Berner kulturagenda 2008 N° 11

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ZVG Fotomontage BKA

N°11 13. bis 19. März 2008

«Wand und Wagnis» im Schweizerischen Alpinen Museum

Natacha Atlas und Sapho im Progr

Peter Bohren, Bergführer aus Grindelwald, war 1858 einer der Ersten auf dem Eigergipfel.

Dieser Tage sind bei bee-flat im Progr zwei Frauen mit interessanter Vergangenheit gegenwärtig: Natacha Atlas (links) und Sapho.

Und ewig lockt der Eiger Zwei Mal Weltreise, bitte «Der Gipfel des Eigers wird für unersteiglich gehalten.» So die Worte des Alpenforschers Gottlieb Studer von 1850, die in der Ausstellung «Wand und Wagnis» im Schweizerischen Alpinen Museum zu lesen sind. Doch die Geschichte belehrte eines Besseren. Die Schweizer Berge locken. So auch der Eiger, 3970 Meter hoch. Vor 150 Jahren wurde er zum ersten Mal erklommen. Am 11. August 1858 bezwang der irische Gelegenheitsbergsteiger Charles Barrington mit den Grindelwaldner Bergführern Christian Almer und Peter Bohren den stolzen Gipfel über die Westflanke. Die Erstbesteigung des Eigers fiel ins goldene Zeitalter des Alpinismus, zwischen 1855 und 1865. In dieser Zeitspanne wurden die meisten Viertausender der Alpen erstmals bestiegen. Der Aufstieg nahm viel Zeit in Anspruch, die Ausrüstung war spartanisch: Feldflasche, Hanfseil, Pickel und Kompass. Es waren vor allem gutbetuchte Engländer, meist Männer, welche die Alpen entdeckten und die Viertausender bezwangen. Als erste Gipfelstürmerin am Eiger verzeichnen Historiker 1864 die Engländerin Lucy Walker. «Eine neue Herausforderung war die Durchsteigung der Nordwand des Eigers», sagt Barbara Gerber, Geografin und Kuratorin der neuen Ausstellung. In den 1930er-Jahren wurden diese Versuche vielen zum Verhängnis. So auch dem Deutschen Toni Kurz, der mit seiner Seilschaft 1936 den Tod fand. Die Ausstellung lässt seinen spektakulären Überlebenskampf am Seil und die Bergung seiner Leiche in Ausschnitten aus dem ältesten Eigerfilm aufleben. 1938 gelang es schliesslich den Deutschen Anderl Heckmair und Ludwig Vörg zusammen mit den Österreichern Heinrich Harrer und Fritz Kasparek als Ersten, den Gipfel über die Eigernordwand zu erreichen. Die «Heckmair-Route» war gefunden.

«Wand und Wagnis» informiert jedoch nicht nur über Erstbesteigungen am Eiger. Mit Bildern bekannter Bergfotografen, beispielsweise Vittorio Sella oder Jules Beck, sowie Zitaten stellt die Ausstellung die sich wandelnde Risikobereitschaft dar und fragt nach der Motivation von Bergsteigerinnen und Bergsteigern. «Was sind Risiken?», «Wie wird und wurde mit Risiken umgegangen?», gilt «Je extremer, desto gefährlicher?» Die Ausstellung spürt auch dem individuellen Empfinden von Risiken sowie der Bereitschaft, diese einzugehen, nach. In einem ausgelegten «Besucherbuch» werden, mit Hilfe von vier Fragen, die Ansichten des Publikums etwas genauer erfasst. Extremsport am Berg In der Ausstellung wird zudem das Phänomen «Extremsport» aufgegriffen – am Beispiel des Schweizers Ueli Steck. Ihm gelang, fast könnte man meinen eigens für die Jubiläumsausstellung, am 13. Februar ein neuer persönlicher Geschwindigkeitsrekord: In nur 2 Stunden, 47 Minuten und 33 Sekunden legte er den Weg durch die Eigernordwand zum Gipfel zurück. Dieses Ereignis forderte die Flexibilität von Kuratorin Gerber heraus, mussten doch kurzfristig neue Begleittexte geschrieben, Bild- und Filmmaterial ergänzt werden, um die Ausstellung abzurunden. Isabelle Haklar \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\

Schweizerisches Alpines Museum, Bern. 14.3. bis 28.9. Begleitprogramm: www.alpinesmuseum.ch

Sapho, das Multitalent des französischen Chansons, vertont einen Revoluzzer-Chansonnier in Flamenco-Manier. Eine Léo-FerréHommage, die zugleich grosse Lyriker wie Rimbaud und Baudelaire zeitlos macht. Drei Tage später wartet eine Spätaufsteherin mit ihrem Akustik-Set auf: Natacha Atlas lässt die Elektrobeat-Maschine auf der Seite, um ihrer Stimme mehr Raum zu geben. Die Weltenbummlerin Natacha Atlas hat die arabische Musik in die westeuropäischen Discos gebracht. Orientalische Klänge mit treibendem Beat aus dem Elektrosegment – damit lässt sich heute niemand mehr verblüffen. Doch war sie vor der Jahrhundertwende die Wegbereiterin für all die Tarkans, die ihr gegenüber allerdings nach billigem Abklatsch tönen und im Ethnokitsch baden, während Atlas als Original diesbezüglich ganz im Trockenen bleibt. «Meine Musik ist eine Mischung aus meinen Wurzeln und der Musik, die ich am liebsten höre», mampft Natascha Atlas vollmundig um fünf Uhr nachmittags in den Hörer. Sie frühstückt gerade. Etwas Neues auszuprobieren, entspricht der Auffassung ihres Berufsstands. «Die Kreation macht mich zur Künstlerin, andere unterhalten bloss», knuspert es aus London. Es ist nicht der Autocorso-Pop, den sie erschaffen hat, sondern die etwas sorgfältigere Variante: die Kombination von Gutem und Gutem zu Gutem. Sie lässt die Elektrobeats zu Hause Für bee-flat wendet sie sich nun etwas von den Elektrobeats ab: Sie spielt ein Akustik-Set, zusammen mit ihren Mitmusikern Harvey Brough (Piano), Ian Burdge (Cello), Loulai Al Henawi (Flöte), Julian Ferraretto (Violine), Andrew Hamill (Bass) und Ali Abdel-Alim (Perkussion). Das soll nun nicht als Paradigmenwechsel verstanden werden: «Es ist ein neues Projekt – die Elektro-Sachen leben weiter», sagt die Sängerin zwischen zwei Happen Zmorgemüesli. World Women Voices – auf wen kann die bee-flat-Marke besser gemünzt sein

als auf sie, die mit weitgestreuten orientalischen Wurzeln ausgestattete, in Belgien geborene Künstlerin, die heute in London lebt, aber auch zu Frankreich eine musikalische Nähe pflegt? Auf Sapho vielleicht, ja. In die warme Tiefe des Flamencos Eine zweite Lesung mit eigenem Vokabular: Das macht die Franco-Marokkanerin Sapho. Sie nimmt sich der Musik von Chansonnier Léo Ferré an und trägt sie in der Sprache des Flamencos vor. Der 1993 verstorbene Ferré wiederum hatte nicht nur eigene Texte vertont, sondern auch diejenigen der Lyriker Aragon, Verlaine, Rimbaud und Baudelaire. Sapho sorgt dafür, dass sie zeitlos bleiben. Dies mit einer Stimme, die einmal in vollwarme Tiefe taucht, dann wieder in eine helle Höhe abhebt oder hauchend unter die Haut geht. Sapho lässt einen nicht kalt. Begleitet wird sie von Alyss mit dem Cajòn, also mit der Kistentrommel, diesem so simplen Instrument, das aber ein wahrer Tausendsassa der Perkussion ist. Dazu bringt Vincente Almaraz mit seinem virtuosen Gitarrenspiel andalusische Flamenco-Glut in Saphos Interpretationen. Das Trio gliedert das Schaffen des «Sängers der Revolte», wie Sapho den französischen Chansonnier nennt, in drei Teile: «Ferré et les poètes», «Ferré et l’Espagne» und «Les grands classiques de Ferré». La Chanteuse du Monde Sapho ist eine Ausnahmekünstlerin. Wer glaubt, dass sich die Marokkanerin bereits seit je der spanischen Musik verschrieben hätte, täuscht sich gewaltig. Die Frau hat schon so manches gesehen. Tingelte rast-

los durch New York, London, Paris und Kairo. Stand als Schauspielerin auf der Bühne, war Autorin, drehte Filme und sang sich durch teils völlig gegensätzliche Musikstile. Nicht von ungefähr hat sie ihren Künstlernamen gewählt: Sapho war die wichtigste Lyrikerin im antiken Griechenland. Die von Lesbos loszog, die Welt bereiste und nach ihrer Rückkehr die jungen Frauen der Insel in musischen Fertigkeiten unterrichtete, in Poesie, Musik, Gesang und Tanz. Als «La Chan­teuse du Monde» bezeichnet sie sich selbst: Sapho, die stets unterwegs war, räumlich und musisch. Michael Feller \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\ g bee-flat im Progr, Bern un los Sapho am So., 16.3., 20.30 Uhr Ver

Natacha Atlas am Mi., 19.3., 20.30 Uhr www.bee-flat.ch

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