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N°10 6. bis 12. März 2008
Die «Dreigroschenoper» von Brecht und Weill in der Cappella
Christian Kjellvander im ISC
Inbrünstig und verrucht: Susanne Bard und Uwe Schönbeck teilen sich alle Rollen in den ohrwurmverdächtigen Songs der Konzertversion der «Dreigroschenoper». Das Quintetto Illegale steuert auf zahlreichen Instrumenten den Original-Soundtrack bei.
Der einsame Cowboy aus dem Norden zieht mit seinen traurig-schönen Songs einmal mehr die Bernerinnen und Berner in seinen Bann.
Eine Oper für Bettler, Huren und Diebe Stille Wasser gründen tief Die bekannte Schauspielerin Susanne Bard und Uwe Schönbeck – Berner Publikumsliebling und gelernter Opernsänger – übernehmen alle Rollen in den Songs von Bertolt Brechts «Dreigroschenoper». Bei der sogenannten Konzertversion treten die Handlung und die Figuren zugunsten der Musik in den Hintergrund. Diese wird gespielt vom Quintetto Illegale, auf einer Vielzahl von Instrumenten. «Sie werden jetzt eine Oper hören. Weil diese Oper so prunkvoll gedacht war, wie nur Bettler sie erträumen, und weil sie so billig sein sollte, dass Bettler sie bezahlen können, heisst sie ‹Die Dreigroschenoper›.» So lautet die Einleitung, welche Bertolt Brecht für die schlankere «Konzertversion» seinem 1928 in Berlin uraufgeführten Stück hinzufügte. Bettler, Huren und Diebe sind denn auch die Protagonisten der «Dreigroschenoper». Trotz ihrer Ansiedlung im viktorianischen England erkannte das Publikum die Kritik an der bürgerlich-kapitalistischen Welt der Weimarer Republik, die von Brecht mit Satire und Spott karikiert wurde. Das Geschehen sollte die Zuschauer nicht in eine Welt der Illusionen entführen, sondern zur kritischen Reflexion anregen. Jahrhunderterfolg «Dreigroschenoper» Die «Dreigroschenoper» wurde zum grössten Theatererfolg der Zwanzigerund Dreissigerjahre, und dies lag vor allem an der Musik, den berühmten Gassenhauern wie etwa «Die Moritat von Mackie Messer», «Das Lied von der Seeräuber-Jenny» oder der «Ballade vom angenehmen Leben». Adrian von Steiger und sein Ensemble, das Quintetto Illegale, sind die Einzigen, die sich in der Schweiz 2006 erstmals der «Konzertversion» annäherten. Nun kommt es zu einer Wiederbelebung in der Cappella. Verrucht, verraucht und komödiantisch «Mir gefällt die Kargheit von Text und Musik, das Direkte und Saloppe», erzählt Adrian von Steiger im Gespräch. «Das Sozialkritische der Geschichte hat für
mich etwas Angestaubtes, die schlanke Version, die vor allem auf die Musik setzt, ist kompakter und essenzieller», führt er aus. Alle «Illegalen» spielen mehrere Instrumente, ihr Repertoire bewegt sich zwischen Volksmusik und Klassik. Diese musikalische «Hochseilartistik» eignet sich für die Intonierung der «Dreigroschenoper» bestens, da auch das Originalorchester aus Multiinstrumentalisten bestand. Ob Mann, ob Frau … Gesungen und gespielt werden die Lieder von Susanne Bard und Uwe Schönbeck. Die bekannte Schauspielerin gibt gerade den Mephisto an den Landesbühnen Sachsen-Anhalt. Den beliebten Schauspieler und gelernten Opernsänger Schönbeck braucht man dem Berner Publikum nicht mehr vorzustellen, als langjähriges Ensemblemitglied des Stadttheaters hat er sich in die Herzen der Bernerinnen und Berner gespielt. Die beiden teilen sich die Songs, unabhängig davon, welchem Geschlecht sie zugedacht wurden. Regisseur Klaus Noack entführt in die verruchten Zwanzigerjahre: Der Mann im Frack, die Frau im Abendkleid, obszöne Blicke, schwülstiges Licht und Zigarettenrauch evozieren die Atmosphäre, wie sie in den Spelunken und Bordellen dieser Zeit geherrscht hat. Für Susanne Bard und Uwe Schönbeck birgt die «Konzertversion» eine grosse Herausforderung, da die Handlung nur von kurzen Sprechtexten zusammengefasst wird. Komödiantisches Talent und Vielseitigkeit wird den beiden abverlangt, da sie das ganze brechtsche Figuren ensemble von Mackie Messer, Peachum,
Polly und der Seeräuber-Jenny darstellen und die komprimierte Handlung vermitteln müssen. Tango, Marsch und Walzer Komponiert wurde die Musik durch den 1900 in Dessau geborenen Kurt Weill, der alle Regeln einer klassischen Oper auf den Kopf stellte. Die Uraufführung fand nicht im Opernhaus, sondern in einem kleinen Berliner Theater statt. Das Publikum war nicht elitär, sondern vielfältig, die Besetzung bestand nicht aus Opernsängern, sondern aus Leuten aus Schauspiel, Operette und Kabarett. Das Orchester spielte nicht im Graben, sondern sichtbar auf der Bühne. Die Nummern enthielten Jazz-Elemente, und der Komponist scheute sich nicht, populäre Musik wie Tango-, Marsch- und Walzerklänge einfliessen zu lassen. Die Handlung der «Dreigroschenoper» ist von der Beggar’s Opera von John Gay und Johann Christoph Pepusch aus dem Jahr 1728 inspiriert. Original lautete die Bezeichnung: «Ein Stück mit Musik in einem Vorspiel mit neun Bildern nach dem Englischen des John Gay.» Dass die Musiknummern von Brecht und Weill mittlerweile ein Eigenleben führen, ist bekannt. In der Cappella wird ihnen neues Leben eingehaucht. In den Zwanzigerjahren kannte das Publikum die populären Stücke und sang sie in den Strassen. Ob bald «Und der Haifisch, der hat Zähne …» durch Berns Gassen klingt? Helen Lagger \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
La Cappella, Bern. Premiere: Di., 11.3. Weitere Vorstellungen am 12., 13., 17. und 18.3., 20 Uhr; www.la-cappella.ch
Der Singer/Songwriter Christian Kjellvander macht halt in Bern. Mit im Gepäck hat er sein drittes Album, «I saw her from here/I saw here from her», eine wunderbare Band, bestehend aus seiner Frau und seinen Freunden, und viele tieftraurige Songs. Einsilbig ist er, der gebürtige Schwede, fast möchte man sagen wortkarg. Man stellt ihn sich vor, wie er in seinem Haus auf dem Land irgendwo im einsamen hohen Norden seine Texte vor dem warmen Kamin schreibt. Und man ist versucht, ihm kein glücklicheres Leben zu wünschen. «Meine Musik ist nicht einfach traurig. Sie beinhaltet von allem etwas: Sie ist ernst, melancholisch, geistig und oft auch hoffnungsvoll», so Christian Kjellvander. Und definitiv zum Weinen schön. Schichten in verschiedenen Perspektiven Geboren in Malmö im Süden Schwedens, verbrachte Christian Kjellvander seine Kindheit in Seattle. In Nordamerika kam er in Kontakt mit der Country-Musik und derjenigen von Townes van Zandt und Johnny Cash. Mit 16 Jahren zurück in Schweden, gründete er 1996 die AltCountry Band Loosegoats. 2002 brachte er sein erstes Soloalbum, «Songs from a Two-Room Chapel», raus, welchem 2005 ein zweites namens «Faya» folgte. In seinem jüngsten Werk, «I saw her from here/I saw here from her», geht es um Perspektive und verschiedene Sichtweisen, wie er erklärt. Und mit wiederholtem Hören des Albums ist die Nichtfarbe Schwarz immer weniger nur Schwarz, sondern die Musik des Melancholikers offenbart ihre ganze Palette dunkler (Farb-) Töne. So vielschichtig, wie Traurigkeit sein kann, ist auch seine Musik. Auf seiner Tour in den südlicheren Teil Europas wird der Mann mit der warmen, tiefen Stimme begleitet von Martin Gus taffson alias Boy Omega. Auch er macht Musik zum Träumen, zu hören als SoloVorprogramm. Christian Kjellvander ist
jedoch auch mit seiner Band in guter Gesellschaft. Neben der dezenten und zauberhaften Hintergrundstimme seiner Frau Karla-Therese Kjellvander unterstützt ihn unter anderem ein Banjo. Die Wurzeln des Country sind in seiner vom Folk, Rock und «Northern Blues» durchtränkten Musik durchaus noch hörbar. Doch ob nun unterwegs ist in den Süden, in der kargen Wüste oder den Wäldern des kalten Nordens, mit dabei ist immer die Ruhe und die Einsamkeit, die seine Texte ausstrahlen. «There’s no heaven, only highway and lonely man.» Hält man unterwegs an einem Ziehbrunnen und wirft einen Stein in das dunkle, klare Wasser, wird man den dumpfen Aufprall kaum mehr hören. Annette Frommer \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\ g un ISC, Bern, Do., 6.3., 21 Uhr los r e V www.isc-club.ch
Kulturbeutel Galerie/Artspace Milieu 3 Getroffen: das Grand Palais-Team 3 Plattentaufe Monpetitponey 3 Kind & Kegel 4 Hören & Sehen 5 Sang & Klang 6 Small Talk mit Rachel Harnisch 7 Hand & Herz 8 Worte & Orte 9 Hin & Weg 10 Plüsch & Plausch 11 Kinder-Theaterfestival «Blickfelder» 12