordnung. In «Dr Zuchthüsler» von Markus Michel bekommt der zu Unrecht gescholtene Exsträfling René Tanner Recht. Die (zuvor scheltenden) Dorf bewohner offenbaren sich allesamt als geldgierige Windfahnen und kriegen ihr Fett ab. Die Parabel auf eine heuchlerische Gesellschaft, die den Sündenbock für alles Mögliche im Aussenseiter sucht, ist geglückt. Das Publikum verdankt die gelungene Premiere mit viel Applaus. Es hat im Freilichttheater Moosegg einen Abend mit komischen und tragischen Momenten erlebt, mit Spannung, Irrungen und Wirrungen. In seiner 16. Produktion hat Regisseur Peter Leu 22 Amateurschauspielerinnen und -schauspieler zu einer überzeugenden Leistung geführt.
Speziell laut wird geklatscht, als sich Hauptdarsteller Roland Zwygart verneigt, und nochmals bei Marco Steiner, der einen behinderten Jungen stilsicher dargestellt hat. Ist er Vrenelis Mörder? Doch nun von Beginn weg: Der Zuchthüsler René Tanner ist ins Dorf zurückgekehrt, das er einst überstürzt verlassen hatte, nachdem seine junge Freundin Änni schwanger geworden war. Nach seinem Verschwinden nahm sie sich das Leben. In Amerika musste Tanner eine lange Strafe absitzen. Er soll ein Brandstifter und Mörder sein, doch nachgewiesen werden konnte ihm nichts. Einsam wohnt er in einer abgelegenen Hütte und erhält Besuch von der Frau
vom Lebensmittelladen sowie von Maite, einem Teenager, der sich in Tanners Nähe wohl fühlt. Ist der kräftige Mann auch noch ein Triebtäter? Neugierige Menschen aus dem Dorf streunen um sein Haus herum – besonders, als er plötzlich verdächtigt wird, etwas mit dem Verschwinden von Gretchen vom Veielihubel zu tun zu haben. Zwei dämliche Feuerwehrmänner tauchen auf, ein Polizeiduo ermittelt, und in der Dorfbeiz ist der Zuchthüsler Gesprächsthema Nummer eins. Mit der Musik eines Thrillers Auch wenn die Wendung am Schluss etwas absehbar ist – die Spannung bleibt. Dazu trägt zwischen den Szenen die Musik von Dany Nussbaumer bei, die an die Titelmusik der US-amerikanischen Killer-TV-Serie «Dexter» erinnert und dem Mundartkrimi einen regelrechten Thrilleranstrich gibt. Einzelne Szenen sorgen im stimmungsvollen, von hohen Tannen gesäumten
Spielort (Bühne: Ursula Steiner) regelrecht für Gänsehaut. Etwa wenn dem Tanner Ännis Geist erscheint und eine verzerrte Stimme auf sein Gewissen schlägt. Der kauzige Zuchthüsler ist grob und abweisend, und doch schliesst man den Aussenseiter schnell ins Herz. Schliesslich löst sich die Geschichte und wird ins grosse Moralbad getunkt. Was uns vorher schon etwas subtiler verständlich gemacht wurde, wird nun in grossen theatralen Lettern verkündet: Die voreilige Verurteilung ist das Gift unserer Gesellschaft – egal ob ein einzelner Aussenseiter oder eine ganze Bevölkerungsgruppe davon betroffen ist.
3 Kulturtipps
Die Berner Chansonnière Lisa Catena tritt zusammen mit Trummer im Musikpavillon der Kleinen Schanze in Bern auf (Fr., 13.10., 19 Uhr).
Michael Feller \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Waldbühne, Moosegg Jeweils Di. bis Sa., 20.15 Uhr Vorstellungen bis 18.8. www.theater-moosegg.ch
1. «Taco» und Yvonne Moore am Alpenair in Sangernboden (Sa., 14.7.) Beste Musik und frische Luft sind garantiert, geschlafen wird im Stroh oder im Zelt.
Die Suche nach Queen Arnika
2. «Ladri di biciclette» in der Cinématte (So., 15.7., 21 Uhr) Der Film von Vittorio de Sica zeigt das Italien der Nachkriegszeit wunderschön und brutal zugleich. Einen Campari bestellen, sich zurücklehnen und geniessen.
Mit «Eiger, Mönch und Jungfrau» präsentiert das Theater Doktor Eisenbarth den dritten Teil seiner Kinderreihe «Mia in der Pflanzenwelt» auf dem Spielplatz Schützenweg. Bei den Mia-Stücken kann man auch als Erwachsener etwas über Heilpflanzen lernen. Doch Lorenz Eisenbarth, ausgebildeter Pflanzenheilkundler, sagt, Wissensvermittlung spiele keine Rolle: «Die Kinder sollen einfach einen Eindruck haben von der Pflanze und sich daran erinnern, wenn sie ihr einmal in der Natur begegnen.» Mit seinen komödiantischen Charakteren sollte Eisenbarth sein Ziel mühelos erreichen. cer
3. «Dr Zuchthüsler» im Freilichttheater Moosegg (Mi., 11.7., 20.15 Uhr) Der 16. Streich des Freilichttheaters Moosegg stellt die Frage nach Vorurteilen und wie weit man der eigenen Vergangenheit entkommen kann. Malerische Emmentaler Kulisse inklusive.
Silvano Cerutti
Das Theater Doktor Eisenbarth ist bekannt für seine Kinderstücke – wie «Dödö und der Zauberwald» etwa oder die Reihe «Mia in der Pflanzenwelt». Dieser Tage zeigt die Truppe um Lorenz Eisenbarth den neuen, dritten Teil: «Eiger, Mönch und Jungfrau». Im Stück wird Mias (Angela Pina Ganzoni) Ziege Mecki von einem Auto angefahren. Mias heilkundiger Grossmutter ist aber die Arnika ausgegangen, und das Mädchen muss sich allein in die Berge aufmachen. Auf seiner Suche trifft es viele andere Pflanzen: den servilen Quendel, den verschrobenen Wacholder oder den militärisch brüllenden Eisenhut.
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Spielplatz Schützenweg, Bern Fr., 13., bis So., 15.7., 16 Uhr www.doktoreisenbarth.ch
von Lisa Catena
ZVG
Auf der Moosegg trügt der Schein: In der Tragikomödie «Dr Zuchthüsler» muss ein ehemaliger Sträfling für alles den Kopf hinhalten. Das Stück vor fantastischer Naturkulisse hat Witz, Zug – und eine gute Portion Moral.
Seiten 10 und 12 \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Was für ein Spass: Mia lässt sich vom hilfsbereiten Quendel zur Arnika tragen.
Ich würde meine Freundin, die noch nie im Freilichttheater Moosegg war, überreden, mich zu begleiten, … … weil sie sich dort immer noch entscheiden kann, ob sie sich lieber am Theater oder an der schönen Landschaft sattsehen will.