N°45 Donnerstag bis Mittwoch 7. bis 13.11.2013 www.kulturagenda.be
DIE BERNER KULTURAGENDA SAGT DIR, WOS L ANGGEHT, WENNS AUSGEHT!
Die Camerata unternimmt den Versuch, Joseph Martin Kraus aus der Vergessenheit zu holen. Seite 3
ZVG
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Das lesbisch-schwule Filmfestival Queersicht rückt Osteuropa in den Fokus und eine Alternative zur altbekannten Zweierkiste.
Rebellion der Räuberkinder Mit «Räubertochter» spielt das Théâtre de la Grenouille aus Biel im Tojo Astrid Lindgrens «Ronja Räubertochter» nach. Was geschieht, wenn die Kinder von Räubern vom schlechten Weg abkommen? In Astrid Lindgrens Jugendbuch «Ronja Räubertochter» fragen die Rumpelwichte in stoischer Blödheit dauernd: «Wieso den bloss?» Im Bühnenstück des Théâtre de la Grenouille sind es vor allem die Kinder, die Fragen stellen. Die zweisprachige Bühnentruppe aus Biel legt in ihrer Version den Fokus auf die Familienbande. Sie erzählt Lindgrens Geschichte auch mit gerade einmal vier Schauspielenden und einer Sängerin. «Räubertochter» ist gedacht für ein Publikum ab sieben Jahren. «Für Vorschulkinder ist das Stück nicht geeignet», erklärt Regisseurin Charlotte Huldi. Es gebe einige unheimliche Szenen, und wenn Räubervater Mathis ausraste, könne es ganz schön krachen.
Mathis (Rolf Brügger) hat auch allen Grund sich zu ärgern. Sein Erzfeind Borka (Arthur Baratta) zieht mit seiner Räuberbande in den nördlichen Teil der Mathisburg ein und will ihm die Beute abspenstig machen. Grosse Inhalte Den Kindern ist der Zwist der Väter egal. Ronja (Pascale Güdel) und Birk (Stefan Liebermann) lernen sich kennen und freunden sich nach anfänglicher Skepsis an. Doch als Ronja und Birk erklären, sie wollten niemals Räuber werden, kommt es zum Eklat. «Es geht um die existenzielle Frage, ob das, was der eigene, heiss geliebte Vater tut, auch richtig ist », sagt Huldi.
Ihr gefalle Lindgrens Geschichte, weil sie nichts beschönige und den Kindern grosse Inhalte zutraue. Ronja und Birk stehen zu ihrer Meinung und gehen keine faulen Kompromisse ein. Sie wollen auf keinen Fall in die Fussstapfen ihrer Väter treten, obwohl es dabei zeitweilig zum Bruch mit diesen kommt. Unheimlicher Sound Die gruseligen Wilddruden machen den beiden Heldenfiguren das Leben zusätzlich schwer. Für ihre bösartigen Flügelviecher liess sich Astrid Lindgren von Mischwesen der griechischen Mythologie inspirieren, den sogenannten Harpyien. Anders als im Film, den es zu diesem Stoff ebenfalls gibt, visualisiert das Theater Grenouille die Wilddruden nicht, sondern überlässt sie der Fantasie des Publikums. Wenn durch ihr Auftauchen Gefahr droht, merkt man das daran, dass sich
die Soundkulisse verändert. Die Sängerin Morgane Gallay gestaltet mit dem Einsatz ihrer Stimme und einem LoopGerät eine mal idyllische, mal unberechenbare Natur. Einmal schlüpft Gallay kurz in die Rolle von Ronjas besonnener Mutter Lovis. Sie muss das Kind trösten, als Mathis in seiner Verbohrtheit poltert: «Ich habe keine Tochter mehr!» Und wo bleiben die Rumpelwichte? «Wir spielen ähnlich wie die Kinder selbst, wenn sie improvisieren und behaupten, ein Stuhl sei ein Schloss», erklärt Huldi. So wird aus einer Mütze mit angenähten Dreadlocks rasch ein weiterer Waldbewohner hervorgezaubert. «Wieso denn bloss?», braucht man ja nicht unbedingt zu fragen. Helen Lagger \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Tojo Theater, Bern. Mi., 13.11., 17 Uhr Weitere Aufführungen bis 17.11. www.tojo.ch
Kurz und gut
3 Kulturtipps von Chantal Herger
Chantal Herger ist Mitglied im Jugendclub von Konzert Theater Bern und wirkt bei «Farm der Tiere» von George Orwell mit, bei der Jens Daryousch Ravari Regie führt. Vidmar 1, Liebefeld. Premiere: Fr., 8.11., 19.30 Uhr. Vorstellungen bis 11.12. 1. «Rendez-vous Bundesplatz», Bern (bis 1.12., täglich 19 und 20.30 Uhr) Als ich letztes Jahr die Lichtshow zum ersten Mal sah, war ich hin und weg. Ich vermute, dass die Show dieses Jahr noch gigantischer wird.
Im September erschien Zoë Jennys Erzählband «Spätestens morgen», mit dem die Autorin nun auf Lesetour ist. In Bern macht sie mit ihren Kurzgeschichten aus den letzten 15 Jahren halt bei Thalia. ohne Schnörkel. In den Leserausch gerät man schon in der Eingangsgeschichte «Sugar Rush»: Mike, ein brotloser Theaterautor, kauft zusammen mit den beiden Kindern seiner Partnerin Karin einen schönen Mac-Computer. Auf neun dichten Seiten erzählt Jenny von einem Mann, der versucht, die Liebe der Kinder mit einem Besuch bei HägenDasz, bei Mcdonald's und mit «Tom und Jerry»-Filmen zu erlangen. Die Gunst der Lesenden ist der Autorin damit allemal sicher. Christine A. Bloch
2. Stefanie Heinzmann im KKThun (Sa., 9.11., 21 Uhr) Ich bin tief beeindruckt von der quirligen und sympathischen Walliserin mit ihrer souligen, rauchigen Stimme. Ein wahrer Genuss.
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Ich würde meine Geschwister zum Improvisationstheater mitnehmen, … … um ihnen eine andere Art des Theaters zu zeigen. Falls sie sich weigern, würde ich ihnen mit meinen Endloswitzen drohen.
Thalia Bücher, Bern. Mi., 13.11., 20 Uhr Zoe Jenny. «Spätestens morgen – Erzählungen». 124 S., Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2013 www.thalia.ch
3. «Planlos mit Tiltanic» im Zytglogge Theater, Bern (So., 10.11., 17 Uhr) Für mich bedeutet Improvisationstheater puren Spass. Ich staune immer wieder, auf welch verrückte Ideen die Darsteller kommen.
Stahlphoto
Lange hat man nichts mehr von ihr gehört, doch ihr Erfolgsroman «Das Blütenstaubzimmer» hallt auch 15 Jahre nach seinem Erscheinen noch nach. Natürlich hat Zoë Jenny seitdem weitere Bücher geschrieben, doch keines davon konnte mit ihrem Erstling Schritt halten. Was bislang weitgehend unbekannt war: Die Baslerin, die in den letzten Jahren meist im Ausland lebte, hat sich nicht nur mit Romanen, sondern auch mit der kurzen Prosaform auseinandergesetzt. Ein Blick in ihren Erzählband «Spätestens morgen» erweckt den Eindruck, als hätte Zoe Jenny im Geheimen an ihrer wahren Kunst geschliffen. Die neun knappen Würfe sind grossartige Momentaufnahmen, kurze Einblicke in das Leben verschiedener Figuren, geschrieben in einer klaren Sprache
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Das Théâtre de la Grenouille spielt Astrid Lindgrens «Ronja Räubertochter» in einer Fassung für Kinder ab sieben Jahren.
Meldet sich mit Kurzgeschichten zurück: die Basler Autorin Zoë Jenny.