Berner kulturagenda 2014 N° 9

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N°9 Donnerstag bis Mittwoch 27.2. bis 5.3.2014 www.kulturagenda.be

DIE BERNER KULTURAGENDA SAGT DIR, WOS L ANGGEHT, WENNS AUSGEHT!

Homosexuell in Polen. Das Schlachthaus Theater zeigt die Skandal-Ballade «Lubiewo». Seite 3

Janosch Abel

Ascot Elite Entertainment Group

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Gewitzte Gesellschaftskritik und Musik jenseits von heimeligem Mundartpop: Die Berner Band Jeans for Jesus.

Troubadoure ohne Nestwärme Seit Jahrzehnten findet immer wieder neue, berndeutsch gesungene Popmusik den Weg auf die grossen Bühnen, in die Plattenläden und Radio-Studios des Landes. Neben manch Seichtem ist darunter auch regelmässig Tiefgründiges und musikalisch Hochstehendes zu finden. Doch auch in den mondänsten Momenten hiesiger Populärmusik glaubt man stets, einen guten Rest an heimeliger Nestwärme herauszuhören. Und dies klingt selten weltgewandt. Mit ihrem stilisierten Synthie-Pop treten Jeans for Jesus nun den Gegenbeweis an. Die vier jungen Berner wollen dem Heiland neue Beinkleider schenken und verpassen dem Berner Mundartpop auf ihrem selbstbetitelten Debütalbum ein neues Klanggewand: Präzise Rhythmen treffen auf synthetisch

verfälschte und verzerrte organische Klänge und Sänger Michael Eggers mal sphärisch hallenden, mal sehnsüchtig rauen Mundartgesang. Das Ergebnis tönt erstaunlich symbiotisch – und international. Unter dem glänzenden Lack Auch lyrisch werden neue Wege beschritten: Zwar drehen sich auch die Texte von Jeans for Jesus vordergründig um Bern, um die Lauben und die Liebe. Ohne gänzlich mit der Berner Troubadourtradition des Geschichtenerzählens zu brechen, schafft es Egger, seine Texte geschickt zu reduzieren. Eine gewisse Vagheit ist dabei ebenso erwünscht wie unvermeidlich, gleitet aber niemals in Beliebigkeit ab: Unter dem glänzenden Lack eingängiger Poptexte

findet sich bei genauem Hinhören eine Mixtur aus Melancholie und gewitzter Gesellschaftskritik. Neben Egger komplettieren Demian Jakob, Philippe Gertsch, und Marcel Kägi, der als Produzent von Kutti MC ein Begriff ist und sich für die Produktionen des Quartetts verantwortlich zeichnet, die Formation. «Jeder von uns hat unterschiedliche Stilrichtungen in das Projekt eingebracht», sagt Egger. Im Sound der «Schneidergesellen», die sich in der Berner Musikszene kennen gelernt haben, kommen Elemente aus Synthie-Pop, Indie-Rock und Rap zusammen. Vom Rössli in den Dachstock Am Donnerstag wird das Debütalbum des Quartetts in der Reitschule getauft. Das ursprünglich als Konzertlokal vorgesehene Rössli war in kurzer Zeit ausverkauft, die Taufe musste einen Stock nach oben verlegt werden. «Es ist Wahnsinn, dass wir bei unserem vierten Kon-

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zert bereits im Dachstock spielen dürfen», sagt Egger. Bisher waren Jeans for Jesus vier Studiomusiker. Die Transformation zur – um einen Gitarristen erweiterten – Liveband sei deshalb gar nicht so einfach, erzählt der Sänger. Produzent Kägi sitzt nun hinter dem Schlagzeug, Gertsch steht hinter nicht weniger als vier Synthesizern und Jakob hinter einer Vielzahl an elektronischen Pads und Perkussionsinstrumenten. Da bleibt dem Bühnenpersonal kaum Zeit, um im Publikum nach Züri West Ausschau zu halten. Denn es ist gut möglich, dass die Mundartveteranen, denen auf dem Album mit einer Coverversion gehuldigt wird, die neue Generation des Berner Pops mit ihrer Anwesenheit adeln. Basil Weingartner \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\

Dachstock der Reitschule, Bern Do., 27.2., 21 Uhr. www.dachstock.ch Wir verlosen 2 × 2 Tickets: tickets@kulturagenda.be

Wenn Werner Aeschbacher Örgeli spielt, leuchtet die Welt in der Schweizer Volksmusik auf. Mit einer neuen CD kommt der grossartig eigensinnige Musiker in die Alti Moschti Mühlethurnen.

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Alti Moschti, Mühlethurnen So., 2.3., 17.30 Uhr. www.alti-moschti.ch

Mit Grauzone und dem «Eisbär» schrieb Marco Repetto Schweizer Musikgeschichte, danach wandte er sich dem Techno zu. Bis heute ist er als Produzent (Inzec Records) und Musiker unterwegs. Nächstes Mal am Club d’Essay, wo er die Tanzfläche zusammen mit Franz Treichler von den Young Gods und Bruno Spoerri beschallt (Dampfzentrale, Bern. Do., 27.2., 21 Uhr).

2. Tinariwen im Fri-Son (Mi., 5.3., 20 Uhr) Abschalten und eintauchen in die mystische Reise dieser wunderbar herzöffnenden Klänge und Rhythmen der Tuareg. 3. «Tino – Frozen Angel» im Kellerkino, Bern (Sa., 1., und So., 2.3., 16.30 Uhr) Der Dok-Film von Adrian Winkler ist einfühlsam und voller Respekt.

Peter Moser-Kamm

diesen Anachronismus, der gestandene Aeschbacher aber musste sich oft anhören, nicht «richtig» zu spielen. Dabei geht er höchst respektvoll mit der Volksmusik um, ein jazziger «Schrägtöner» ist er nicht. Aber halt frei im Kopf und musikalisch gern auf Reisen nach überall, wo Örgeli-Verwandte aufspielen: Bossa Nova, Tango, Zydeco. Das Resultat? Ergreifende Musik bei der auch Rocker ganz ruhig werden. Nachzuhören auf der CD «welewäg» und live. Silvano Cerutti

von Marco Repetto

1. Admiral James T. im Café Kairo (Sa., 1.3., 21.30 Uhr) Admiral James T. möchte ich mal live erleben, mich durch seine Klangwelt verführen lassen.

Rebell mit Schwyzerörgeli

In Werner Aeschbacher würde man keinen Revoluzzer vermuten. Ruhig und besonnen ist der Mann, freundlich, etwas zurückhaltend, ein angesehenes Mitglied seiner Gemeinde. Und doch ist er ein Rebell. Denn Aeschbacher hat Leidenschaften, bei denen er sich nicht dreinreden lässt. Die kleinen Langnauerörgeli haben es ihm genauso angetan wie – nun ja, wie die Musik im Grossen und Ganzen eben. Schweizer Volksmusik kann ein schwieriges Genre sein. Hier gelten noch feste Regeln aus der Zeit der Geistigen Landesverteidigung. Zwar foutiert sich die jüngste Generation zunehmend um

3 Kulturtipps

ZVG

Vier junge Berner bringen neue Klänge und Inhalte ins Genre Mundartpop. Und sie zeigen auf, dass auch Berndeutsch international klingen kann. Nun taufen Jeans for Jesus ihr Debütalbum im Dachstock der Reitschule.

«Nymphomaniac» heisst der neuste, überwältigende Streich des dänischen Regie-Provokateurs Lars von Trier.

Frei im Kopf und musikalisch gern auf Reisen: Werner Aeschbacher.

Um einen Freund, der keine Dok-Filme schaut, ins Kino zu locken, würde ich … … ihm erzählen, was für einen Eindruck die wilde Lebensweise von Tino damals auf mich machte und ihm das feinfühlig geschriebene Buch «Tino König des Untergrunds» von Willi Wottreng schenken.


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