Berner kulturagenda 2014 N° 18

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N°18 Donnerstag bis Mittwoch 1. bis 7.5.2014 www.kulturagenda.be

DIE BERNER KULTURAGENDA SAGT DIR, WOS L ANGGEHT, WENNS AUSGEHT!

Innenwelt eines mörderischen Aussenseiters: Estefania Miranda inszeniert «Othello» als Tanzstück. Seite 3

Peter Studer

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Kritische Liebeserklärungen und abstruse Auswüchse unserer Zeit: Hank Shizzoe über sein neues Album «Songsmith».

Schweizerische Überforderung und kaiserliche Extravaganz: Albert Danz, Gemeindepräsident von Hindelbank, empfängt Haile Selassie 1954 am Bahnhof.

Als der Löwe aus Äthiopien kam «Die Ausgangslage war dürftig», sagt Murielle Schlup, die Konservatorin von Schloss Jegenstorf. Dabei hatten fast alle in Jegenstorf, die heute über sechzig sind, damals Fähnchen geschwenkt. In Bern säumten gar 100 000 Neugierige die Strassen, als Haile Selassie 1954 auf Staatsbesuch kam: der «Negusa Negast», König der Könige, Kaiser von Äthiopien – den Rastafaris gilt er gar als Gott. Für die Dauer seines Aufenthalts residierte Selassie im Schloss Jegenstorf. Obwohl der Besuch für Aufsehen sorgte, musste Schlup hartnäckig nach Material für die Ausstellung «Ein Kaiser zu Gast» fahnden. Dafür wird das Thema nun facettenreich und mit grossem Rahmenprogramm behandelt. Auf einem roten Teppich schreitet man durchs

Schloss, vorbei an Ehrengeschenken, an traditioneller Malerei aus Äthiopien, am Bett, in dem der Herrscher nächtigte, am nüchternen Bad, das mit grossem Aufwand eingebaut wurde. Dazu sieht man alte Filmaufnahmen, Dokumente und eine Fotoreportage und kann an Hörstationen verweilen. Inbegriff von Exotik und Opulenz Heute denkt man beim Stichwort Äthiopien vor allem an Hunger und Armut. 1954 wusste man noch nichts davon. Im Gegenteil. Der Kaiser trug einen Hut mit Löwenmähne und war Inbegriff von Exotik und Opulenz. 3000 Kilo Gepäck führten sein Hofstaat und er mit. Um das Protokoll einzuhalten, drehte die offizielle Schweiz im roten Bereich. «Die Anweisungen füllen ganze Ordner»,

weiss Schlup. Zu den Ehren am Empfang gehörte das Spiel der Kavallerie Bereitermusik, die auch an der Vernissage auftreten wird. Der Schweiz fehlte die Übung in Staatsbesuchen. Doch mit dem christlich geprägten Äthiopien trieb man Handel, Selassie galt als Partner des Westens, der Besuch war wichtig. Und nicht zuletzt hatte man «ein schlechtes Gewissen, auch wenn das so explizit in keinem Dokument steht», erklärt Schlup. Abgelehntes Asylgesuch Grund dafür war die «Abessinienkrise». Im Oktober 1935 marschierte Mussolinis Italien in Äthiopien ein. Selassie ersuchte auch die Schweiz um Asyl. Es wurde ihm verwehrt – weil der Bundesrat Italien nicht verärgern wollte und vielleicht auch, weil man der italienischen Propaganda Glauben schenkte. Die Faschisten brachten aber keine Zivilisation, wie sie behauptet hatten. Für ihr Gemetzel schreckten sie selbst vor

Giftgas nicht zurück. Richtig bewusst wurde das dem Westen erst, nachdem Selassie Äthiopien mit Hilfe der Briten zurückerobert hatte. Jetzt war der Schweiz das abgelehnte Asylgesuch peinlich. Tragisches Ende des Luxus-Kaisers Der politisch höchst umstrittene Kaiser endete tragisch, auch darauf geht die Ausstellung ein. Der im Luxus lebende Selassie hatte es verpasst, echte Landwirtschaftsreformen durchzusetzen. Als in den Siebzigern die regelmässig stattfindenden, katastrophalen Hungersnöte bekannt wurden, verlor er den Rückhalt und wurde aus dem Amt geputscht. Damit endete die 3000-jährige Geschichte des äthiopischen Kaiserreichs. Silvano Cerutti \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\

Schloss Jegenstorf Vernissage: Di., 6.5., 18 Uhr Ausstellung bis 19.10. www.schlossjegenstorf.ch

Rudernde Arme und stampfende Füsse: Am Tanzfest nehmen tanzende Menschen den öffentlichen Raum und diverse Kulturorte der Stadt in Beschlag. Mittanzen ist erwünscht.

Der Fotograf Janosch Abel hatte bereits Musiker wie Snoop Dogg oder Jamie Cullum vor der Linse und setzte Marken wie Nike oder SBB in Szene. Eine Auswahl von Arbeiten des amerikanischen Wahlberners sind in der Soon Galerie unter dem Titel «Portraits» zu sehen (Ausstellung bis 31.5.).

2. Boo Boo Davis in der Café Bar Mokka, Thun (Sa., 3.5., 21 Uhr) Boo Boo Davis spielt Blues. Blues passt nach Thun. Eine Stadt, in der ich das Mokka als Oase in einer kulturellen Wüste sehe.

durch Schnupperkurse in Tanzschulen und Theatern die Lust aufs Tanzen zu vermitteln. Neben den Workshops und Mitmachperformances gibt es in Bern auch Tanz für die Augen. Etwa bei einer öffentlichen Probe von «Othello» in den Vidmarhallen oder dem Stück «Inhabited Geometry» des indischen Choreografen Mandeep Raikhy in der Dampfzentrale. Christian Glaus

3. Pablo Nouvelle am Auawirleben in der Wifag-Halle, Bern (Mi., 7.5., 22 Uhr) Pablo Nouvelle ist grossartig.

Sarah Sartorius \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\

Diverse Orte, Bern Fr., 2., bis So., 4.5. www.dastanzfest.ch

von Janosch Abel

1. «Schulden GmbH» im Kino Kunstmuseum, Bern (Do., 1., und Di., 6.5., 18.30 Uhr, Fr., 2.5., 18 Uhr sowie So., 4.5., 16 Uhr) Der Film thematisiert das Verhältnis zwischen Schuldner und Geldeintreiber. Ich freue mich auf einen respektvollen Umgang mit einem Thema unserer Zeit.

Bern tanzt an

Ein Liebeslied lang tanzen im «Romantic Ballroom» im Innern des ZytgloggeTurms, am «Dance Craze»-Flashmob auf dem Waisenhausplatz die Passanten überraschen oder die Choreografie eines Bollywood-Filmes erlernen. Am Tanzfest wird Tanz nicht nur konsumiert, die Hüften dürfen auch selber geschwungen werden. Die 9. Ausgabe des Tanzfestes findet zeitgleich in zwanzig Schweizer Städten statt, wobei sich das Programm von Stadt zu Stadt unterscheidet. Schauplatz sind Kulturzentren und der öffentliche Raum. Gegründet wurde das Tanzfest 2006 in Zürich aus der Idee heraus,

3 Kulturtipps

ZVG

Einen «Kaiser zu Gast» hat man nicht alle Tage. Die Ausstellung auf Schloss Jegenstorf erinnert an den Staatsbesuch von Kaiser Haile Selassie, der 1954 vor den Toren Berns residierte.

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Auch dieses Jahr gibt es einen Tanz-Flashmob auf dem Waisenhausplatz (Bild von 2013).

Einen Freund, der nicht auf Konzerte steht, würde ich überreden hinzugehen, … … da Pablo Nouvelle bald internationalen Erfolg haben wird; dann werden sich nur noch wenige Gelegenheiten bieten, ihn in Bern zu sehen.


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