Kasskara
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N°46 Do., 13., bis Mi., 19.11.2008
Habib Koité in Rubigen
Das Stadttheater Bern zeigt «Rosa und Blanca» in der Vidmarhalle 1
Giora Feidman und Matthias Eisenberg im Berner Münster
Der malische Sänger und Gitarrist schüttelt bald in der Mühle Hunziken seine Dreadlocks.
Rosa und Blanca weigern sich, in einer Gesellschaft von «emotional Querschnittgelähmten» zu leben. Ein unbekannter Bär aber bringt ihren Hormonhaushalt und ihren Frieden durcheinander.
Er ist Vollblutmusiker und zweifacher Echo-Preisträger – Giora Feidman (Bild). Zusammen mit dem Organisten Matthias Eisenberg schlägt er Brücken zwischen den Kulturen.
Jäger-Pop
Fabelhafte Pubertät
Prophet mit Bassklarinette
Der Griot-Sänger Habib Koité setzt mit der Gruppe Bamada auf malische Traditionen statt Allerweltsmusik.
Bei «Rosa und Blanca» bevölkern allerlei Tiere die Bühne, darunter ein kokettierender Bär. Das Stadttheater Bern zeigt ein freches und modernes Märchen für Erwachsene: Zwei Mädchen ziehen das Waldleben der Gesellschaft anderer Menschen vor.
Wenn Klassik auf Klezmer trifft, treffen nicht nur zwei unterschiedliche Musikrichtungen aufeinander, sondern auch zwei religiöse Welten: die christliche und die jüdische. Giora Feidman und Matthias Eisenberg werfen alle Glaubensschranken über den Haufen.
Afrikanische Bands in der Mühle sind gewöhnlich ein spezielles Erlebnis. Unlängst hat das Orchestra Baobab aus Senegal für grosse Freude in bunten Kleidern gesorgt. Nun tritt aus dem Nachbarland Mali ein weiterer Musiker von Welt auf die Bretter: Habib Koité. Seine Musik wurzelt in der Griot-Kultur, also der afrikanischen Tradition, die Textvorträge in Musik hüllt. Auf diese Art und Weise wurde das Wissen der westafrikanischen Völker weitergegeben.
Von der Gesellschaft mit all ihren Regeln und Ungerechtigkeiten haben Rosa (Milva Stark) und Blanca (Lucy Wirth) die Nase voll. «Zu viel Schein», befinden sie. Gemeinsam ziehen die beiden Schwestern in den Wald zu den Tieren.
Beim Lesen seines Lebenslaufs wächst der Respekt. Denn Giora Feidman ist der König des Klezmer. 1936 in Buenos Aires geboren, griff er mit 18 Jahren zur Klarinette und lässt sie nicht mehr los. Nachdem er als Bassklarinettist im Israel Philharmonic Orchestra gespielt hatte, zog er in den 70er- Jahren nach New York und startete seine Solokarriere. Klezmer wurde in den USA und Europa en vogue und Giora Feidman zum Star.
Eine Reise durch die Heimat Koité nennt seine Musik «Dassa-Doso», eine eigene Wortschöpfung, die bedeutet, dass er populäre Rhythmen mit der Musik der Jäger verbindet, einer der ältesten musikalischen Traditionen überhaupt. «Das Wort soll die zusammengefasste Musik aller ethnischen Gruppen Malis symbolisieren», sagt er selbst. Es sind immerhin rund dreissig. «Wir haben so viele fantastische Rhythmen und Melodien. Viele Dörfer haben ihre ganz eigene Musik. Ich bin ein Reisender, der all diese Traditionen in seine Musik integriert», definiert er seine musikalischen Ziele. Mit seiner Gruppe Bamada trägt der emeritierte Gitarren-Professor der Hochschule von Bamako die Musik Malis in die Welt. Mit einer ruhigen, warmen Stimme und einer vielköpfigen Band, die für berauschende Konzerte sorgt. g Michael Feller sun
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Mühle Hunziken, Rubigen Fr., 14.11., 21 Uhr www.muehlehunziken.ch
Ein idyllisches Leben im Wald? Während sich die lernbegierige Blanca die Zeit als Insektenforscherin mit dem Studium von vielbeinigem Getier vertreibt, bastelt ihre eitlere Schwester Rosa Modekreationen aus Pflanzen. Trotz ihrer Unterschiedlichkeit verbindet die beiden Schwestern ein starkes Band. Allwöchentlich sitzen sie mit Lamm, Reh, Taube und Hase zu Tisch, um bei Kaffee und Kuchen über die wirklich wichtigen Dinge im Leben zu diskutieren. Ein Draht zur Zivilisation sind einzig die Besuche ihrer penetranten Mutter (gespielt von Sabine Martin). Eines Tages steht plötzlich ein unbekannter Bär (Jürgen Hartmann) auf der Lichtung, singend und tanzend zur live gespielten Jazzmusik. Die schwesterliche Eintracht gerät ins Wanken. Denn mit dem naiv wirkenden, im Grunde aber äusserst durchtriebenen Genossen erwacht das sexuelle Begehren der Pubertierenden. Beide verlieben sich und kämpfen auf ihre Art um seine Gunst. Die zwei Stimmen in uns Mit der fabelhaften Story inszeniert Regisseur Erich Sidler den uns allen bekannten Konflikt zwischen Herz und Verstand. «Die extrovertierte, impulsive Art Rosas steht für die emotionale Stimme in uns. Blanca mit ihrer rationalen, wohlbedachten Art entspricht unserer
analytischen Seite», erläutert der Regisseur den symbolischen Gehalt des Stücks. Für die Schweizer Erstaufführung hat er sich seinem bevorzugten Genre, der neuen Dramatik junger Autoren, gewidmet. Mit Rebekka Kricheldorf hat Erich Sidler bereits bei früheren Produktionen gerne zusammengearbeitet. «Ihre Sprache ist modern und sehr verdichtet, das machts aus», sagt er. Die süddeutsche Autorin hat sich für das oft äusserst ironische Stück vom Märchen «Schneeweisschen und Rosenrot» der Gebrüder Grimm inspirieren lassen. Wie im Originalmärchen kreuzt immer wieder ein ekelhafter Zwerg den Weg der beiden Mädchen und stellt ihren Charakter auf die Probe. Kein Happy End «Rosa und Blanca» ist eine Geschichte über den immerwährenden Widerstreit in uns Menschen. Und über unsere Tendenz, die eigenen Wertvorstellungen anderen überzustülpen. Wo der Mensch auftaucht, bleibt sein Einfluss nicht ohne Folgen. Ist Rosas und Blancas Vorstellung vom friedlichen Zusammenleben von Mensch und Tier utopisch? Fakt ist, am Ende des Stücks liegen alle Tiere bis auf den Bären tot auf der Lichtung. «Nein, dieses Märchen hat kein Happy End», bestätigt Erich Sidler und fügt an: «Aber Erwachsene halten das aus.» Mariana Raschke \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Stadttheater Bern, Vidmarhalle 1, Liebefeld Premiere: Sa., 15.11., 19.30 Uhr www.stadttheaterbern.ch
Eine Reinkarnation von Bach? Die mal fröhlich trillernde, mal melancholische und zu Tränen rührende jüdische Musik stammt ursprünglich aus dem 15. Jahrhundert. Vier Jahrhunderte später avancierte die Klarinette zum Klezmer-Instrument par excellence. In der Oscar-gekrönten Filmmusik von «Schindlers Liste» spielt Giora Feidman die unnachahmlichen warmen und zugleich zarten Klarinettentöne. Auftritte in deutschen Filmen wie «Jenseits der Stille» oder «Die Comedian Harmonists» folgten. Kurze Zeit später traf er auf den Organisten Matthias Eisenberg, seinen «Engel», wie Feidman ihn am Telefon aus einem Hotel in Dortmund bezeichnet. «Er ist eine Reinkarnation von Bach, maybe» schwärmt er von dem 52-jährigen Organisten. Und diese Überlegung kommt nicht von ganz ungefähr, denn der aus Dresden stammende Matthias Eisenberg ist mehrfach gekrönter Preisträger. Mit fünf Jahren bekam er Klavierunterricht, vier Jahre später war er schon Organist in seiner sächsischen Heimatstadt. Matthias Eisenberg gilt nicht nur als Bach-Spezialist, sondern auch als Meister der Improvisation und
ist für seine klassischen Einspielungen berühmt. «Warum soll ich nicht das Ave Maria spielen?» Zusammen verwirklichen die beiden Musiker eine Mission: Grenzen überwinden und Türen öffnen. Vor allem die Kirchentüren, die zu ihren Konzerten führen. Menschen jeder Religion sollen hineinströmen, ihrer hochkarätigen Musik lauschen und zusammenfinden. «Ich bin Jude, doch warum soll ich nicht das Ave Maria spielen?», kommentiert der Klarinettenvirtuose das Programm «From Classic to Klezmer». Franz Schuberts Vertonung des Ava Maria, Werke von Johann Sebastian Bach und Max Bruch treffen auf die Musik von Scott Joplin, Ziggy Elman und Ora Bat Chaim. So unterschiedlich die Werke und ihre Entstehungszeiten auch sein mögen, so unzertrennlich sind sie, wenn man die beiden Musiker zusammen spielen hört. Und genau das ist die spirituelle Botschaft, die sie vermitteln wollen: together. Im Duo ziehen sie vorwiegend durch Deutschland, die erste Station in der Schweiz ist das Berner Münster, Basel und Zürich folgen. Dass man in der Schweiz vier verschiedene Sprachen spricht, erschien ihm zunächst ein wenig diffus, sagt der 72-jährige. Doch er mag das Land, nicht wegen seiner Berge, denn schöne Berge gibt es überall auf der Welt, sondern wegen seiner unnachahmlichen Schokolade. Claudia Sandke \\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\
Berner Münster, Bern Di., 18.11., 20 Uhr www.bernermuenster.ch