N°19 Donnerstag bis Mittwoch 8. bis 14.5.2014 www.kulturagenda.be
DIE BERNER KULTURAGENDA SAGT DIR, WOS L ANGGEHT, WENNS AUSGEHT!
Das Schweizer Jugend-SinfonieOrchester will sich mit Werken von Dvorak und Lutoslawski beweisen. Seite 3
Brett Boardman
\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Gehört der Stoff der Forschung oder der Religion? Die Ausstellung «Hülle und Zier» in der AbbeggStiftung stellt sich heiklen Fragen.
Vom Urknall bis zum Heute in 100 Minuten: «A History of Everything» verhandelt theatral die Weltgeschichte.
Apokalyptische Selbstinszenierung Wer entscheidet, was von öffentlichem Interesse ist und was nicht? In Zeiten von sozialen Netzwerken kann jede noch so belanglose Information jederzeit öffentlich geteilt werden. Die 32. Ausgabe des zeitgenössischen Theaterfestivals Auawirleben steht unter dem Motto «Von öffentlichem Interesse». «Eine gewagte Behauptung», nennt das Nicolette Kretz, Co-Organisatorin des Festivals und Mitverantwortliche für das Programm, und lacht. Öffentliche Anatomiestunde «Purge» von Brian Lobel ist eines der vierzehn Stücke der diesjährigen Ausgabe. Der gebürtige New Yorker Performancekünstler löste damit bei seinen Freunden einen wahren Sturm der Entrüstung aus. Er liess nämlich wild-
fremde Menschen darüber entscheiden, welche seiner zahlreichen FacebookFreundschaften er löschen und welche er behalten solle. Parallel dazu wiederholt der Berner Poetry-Slammer Diego Häberli das Experiment im Rahmen des Theaterfestivals. Da emotionale Reaktionen absehbar sind, hat Häberli seine Freunde auf der Facebook-Seite bereits vorgewarnt. Mit dieser öffentlich ausgetragenen Anatomie der Freundschaft stellen Lobel und Häberli die Privatsphäre von FacebookUsern in Frage. «Wir schreien nach Aufmerksamkeit und sind trotzdem empört über die Überwachung unserer Privatsphäre», so Kretz. «A History of Everything» heisst das Stück der belgischen Theaterperformance-Gruppe Ontroerend Goed und
der Sydney Theatre Company. In einer 100-minütigen Geschichtsstunde wird im Zeitraffer die gesamte Weltgeschichte vom Urknall bis zum Hier und Jetzt durchgespielt. Der Untergang der Titanic reiht sich nahtlos an Meldungen aus Hollywood und die Erfindung der Anti-Baby-Pille. Welche Ereignisse von öffentlichem Interesse sind und in die Geschichtsbücher eingehen, ist immer eine subjektive Entscheidung. Schweizer Sowjet Republik Mit der Geschichte, oder besser gesagt einem alternativen Verlauf des Weltgeschehens, befasst sich auch das Spektakel «Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten». Das Stück beruht auf dem 2008 erschienen Roman des Schweizer Schriftstellers Christian Kracht. «Die spezielle Vorlage verlangt einen aussergewöhnlichen Rahmen», sagt der deutsche Theaterregisseur JanChristoph Gockel, der die Endzeitvision Krachts für das Konzert Theater Bern
inszeniert. Er transportiert die Romanhandlung deshalb in den Steinbruch bei Krauchthal. Im Stück, das am Theaterfestival Premiere feiert und den Sommer lang aufgeführt wird, steht die Welt komplett Kopf: Lenin hat sein Schweizer Exil 1917 nicht verlassen, sondern Neu-Bern zu einer der Hauptstädte seines sowjetischen Reichs erkoren. Seit 96 Jahren bekriegt sich die SSR («Schweizer Sowjet Republik») mit den faschistischen Ländern Deutschland und England. Afrika ist der stärkste Verbündete der Schweiz, liefert Ressourcen und militärischen Nachwuchs. Von dort stammt auch die Hauptfigur des Romans. Ein junger Offizier dringt auf der Suche nach einem Regimegegner immer tiefer ins dunkle Herz der Alpen vor. Christina Steffen \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Verschiedene Orte, Bern Mi., 7., bis So., 18.5. www.auawirleben.ch
Im Epizentrum des Festivals
\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Wifag-Halle, Bern. Mi., 7., bis So., 18.5. www.auawirleben.ch / www.rast.be
Die Bernerin Franziska Bieri hat 2012 an der Hochschule der Künste Bern den Master gemacht. Ihre Werke waren unter anderem an der Cantonale Bern Jura zu sehen. Für das Projekt «geprägt» hat Bieri während dreier Monate Lebensgeschichten gesammelt. Sie sind im Rahmen einer Ausstellung im Kunstraum CabaneB in Bümpliz zu sehen. Am Fr., 9.5. findet ein philosophisch-musikalischer Abend statt, an dem Bieri eine Performance präsentiert (ab 17 Uhr, Ausstellung bis 11.5.).
2. Koukansuru im Rahmen des Tanzfestival Steps im KKThun (So., 11. 5., 18 Uhr) Das scheint mir ein spannendes Austauschprojekt zu sein. Da ich Hip-Hop und Tanz mag, werde ich hingehen. 3. Kutti MC bei Bee-flat in der Turnhalle im Progr, Bern (Mi., 14.5., 20.30 Uhr) Weil seine Rap-Texte gut klingen, sowohl inhaltlich wie auch musikalisch.
ZVG
lischem Pop, atmosphärischem Elektro und warmem Soul bewegt. Die Zwischennutzung eignet sich auch gut, um Diskussionen über den sozialen Raum anzuregen. Die Social Space Agency hinterfragt Konventionen und bildet in der Halle «Sozionauten» aus. Wer sich hingegen von den gesehenen Theaterproduktionen herausgefordert fühlt, darf sein Mütchen an der «No.1 Oh-Karaoke Show!» von Lars und Yanik kühlen. Wer weiss, vielleicht erntet man dafür sogar Beifall. cst
von Franziska Bieri
1. Heinz Mollet und René Zäch in der Galerie Béatrice Brunner, Bern (Ausstellung bis 10.5.) Die abstrakten Bilder von Heinz Mollet haben etwas an sich, das mich total anspricht – stark, einfach, anders.
Soziale Räume erforschen oder selbst die Bühne rocken: Die leere Fabrikhalle der Wifag wird während der zwölf Tage von Auawirleben zum Festivalzentrum umfunktioniert. Das Theaterfestival dehnt sich in Bern weiter aus: Das Kollektiv Rast funktioniert die 700 Quadratmeter der leerstehenden Wifag-Halle zum grössten Festivalzentrum in der Geschichte von Auawirleben um. In der Fabrikhalle kann man sich bei einem Bier und einer warmen Mahlzeit von den Strapazen des Theater-Marathons erholen. Oder man stürzt sich direkt ins Rahmenprogramm. Der Berner Musiker Pablo Nouvelle (Bild) feiert grosse Erfolge in England. Am Eröffnungsabend ist er für die Einweihung der Tanzfläche verantwortlich. Mit im Gepäck: Sein erstes Soloalbum, das sich irgendwo zwischen melancho-
3 Kulturtipps
ZVG
Sezierte Freundschaften, Endzeitvisionen und die gesamte Weltgeschichte im Schnelldurchlauf: An der 32. Ausgabe des Theaterfestivals Auawirleben steht das Thema «Von öffentlichem Interesse» im Mittelpunkt.
Seite 12 \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Nachholen, was in England schon passiert ist: den Berner Musiker Pablo Nouvelle entdecken.
Ich würde eine Freundin aus Deutschland ans Konzert von Kutti MC mitnehmen, … … damit sie durch die poetischen RapTexte Schwizerdütsch mal anders kennen lernen kann.