DIE BERNER KULTURAGENDA SAGT DIR, WOS L ANGGEHT, WENNS AUSGEHT!
N°25 Donnerstag bis Mittwoch 19. bis 25.6.2014 www.kulturagenda.be
Ein europäischer Kongress, der auch Laien etwas angeht: Der europäische Musikrat tagt in Bern. Seite 3
Ein «grosses Fressen» gegen den Tod. Nina Stadler (l.) und Annalena Fröhlich laden zum Happening.
Die lange Nacht der Überlebenden Mit ihrem Gastspiel «Insomnia» macht die Compagnie deRothfils die kürzeste Nacht des Jahres zur längsten: Neun Performerinnen und Performer treten in der Dampfzentrale zum zehnstündigen Happening an. Wer lange nicht schläft, weiss plötzlich nicht mehr genau, was real und was Traum ist. Sieht allenfalls gar Geister, wie der Held in Stephen Kings Roman «Schlaflos». Mit «Insomnia» will die Berner Tanz- und Theaterkompanie deRothfils einen solchen Zustand, einen sogenannten Taumel heraufbeschwören. Die Truppe rund um Annalena Fröhlich und Nina Stadler ist zu Gast in der Dampfzentrale. In der kürzesten Nacht des Jahres veranstalten Tänzer, Musiker und Schauspieler ein zehnstündiges üppiges Happening. Insgesamt neun Performerinnen und Performer sorgen in burlesk-opulenten Kostümen laufend für Interventionen. Begrüsst werden die Besucherinnen und Besucher mit einer «WillkommensZeremonie der besonders lauten Art».
Was da genau passiert, will Fröhlich nicht verraten. «Töne spielen dabei eine wichtige Rolle», gibt sich die Tänzerin, Musikerin und Videokünstlerin geheimnisvoll. Gemeinsam mit der Tänzerin und Choreografin Nina Stadler bestimmt Fröhlich das Programm einer ganzen Nacht. DeRothfils, bekannt für das Mixen verschiedener Kunstformen, für eine oft skurrile Ästhetik und das Spiel mit verschiedenen Zeitebenen, drückt der Dampfzentrale gewissermassen seinen Stempel auf. Zentraler Programmpunkt ist das von deRothfils und Gästen veranstaltete Spektakel «Das grosse Fressen». Damit wollen die Performerinnen und Performer mit bewusst zelebrierter Dekadenz laut eigener Aussage dem Tod trotzen.
Ein Fest vor der Sintflut gewissermassen. «Wir gehören zu den Verschonten, denn wir leben ja noch», fasst Fröhlich zusammen, worum es bei dieser Performance geht. Natürlich spielt auch die uralte Idee der Kunst, die Spuren hinterlässt und den Künstler deshalb unsterblich macht, eine Rolle. Warum beschäftigt sich eine knapp 30-Jährige mit der Vergänglichkeit? «Krise, Krieg und Tod sind omnipräsent. Man hat doch manchmal das Gefühl, alles ginge bachab, auch wenn wir in der Schweiz auf einer Insel leben», so die Künstlerin, die in dieser barock angehauchten Nacht unter anderem Cembalo spielen wird. Auftritt der Kummerbuben «Das grosse Fressen» ist bekanntlich auch der Titel eines Filmes aus den 70er-Jahren, in dem sich gut situierte Lebemänner bewusst zu Tode fressen. Bei der Performance von deRothfils wird das Fressen hoffentlich nicht zur Qual, auch wenn das Motto durchaus
wörtlich zu verstehen ist: «Ein Schweinekopf und andere politisch unkorrekte Sachen werden aufgetischt und verputzt», verrät Fröhlich. Doch auch wenn der Bauch randvoll ist, geschlafen wird noch lange nicht. Das Kaleidoscope String Quartet spielt sphärigen Jazz, die Kultband Kummerbuben gibt ein Konzert, es kann gespielt und auch mal mitgegessen werden. «Die Zuschauer sollen in einen Rausch kommen, bald nicht mehr so genau wissen, ob sie selbst nicht auch längst Teil der Zeremonie sind.» Viele Sachen würden in dieser sinnlich-opulenten Nacht gleichzeitig passieren, niemand das genau Gleiche erleben, erklärt Fröhlich. Wer auch noch die diversen DJ-Sets durchhält und wach bleibt, kriegt am Morgen ein Frühstück serviert. Helen Lagger \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Dampfzentrale, Bern Sa., 21., und So., 22.6. www.dampfzentrale.ch
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3 Kulturtipps von Michaela von Siebenthal
Michaela von Siebenthal ist Mitorganisatorin von «Loufmeter – Modeschou uf dr Gass» (Sa., 21.6., 13.30 Uhr). 40 Models präsentieren Kleider von fünf Berner und einem Aargauer Label. Gestartet wird vor dem Kulturbüro an der Grabenpromenade, danach findet dort ein Modeverkauf statt (15 bis 20 Uhr). 1. «Erika in Afrika» im Schlachthaus Theater, Bern (Vorstellungen bis Sa., 21.6.) Wenn Kämpf schreibt, Urweider, Torpus und Röhrenbach mitmischeln, kommt es gut mit Erika in Afrika.
Musik für Pioniere Pionierleistungen haben es dem Basler Musikkollektiv We Invented Paris angetan. Herausgekommen sind ein Lied für Auguste Piccard und IndieRock für Tagträumer. Live zu erleben im Rössli. dise wird im Sinn der Do-it-yourself-Idee von den Beteiligten selbst gemacht. Und um die Aufnahmen für «Rocket Spaceship Thing» zu finanzieren, betrieb man Crowdfunding. Herausgekommen ist eine Platte mit Indie für hoffnungslos hoffnungsvolle Tagträumer. Mit im Gepäck im Rössli ist die Berner Band I Made You A Tape, die ihre Musik selbst als «Brouillard Sound» bezeichnt: Richtige Entdecker finden den Weg auch in dichtem Nebel. Franziska Burger \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Rössli Bar in der Reitschule, Bern Do., 19.6., 21 Uhr. www.roessli.be
2. «Sichtweisen – Martin Guggisberg, Alexander Jaquemet, Brigitte Lustenberger, Caspar Martig» im Kornhausforum, Bern (Vernissage: Do., 19.6., 19 Uhr. Ausstellung bis 3.8.) Ich bin ein Fan von Bigi Lustenbergers Fotos. 3. «Insomnia» von deRothfils in der Dampfzentrale, Bern (Sa., 21.6., ab 11 Uhr) Annalena Fröhlich und Nina Stadler laden mit vielen Gästen zum Tanz. Ein Zehn-Stunden-Superprogramm.
ZVG
Kein Mensch erreichte zuvor solche Höhen. 1931 stieg der Schweizer Wissenschaftler Auguste Piccard mit einem Heissluftballon auf 15 785 Meter Höhe, eine unvergessene Pionierleistung. Die Basler Band We Invented Paris hat Piccard auf ihrer aktuellen CD «Rocket Spaceship Thing» ein Lied gewidmet, denn sie bezeichnet Vorreiter wie ihn als Inspirationsquelle. Das Basler Kollektiv bringt in wechselnder Besetzung Künstlerinnen und Künstler aus allen Sparten zusammen und versucht dadurch, neue Wege für die Musikproduktion zu finden. Musik, Layout-Gestaltung der CD und Merchan-
Er war seiner Zeit voraus und trotzdem kennt man bis heute nur sein Pseudonym. Die Kunsthalle zeigt das Werk von Vern Blosum.
ZVG
Adrian Zahn
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Do-it-yourself-Methoden und grosse Träume: We Invented Paris.
Nach dem «Loufmeter»-Modeverkauf überrede ich unsere Crew, mit zu deRothfils in die Dampfzentrale zu kommen, … … denn diese schreiben zu «Insomnia»: «Wenn schon untergehen, dann mit lautem Getöse, gut genährt und richtig gut angezogen.» Passt!