N°47 Donnerstag bis Mittwoch 21. bis 27.11.2013 www.kulturagenda.be
DIE BERNER KULTURAGENDA SAGT DIR, WOS L ANGGEHT, WENNS AUSGEHT!
In Bertoluccis «Io e te» steht eine explosive Geschwisterliebe im Zentrum. Seite 11
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Was provokativ wirkt, soll zum Denken anregen: Laibach kokettiert mit faschistischer Symbolik.
Avantgardistische Provokateure Wenn die slowenische Band Laibach mit ihrer neuen Schau die Bühne der Dampfzentrale betritt, werden martialische Rock- und Industrialklänge ertönen, die Bandmitglieder faschistisch angehauchte Kostüme tragen. Bei der sechsten Ausgabe des Saint-Ghetto-Festivals soll laut Ankündigung aber Musik «irgendwo zwischen Pop, Rock und Avantgarde» gespielt werden. Um zu verstehen, wie das zusammenpasst, respektive weshalb eine Gruppe avantgardistischer Künstler scheinbar dem Faschismus huldigt, muss man über dreissig Jahre zurückblicken. Anfang der 80er-Jahre ist Slowenien ein Teil Jugoslawiens. Dessen autokratischer Staatspräsident, Josip Broz Tito, ist eben erst verstorben. Das entstehende Machtvakuum füllen Titos Nachfol-
ger mit harten Repressionen, wogegen sich junge Künstler auflehnen. Sie nennen sich Neue Slowenische Kunst (NSK) und arbeiten in ihren Projekten mit faschistischen Symbolen und ebensolcher Ästhetik. Es ist eine Provokation mit politischem Hintergrund: Durch die Überstilisierung sollen Mechanismen der Macht entlarvt und mit den Anleihen an totalitäre Systeme die Machthaber subtil herausgefordert werden. Denn Minderheiten wie etwa deutschsprachige Slowenen werden im Vielvölkerstaat als Gefahr für den nationalen Zusammenhalt betrachtet. Diskussionen nach dem Konzert Teil der NSK ist die Industrialband Laibach, die sich nach dem deutschen Na-
Liebenswert verschroben
men von Ljubljana benennt. Als Gefäss für seine subversiven Botschaften nutzt Laibach anfangs vorwiegend populäre Lieder – beispielsweise solche der Beatles, aber auch Gassenhauer wie «Life is Life» von Opus. Die Gruppe verpasste ihren Versionen völkischen Grusel und den Auftritten durch Nazi-Maskerade faschistischen Prunk. Laibach, die später der deutschen Band Rammstein als Blaupause diente, bleibt ihrer martialischen Kunstform auch nach dem Zusammenbruch Jugoslawiens treu und provoziert seither mit durchchoreografierten Bühnenschauen weit über den Balkan hinaus. Dies, obwohl die Musik nur marginal abseits der jeweils gängigen Populärmusik «marschiert». Man kann Laibachs Konzept wegen seiner entlarvenden Direktheit mögen, man mag in ihm Provokation um der Provokation willen sehen. Wie auch immer: Laibach sorgt für Diskussionen – politische, solche über Moral und den
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Begriff von Kunst. Für eine Band, die seit dreissig Jahren ihr Unwesen treibt, keine Selbstverständlichkeit. Basil Weingartner \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Programm Saint Ghetto • Do., 21.11. Laibach (20 Uhr), Virgil Moorefield (21.30 Uhr), Palais Schaumburg (22 Uhr) • Fr., 22.11. OM (20.30 Uhr), Sparks (22 Uhr), Sensational meets Koyxen (23.30 Uhr), DJs Dactylola & Ereccan (1 Uhr) Sa., 23.11. Lubomyr Melnyk (20.30 Uhr), Merz feat. Sartorius Drum Ensemble (21.30 Uhr), Uz Jsme Doma (23 Uhr), Sexomodular (0.30 Uhr)
2. Sonic Movements no. 4 im Orbital Garden, Bern (Sa., 23.11., 22 Uhr) Ein Ort, um hochkonzentrierte Minimalmusic im Liegen oder Sitzen zu hören, um dann frisch und froh wieder heimzugehen.
monnaie und dem entsprechend mager ausgestatteten Kühlschrank. Voller Tatendrang bewerben sie sich bei einer neuen Castingshow, denn das Preisgeld verspricht ein sorgloses Leben. Doch Siegenthalers müssen sich mit einem bösartigen Musikjuror herumschlagen. Als wäre das nicht schon genug, erwarten sie spannende Abenteuer in arktischer Kälte. Christina Steffen
3. Elina Duni Quartet im Mokka, Thun (Fr., 22.11., 21 Uhr) Das Mokka muss man einmal gesehen haben. Es ist der beste Club der ganzen Schweiz, und Elina Duni verzaubert. Sibylle Walpen
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Schlachthaus Theater, Bern. Premiere: Fr., 22.11., 18 Uhr. Vorstellungen bis 15.12. www.schlachthaus.ch Verlosung: je 1 × 2 Tickets für Sa., 23., und So., 24.11. : tickets@kulturagenda.be
Die Kontrabassistin Anna Trauffer macht Musiktheater, Improvisation und Performance. Am Hüttenznacht im Alpinen Museum bietet sie gemeinsam mit dem Autor Tim Krohn Ausschnitte aus der Musiktheaterfassung von «Der Geist am Berg» dar (Do., 21.11., 19 Uhr, Reservation unter Tel. 031 331 22 22). 1. «Ida hat einen Vogel» im Schlosskeller Fraubrunnen (Mi., 27.11., 14.30 Uhr) Ida macht Mut, regt die Fantasie an und ist ein sehr sorgfältig inszeniertes Kleinod für Kinder und ihre Eltern.
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Die Seifenoper rund um die Familie Siegenthaler ist zurück im Schlachthaus Theater Bern und präsentiert sich dieses Jahr sogar als Musical. Eine ominöse Castingshow verspricht das grosse Geld. Die verträumte Mutter Sophie, das resolute Grosi, die aufmüpfigen Kinder Betty und Max mitsamt dem musikalischen Vogel Peter: Sie alle sind endlich wieder zurück auf der Bühne. Im Schlachthaus Theater Bern geht die beliebte Seifenoper von Matto Kämpf rund um die verschrobene Familie Siegenthaler in die fünfte Runde und präsentiert sich dieses Jahr als Musical. In «Siegenthalers: glorios & famos» wird die Familie mit den Verlockungen des medialen Zeitalters konfrontiert. Die Probleme der Familie sind immer noch die gleichen. Die Kinder haben jetzt endgültig genug vom ewig leeren Porte-
von Anna Trauffer
Dampfzentrale, Bern Do., 21., bis Sa., 23.11. www.dampfzentrale.ch
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3 Kulturtipps
ZVG
Am Saint-Ghetto-Festival in der Dampfzentrale steht Exzentrisches aus der Popgeschichte im Mittelpunkt. Bei der diesjährigen Ausgabe tritt eine Band auf, die seit über dreissig Jahren für Skandale sorgt.
Mario Venzago und das Berner Symphonieorchester präsentieren Bruckners 7. Symphonie ohne pompösen Protz.
Bei den famos-gloriosen Siegenthalers steppt der Eisbär.
Ich würde jemandem zum Besuch des Mokkas überreden, … … weil es eine der rührendsten und grössten Sammlungen von Madonnen, Plastikblumen, Tiergestalten und geschmackvollem Glitzerkitsch hat.