N°4 Donnerstag bis Mittwoch 23. bis 29.1.2014 www.kulturagenda.be
DIE BERNER KULTURAGENDA SAGT DIR, WOS L ANGGEHT, WENNS AUSGEHT!
Sensationelles im kleinen Keller: Jonas Lüscher liest im Ono aus «Frühling der Barbaren». Seite 3
Christian Breiler
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Im Griff der Vergangenheit: «Unsere Ahnen» ist das Thema der diesjährigen Winterfestspiele im Schlachthaus Theater.
Hut ab vor DJ Ötzi und den Beatles. Das Ghost Town Trio hat sich auf eigensinnige Coverversionen spezialisiert.
Einen bunten Strauss Besonderheiten hält das BeJazz-Winterfestival in den Vidmarhallen bereit. Die Ehre geben sich unter anderen Irène Schweizer und Nils Wogram. Ein Festival ist gemeinhin ein organisierter Ausnahmezustand. In diesem soll möglich werden, was sonst nicht zu Stande kommen würde. Einer der inzwischen raren Auftritte von Irène Schweizer beispielsweise. Die Pianistin hat letztes Jahr mit Drummer Pierre Favre das dritte gemeinsame Album eingespielt. Die beiden Schweizer Jazz-Koryphäen beeindrucken mit der Souveränität ihrer hochstehenden Improvisationen, von Favre hätte man sich allerdings etwas mehr Widerborstigkeit gewünscht. Vielleicht holt er das im Konzert nach. Hoffnung auf Wiederholung Den Auftakt zum BeJazz-Winterfestival macht die Hoffnung. Nämlich auf eine Wiederholung «aussergewöhnlicher
Abende», wie Programmchef Fabio Baechtold schwärmt. Für diese waren Bänz Oester (er spielt am Samstag) und Bandoneonist Michael Zisman besorgt, der das Festival mit dem deutschen Posaunen-Ästheten Nils Wogram eröffnet. Hirn abschalten Wogram seinerseits setzt auf langfristige Zusammenarbeiten. Sein Quartett Root 70 besteht seit mindestens 13 Jahren, die Anfänge der Band lassen sich jedoch noch weiter zurückverfolgen. Momentan tritt Root 70 gemeinsam mit einem Streichertrio auf. Auf sehr langfristige Zusammenarbeit (bald sind es zwei Jahrzehnte) setzt auch das Basler Arte Quartett. Vom herausragenden Berner Stimmakrobaten Andreas Schaerer – man kennt ihn unter anderem von
der Band Hildegard lernt fliegen – liess es sich eine Komposition schreiben, die am Festival zur Uraufführung kommt. Den Wert längerfristiger Zusammenarbeit kann man exemplarisch am Ghost Town Trio beobachten. Die Winterthurer Band hat sich auf Coverversionen von Popsongs spezialisiert. War das Resultat auf dem ersten Album 2012 teilweise noch recht absehbar, finden sich auf dem aktuellen Werk «Don’t Make Your Mama Cry» regelrechte Perlen. Als Jazzer hätten sie den Vorteil, handwerklich über eine breite Farbpalette zu verfügen, erklärt Gitarrist Urs Vögeli. Und fügt mit dem bandtypischen Schalk an: «Der Nachteil ist, dass man zuviel hirnt und zu wenig rockt.» Ergreifende Verlorenheits-Suite Die Vorlagen bestehen teils aus persönlichen Lieblingsliedern und teils extra abseitigem Material. Die Lieder müssten mindestens über eine Melodie verfügen, die man spielen könne, sagt
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Vögeli, und die Musiker den Eindruck haben, dem Material gerecht zu werden. Ein hübsches Sätzchen. Es bedeutet im Extremfall, aus DJ Ötzis hartnäckig belangloser Après-Ski-Beschallung «Anton aus Tirol» eine ergreifende Verlorenheits-Suite zu zaubern. Dafür gibt das Trio der «Hard Day’s Night» die Härte, welche die Beatles im Titel nur behaupteten und die man oft im Arbeitsalltag erfährt: als andere Form des organisierten Ausnahmezustands. Silvano Cerutti \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Vidmarhallen, Liebefeld Do., 23., bis Sa., 25.1. • Do., 23.1.: Nils Wogram Root 70, Michael Zisman Quartett • Fr., 24.1.: Irène Schweizer und Pierre Favre, Till Grünewald, Ghost Town Trio • Sa., 25.1.: Arte Quartett mit Andreas Schaerer, Bänz Oester & The Rainmakers, Karin Meiers Forest Radio Programm: www.bejazz.ch. Wir verlosen 6 × 2 Tickets: tickets@kulturagenda.be
1. Gus MacGregor im Schloss Ueberstorf (Sa., 25.1., 20 Uhr) Weil seine Stimme fesselt und seine Songs berühren. 2. Duo Fischbach mit «Endspurt» im Zelt in der Lenk (So., 26.1., 17 Uhr) Weil ich immer dachte, Comedy sei nichts für mich. Bis ich Frau und Herrn Fischbach begegnete. Herrlich – und herzlich!
An den 49. Solothurner Filmtagen drängt der Berner Film mit Aussenseiterporträts ins Rampenlicht. Mit dabei: Der bittersüsse Film über Bürgerschreck Carlo E. Lischetti.
Kunstmuseum Bern, Schweiz / Muse
«Der Gegenwart» ist nur einer von 17 Berner Filmen, die an den 49. Solothurner Filmtagen gezeigt werden. Weltpremiere feiert auch «Der Goalie bin ig», oder «Tino – Frozen Angel», über den ersten Präsidenten der Schweizer Hells Angels. Die Berner wollen hoch hinaus in Solothurn. Christina Steffen \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Diverse Orte, Solothurn. Do., 23.1. bis Do., 30.1. www.solothurnerfilmtage.ch «Der Gegenwart»: Do., 23.1., 20.30 Uhr und Mo., 27.1., 12.45 Uhr Ab Do., 30.1. im Kino Kunstmuseum, Bern www.kinokunstmuseum.ch
von Stefanie Christ
Mit Worten und Bildern jongliert Stefanie Christ in verschiedenen Bereichen: die Kunsthistorikerin arbeitet als Journalistin, dreht Filme und schreibt Bücher. Am Mittwoch (29.1., 19.30 Uhr) treten Christ und Achim Parterre im Wartsaal auf. Sie liest aus ihrem Debütroman «Die Grenzen der Nacht» (Nydegg Verlag, 2011).
Rand-Stars in Solothurn
Carlo E. Lischetti war ein Künstler, dessen hintersinnige Originalität seine Zeitgenossen immer wieder vor den Kopf stiess. Sein «immerwährender Kalender» etwa besteht bloss aus dem Blatt «heute» und auf den Berner Tramseilen balanciert sein Bär bis heute. Jetzt dokumentiert ein Film von Bernhard Nick und Stephan Ribi das Wirken Lischettis. «Der Gegenwart» ist aber weit mehr als nur ein Künstlerporträt. Unterwegs mit den Kindern des 2005 verstorbenen Künstlers, sowie einer bunt gemischten Truppe an Weggefährten, reflektiert der Film auch die Vergangenheit und eine Familiengeschichte.
3 Kulturtipps
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Organisierter Ausnahmezustand
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Künstler und Bürgerschreck: «Der Gegenwart» über Carlo E. Lischetti läuft in Solothurn.
3. Ausstellung Renée Magaña im Kunstkeller Bern (bis 15.2.). Weil mich die Künstlerin mit ihren abgründigen Bildwelten immer wieder fasziniert. Als Vorlage bedient sie sich schon mal echter Menschenknochen ... Jemandem, der sagt, er habe keinen Zugang zu Gegenwartskunst, würde ich einen Rundgang durch die Berner Galerien- und Museenszene empfehlen … … Ein solcher dürfte auch gleich mit dem Vorurteil aufräumen, wonach in Bern kulturell zuwenig los sei.