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Anja Fonseka
N°28/29 Donnerstag, 10., bis Mittwoch, 23. Juli 2008
Tanzspektakel Loutop auf der Münsterplattform
Lobarhymes in Bern
Ben Harper am Gurtenfestival
Moni Wespi (Bild) und ihr Ensemble erzählen in ihrer akrobatischen Tanzperformance die Geschichte der Menschheit, die zu hoch hinaus will. Auf dem Boden und in luftiger Höhe.
Langen Atem brauchen die Ausrufenden für den urbanen Alpsegen durch die Holztrichter.
Diese kräftige Hand kann auch sehr soulig die alte Weissenborn-Slide-Gitarre spielen. Ben H arper & The Innocent Criminals sind die ganz grosse Attraktion im diesjährigen Gurtenprogramm.
Freier Fall unter freiem Himmel Stadtgebet
Auf grossen Bühnen ganz intim
Was passiert, wenn die Menschheit versagt, untergeht, aber nochmals eine Chance kriegt, alles besser zu machen? Die Tanznomaden von Loutop zeigen auf ihrer Sommer tournee mit dem Stück «Desmond», dass zeitgenössischer Tanz ganz schön mitreissen und spektakulär sein kann.
Was die Sennen auf der Alp praktizieren, bringen Loba Town und Rapper Greis auf Berns Dächer. Eine ungewöhnliche Kunstaktion von hoch oben.
Niemand passt besser ins 25-Jahre-Gurten-Jubiläum als Ben Harper. Mit seinem Sound spannt er den musikalischen Bogen von den folkigen Anfängen des Festivals zu einem facettenreichen, souligen Songwriting von morgen. Und irgendwie ist der US-Amerikaner wie Bob Marley und Jimi Hendrix zugleich.
spielt immer für dasselbe Publikum. Der zeitgenössische Tanz ist wahnsinnig unpopulär.» Da hat sie recht. Der Tanz als Kunstform könnte mehr Beachtung vertragen, ist aber oft zu verkopft und zu unverständlich, kommt darum meist nicht über die Selbstbefruchtung hinaus und gefällt sich in dieser Abgeschlossenheit auch noch. Dem wollte Moni Wespi mit Loutop entgegenwirken. Das Ensemble ist in anderer Besetzung letztes Jahr mit «Enter» durch die Schweiz getourt. Diesen Sommer trägt es den Tanz erneut mitten in die Stadt. In Bern gastiert die Gruppe während zweier Wochen auf der Münsterplattform.
«So früsch u chräftig fliesst der Strom dür dini Loube, so öffne d'Ouge, Bärn stand uf und streck di us.» Der Rapper Greis hat für Loba Town seinen Blick auf Freud und Leid der Bernerinnen und Berner gerichtet. Das Besondere: seine Rhymes werden von zehn Ausruferinnen und Ausrufern durch Holztrichter von den Dächern der Stadt gesungen. Die Macher von Loba Town (Loba stand ursprünglich für die Anrufung der Kuh, später Gottes) haben sich von einem uralten Brauch inspirieren lassen: dem Alpsegen. Seit Jahrhunderten rufen im Sommer Sennen allabendlich von der Alp ins Tal. Was, wenn dieser Sprechgesang in der Stadt neue Wurzeln schlagen würde? Vier Rapper wurden mit der Adaption des Alpsegens betraut. «Zuvor haben wir den Bewohnern von vier Schweizer Städten in Interviews auf den Zahn gefühlt», erzählt Theaterfrau Vera von Gunten. Den Berner Stoff hat Greis in Rhymes verpackt. «Ich kann nicht Sprachrohr sein, nur Stimmungen wiedergeben», betont er. Das scheint gelungen, denn als die Rapper den beteiligten Sennen beim Fondue auf der Alp ihre Lobarhymes vortrugen, waren diese positiv überrascht. Gefallen an der 15-minütigen Kunstaktion finden auch die Stadtbewohner, die selbst durch die Trichter rufen dürfen, wenn sie sich trauen. Ein wenig Mut brauche es nämlich schon, bestätigt Ausruferin Angela Deppeler. Dass sich damit die Stadtdämonen vertreiben lassen, bezweifelt Greis, «aber sicher die bösen Wölkchen». ngu
Entspannt lehnt sich Ben Harper im Stuhl auf der Bühne zurück, die alte Weissenborn-Slide-Gitarre auf den Knien – und setzt an zum Intro für «Lifeline», den Titelsong der aktuellen CD. Den Zuhörerinnen und Zuhörern stockt der Atem. Harper hat die Fähigkeit, selbst auf den grössten Bühnen intime Momente zu kreieren und das Publikum in seinen Bann zu ziehen. Der charismatische Sänger und Gitarrist ist Bob Marley und Jimi Hendrix zugleich. Von Ersterem hat er die Bühnenpräsenz und die geschmeidige Stimme, von Letzterem das irre Gitarrenspiel.
Am Anfang ist das Leben am Ende: Vier Figuren gieren nach Höherem, klettern auf das halbkugelförmige Gerüst, scheitern, fallen herunter. Sie geben nicht auf und versuchen es trotz des Ächzens und Grollens der Kugel erneut, noch verbissener, bis es dieser Erde zu bunt wird. Sie tut sich auf und verschluckt die vier. Dann ist es still. Vier gebogene Metallträger bilden das Bühnenbild für das Freiluft-Stück «Des mond» («von den Welten»). Die Tänzerinnen und Tänzer Moni Wespi, Maja Brönnimann, Manfred Perego und Moritz Stäubli hängen wie Kokons in den Seilen am Gerüst – die Evolution kann von vorn beginnen. Das Leben erhält eine zweite Chance. Mehr als bloss «in-te-re-ssant» Eine spielfreudige Truppe, eine raffinierte Bühneninstallation (Uli Weigel), grossartige Musik (Moritz Stäubli) und eine einfache Geschichte (Moni Wespi und Uli Weigel), die Raum für Feinheiten lässt: Den Contemporary Dance Nomads von Loutop ist ein witziges Stück geglückt, das nicht nur Tanzkenner anspricht. Sondern auch diejenigen begeistern dürfte, denen sich beim Stichwort «Zeitgenössischer Tanz» gewöhnlich die Nackenhaare sträuben. Und die dabei ein «Hm ... in-te-re-ssant!» von sich geben. «Wir wollten den modernen Tanz auf eine verspielte Art vermitteln», sagt Moni Wespi, die nicht nur eine der vier Figuren spielt, sondern auch das Konzept entwickelt hat. Die Arbeit in früheren Tanzkompagnien hat sie dann und wann frustriert, weil sie gemerkt hat: «Man
Tanz auf allen Ebenen Es gibt viel zu sehen, zu hören und auch da und dort etwas zu lachen, wenn die Wesen ihre Geschlechtlichkeit entdecken. Die Geschichte spielt auf dem Boden, in der Luft und auf dem 5 Meter hohen Metallkörper. Das Gerüst ermöglicht ein vielseitiges tänzerisches Schauspiel mit akrobatischen Elementen, welche die überschaubare Handlung zum Spektakel machen. Die Evolution auf mehreren Ebenen nimmt ihren Lauf, aus animalischen Kreaturen entwickeln sich wieder Menschen, die abermals vor denselben Problemen stehen. Und wenn wir nun tatsächlich eines Tages eine zweite Chance bekommen sollten: Was spricht dagegen, dass wir ein weiteres Mal scheig tern? Michael Feller un
s rlo \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \Ve\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \
«Desmond». Münsterplattform, Bern Mo., 14.7., bis Sa., 26.7., täglich ausser Di. und So., jeweils 21 Uhr www.loutop.com
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10 Orte in Bern: www.lobatown.ch Mo., 14.7., bis So., 20.7., 21–21.15 Uhr
Knistern statt digitale Verführung Weil die letzte, neunmonatige Tournee «so wahnsinnig rockte», beschlossen Ben Harper & The Innocent Criminals, gleich anschliessend in Paris eine neue Platte aufzunehmen. In einem Studio fanden die Musiker ein analoges 16-Spur-Aufnahmegerät. «Wir wollten uns gar nicht der Verführung aussetzen, digital nachzubessern», beschreibt Harper in einem Interview die Arbeitsweise. Um den Livecharakter zu erhalten, wurden die Songs möglichst unverfälscht in nur einer Woche aufgenommen und abgemischt. Das Experiment glückte: Die knisternde Atmosphäre der HarperAuftritte lässt sich beim Anhören des Albums erahnen; Musik, die unter die Haut geht. Mal soulig, dann wieder rockig, mit Anleihen bei Blues und Folk, stellt der Kalifornier einmal mehr seine stilistische Vielseitigkeit unter Beweis. Klar, man könnte ihm vorwerfen, Nostalgiker zu sein, der nicht nur aufnahmetechnisch, sondern auch musika-
lisch bei den Magnettonbändern stehen geblieben ist. Seine Verbundenheit mit der Tradition geht aber einher mit einem lockeren Zugang zum musikalischen Erbe, sodass die Songs alles andere als verstaubt wirken. Apropos Tradition: Am Sonntag spielt auf der Zeltbühne die bald siebzigjährige Rock’n’Soul-Legende Solomon Burke. Auf dessen aktuellem Album «Like a Fire» hat Ben Harper einen Gastauftritt und setzt auf der sonst eher mittelmässigen Aufnahme das musikalische Ausrufezeichen. Soundtrack für einen lauen Sommerabend Ben Harpers Charisma und seine soulige Stimme lassen nur allzu leicht die Begleitband The Innocent Criminals in den Hintergrund treten, zu Unrecht. Die langjährigen musikalischen Weggefährten Michael Ward (Gitarre), Jason Yates (Keyboards), Schlagzeuger Oliver Charles und der Perkussionist Leon Mobley sowie das – nicht nur musikalische – Schwergewicht Juan Nelson am Bass liefern mit ihrem kompakten Sound die Basis für die solistischen Höhenflüge ihres Chefs. Ben Harper & The Innocent Criminals bilden zusammen ein überzeugendes Kollektiv, das, entspannt groovend, sein Publikum mitzureissen weiss: Es ist der perfekte Soundtrack für einen gemütlichen lauen Sommerabend. David Loher g un los Ver \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Ben Harper & The Innocent Criminals Gurtenfestival, Wabern. Sa., 19.7. 00.30 Uhr. www.gurtenfestival.ch